Konzert: Beach House
Ort: La Maroquinerie, Paris
Datum: 29.05.2012
Zuschauer: ausverkauft, also 500
Konzertdauer: 90 Minuten
Bloggerzar Eike vom sensationell guten bayrischen Klienicum ist ein veritables Trüffelschwein. Der findige Bursche gräbt die wohlschmeckenden Edelpilze immer lange vor der ahnungslosen Meute aus und tut sich daran eine Weile gütlich. Ist aber die Meute endlich auch auf die Trüffel gestoßen, spuckt der Kerl das Zeug aus und haut schnell ab. Nichts stößt ihm übler auf, als Massentauglichkeit. So war er als einer der Ersten an Bon Iver und den Fleet Foxes dran, hat sich aber mit zunehmendem Bekanntheitsgrad der Musiker aus dem Staub gemacht. Man liest bei ihm nichts mehr von den einst hochgelobten Justin Vernon und Robin Pecknold. Mit Beach House war es sehr ähnlich. Eike war es, der mich mit seinen Posts zum ersten Album (2006) des Duos aus Baltimore auf Victoria und Alex aufmerksam machte. Zu diesem Zeitpunkt fristeten die Amis noch ein Schattendasein und auch als das zweite Album Devotion 2008 rauskam und ich beim Konzert in der Maroquinerie war (das Foto rechts satmmt aus dieser Zeit), waren die Ränge weistestgehend leer. Das änderte sich mit Teen Dream, dem dritten Opus von Beach House, gewaltig. Nun stürzte sich jede Lieschen Müller auf die leiernde Orgelmusik und den Hauchgesang von Victoria und alle waren hin und weg und voll des Lobes. So einige dachten gar ernsthaft, es handele sich bei Teen Dream um das Debütalbum der Gruppe. Der einsetzende Aufstieg war atemberaubend, "das Strandhaus" wurde jeden Tag ein Stück bekannter.
So war es dann auch nicht weiter verwunderlich, daß der vor Monaten bekannt gegebene Konzerttermin in der Maroquinerie zur Tour für das vierte Werk Bloom innerhalb weniger Tage restlos ausverkauft war. Ich selbst hatte nicht zugeschlagen und mich auch nicht rechtzeitig akkreditieren lassen. Deshalb wollte ich am 29. Mai eigentlich auch zu Julia Holter und The Dirty Three ins Trabendo gehen. Außerdem liefen so tolle Sachen wie Shellac im Bataclan oder Elvis Costello im Olympia. An Beach House dachte ich eigentlich gar nicht mehr.
Am Tage des Konzertes überkam mich dann aber plötzlich Wehmut, weil ich an die wunderbaren Auftritte von Beach House in der Vergangenheit dachte und das Gefühl hatte, sie nie wieder in einer solch kleinen Location wie der Maroquinerie sehen zu können. Über einen guten Bekannten bekