Mittwoch, 8. Januar 2014

My year in lists, meine zehn schlechtesten Konzerte des Jahres (Oliver Peel)


My Year In Lists: Meine zehn schlechtesten Konzerte des Jahres 2013:  

Ich habe es mir in den letzten Jahren nicht nehmen lassen, schlechte Konzert zu verreissen und mit deutlichen Worten zu quittieren. Teilweise führte das zu heftigen Reaktionen bei den Fans der herabgekanzelten Bands, aber das nahm ich in Kauf. Zur Konzertkritik gehören nun einmal auch negative Rezensionen und wo gehobelt wird, fällt Späne. Oft habe ich meinen teilweisen sanftmütigeren Kollegen Christoph aufgefordert, ruhig etwas böser zu sein und die Kritik deutlicher und hämischer zu formulieren.

Hier und heute fällt es mir aber deutlich schwerer als in den Vorjahren, eine Liste der schlechtesten Kozerte aufzuführen. Erstens war ich bei der Auswahl der Gigs noch penibler, zweitens war ich auf keinem der größeren Festivals dabei, wo man teilweise rein aus Neugier bei Bands reinschaut, die man sich ansonsten nicht ansehen würde und die dann oft in der Tat abscheulich sind.

Insofern hier nur eine Auflistung von ein paar Konzerten (ohne Rangfolge), die meinen Erwartungen nicht gerecht wurden. In den meisten Fällen waren sie aber nicht wirklich schlecht.

- Iron & Wine, La Cigale, Paris, 01.06.2013


Eines dieser Konzerte, die qualitativ erlesene Musik boten, aber mich persönlich nicht begesitern konnten. Hauptgrund war im Falle von Iron & Win die aufgeplusterte Orchestrierung mit um die 10 Musikern, inklusive Saxofon (würg!) und Klarinette. Von den alten Bedroom Records ist Sam Beam weit entfernt, die Intimität ist weitestgehend verloren gegangen. Das deutete sich schon auf der Tour zu seinen letzten Album Kiss Each Other Clean an, wurde nun mit Ghost On Ghost konsequent fortgeführt und noch weiter ausgebaut. Nur die wenigen Solo Balladen wussten zu gefallen, der Rest war irgendwie immer "too much"

- Grizzly Bear, Olympia, Paris, 25.05. 2013


Ähnlich wie bei Iron & White: qualitativ hochstehendes Konzert, aber emotional nicht berührend. Mich zumindest ließ der Auftritt der Amerikaner weitestgehend kalt. Auch sie hatten damals beim ersten Album mit leisen Lofi Folk Aufnahmen begonnen, klingen  inzwischen aber wuchtig und kraftvoll, zumindest live. Das ermöglicht ihnen, größere Venues zu bespielen, verhindert aber daß eine warme und intime Atmosphäre wie früher ensteht. Am Ende versuchten sie ähnlich wie The National dies mit Vanderlyle Crybaby Geeks tun, eine Ballade ohne Mikro vorzutragen, konnten aber dennoch keine Nähe und Intimität erzeugen.

- The National, Paris, Le Zénith, 18.11.2013

The National sind eine ausgezeichnete Band mit vielen wunderbaren Songs, gar keine Frage. Im viel zu großen Zenith verpuffte die Magie aber fast völlig,  die Lieder klangen ob des wenig nuancierten Hallensounds belanglos und es kam kaum was rüber. Schade, aber wir wissen ja, daß die eigentlich toll sind.

- Depeche Mode, Stade de France (SDF), Paris, 15.06. 2013



Es wäre übertrieben zu sagen, daß Depeche Mode Helden meiner Jugend waren, aber ich mochte sie, wie fast jeder meiner Altergenossen. Als ich 16 war, wollte ich sie auf einem Konzert in Bochum sehen (oder war das Dortmund, Westfalenhalle?), aber mein Vater ließ mich da nicht hin, befürchtete ich könne an Drogen geraten oder so. Ein viertel Jahrhundert (!) später sah ich Dave Gahan und co. dann tatsächlich live auf einer Bühne, aber der Hit war es nicht. Mieser Sound (zumindest an meiner Stelle, unten auf der hinteren Wiese), feistes Stadionpublikum (die Leute hätte ich mir auch bei den Stones vorstellen können) und eine Band, die ich quasi nur auf den großen Leinwänden sah. "Nur dabei, statt mittendrin." So fühlte sich das an, von einem Liveerlebnis konnte nicht wirklich die Rede sein. Und von den gespielten Songs ragten letztlich nur Personal Jesus, Enjoy You Silence und Just Can't Get Enough heraus, der Rest plätscherte mehr oder weniger belanglos zu schönen schwarz/ weißen Fotografien von Anton Corbijn dahin.

- Jagwar Ma, Paris, La Flèche d'or, 09.09.2013


Eine 2013 sehr gehypte Band, die ich nicht verstanden habe. Man müsste mir wohl mal die Gebrachsanweisung schicken. In der brutal heißen Pariser Flèche d 'or spielten die Neuseeländer ihren synthetischen, aggresiven Sound und brachten damit viele Leute zum Tanzen (und noch mehr Schwitzen), rauschten mit der Mixtur aus Eletro und Rock aber vollends an mir vorbei. Oft wird ihr Stil mit dem Sound von Madchester verglichen, aber da dies auch nicht so meine Sache war, war es wohl logisch, daß ich mit dem von der Zeitschrift Les Inrocks zum besten Konzert 2013 gekührten Gig nicht viel anfangen konnte.

Zola Jesus, Café de la Danse, Paris, 04.10.2013


Neugierde und das Motiv "der zweiten Chance" trieb mich zu dem Konzert der gothisch angehauchten Sängerin. Ich hatte sie ein paar Jahre zuvor bereits einmal im Vorprogramm von Fever Ray gesehen und war nicht gerade begeistert gewesen. Das war mir zu theatralisch, es gab mir zu viel Pathos und Drama. Von einer weniger elektronischen Variante mit Streichern, wie im Café de la Danse angekündigt, versprach ich mir aber dennoch eine Menge. Vergebens. Das kleine klassische Kammerorchester wirkte wie ein Fremdkörper auf der Bühne, zwischen Zola Jesus und den Begleitmusikern, die von eim Dirigenten geführt wurden, gab es kaum Kommunikation. Es wirkte alles ziemlich leer und blutarm.. Schade.

Sky Ferreira, Pitchfork Festival, Paris, 02.11.2013

21 Jahre ist die blonde Sängerin erst alt und Pitchfork liebt sie. Warum eigentlich? Wegen des puppigen Aussehens und der vollen Lippen? An der Musik kann es kaum liegen, denn was man beim Pitchfork Festival in Paris von Ferreira zu hören bekam war belangloser Mainstream Pop im Stile einer Avril Lavigne. Nicht verwunderlich, daß sie 2014 Miley Cirus supporten wird.

Miles Kane, Festival Fnac live, Paris, 18.07.2013

Miles spielte beim Gratisfestival Fnac Live vor dem wunderschönen Pariser Rathaus. Das Wetter war toll, die Stimmung gut, die Musik aber extrem mittelmäßig. Kane hat es sich wohl offensichtlich zum Ziel gesetzt, massentauglich zu werden, in dem er seine Lieder glatt bügelt und auf Eingängigkeit trimmt. Vom Charme seiner Aufnahmen mit den Last Shadow Puppets hatte das nichts mehr zu tun und auch den Garagenrock mit Ecken und Kanten der ersten Platte seiner Band The Rascals hörte man nur noch ansatzweise heraus. Und sein Bühnenoutfit war definitiv das häßlichste des Jahres! 


Rodriguez, Le Zénith, Paris

Ein trauriger Auftritt des zum Kultstar anvancierten Singer /Songwriters aus Detroit. Der Dokufilm Searching For Sugarman hat ihn im Spätherbst seiner Karriere berühmt gemacht, aber der betagte Mann mit dem schwarzen Hut hat den späten Erfolg wohl nicht verkraftet. Folge: er trat stark betrunken auf, war kaum in der Lage Gitarre zu spielen und artikulierte sich auch sehr schlecht. Das Publikum war bestürzt, teilweise wütend, weil die Karten für den Gig am Schwarzmarkt  Fantasiepreise erzielt hatten. Meine vorherrschenden Emotionen waren Trauer und Mitleid. Ich fand es traurig, daß er nach so langer Zeit der Abstinenz wieder Alkohol rückfällig gworden war und litt mit dem Sänger mit, denn jeder, der den Film gesehen hat, weiß ungefähr wie hart und schwer sein Leben war. Glücklicherweise war sein Konzert am nachfolgenden Tag in der deutlich kleineren Cigale wesentlich besser. Zwar konnte er auch da nicht vom Weinglas lassen, aber sein Gesang war deutlich klarer, sein Gitarrenspiel wesentlich besser. Ein paar Songs bekam er sogar richtig super hin. Ein Wunder angesichts des Konzertes im Zenith!

Linda Perhacs, Divan Du Monde, Paris, 02.12.2013


Darf man bei der Dame nach dem Alter fragen? Nein, das gehört sich nicht. Sagen wir einfach, daß sie etwas älter ist, als die jungen Mädels die man sonst so singen hört. Linda Perhacs hat ihr erstes Album Parallelograms 1970 herausgebracht und dabei ist es geblieben bis... jetzt!! Im März 2014 wird nämlich The Soul Of All Natural Things erscheinen und Kritiker, die es bereits hören durften, bezeichnen es schon jetzt als Meisterwerk. Das Konzert im Divan Du Monde war letztlich aber dann doch nicht so überragend, weil die zahlreichen Gastmusiker, die auch als Begleitband fungierten, jeweils Solosongs von sehr mittelmäßiger Qualität (ich bleibe höflich) vortragen durften. Das verwässerte das Konzert und ließ es in dieser Phase (die mindestens quälend lange 25 Minuten dauerte) deutlich nach unten abdriften. Wenn Lisa Perhacs eigenes Material sang, wurde es gleich viel besser. Hoffnung für 2014: ein Konzert von Linda Perhacs ohne Gastmusiker, dann wird es vielleicht sogar in der Bestenliste auftauchen.



2 Kommentare :

Christoph hat gesagt…

Drei Anmerkungen:

Klarinetten sind aber mindestens genauso scheußlich wie Saxophone!

Jagwar Ma mochte ich auch überhaupt nicht.

Dein verpasstes DM Konzert war 1990.

Markus hat gesagt…

Zola Jesus kam bei Dir ja noch richtig gut weg :)

 

Konzerttagebuch © 2010

Blogger Templates by Splashy Templates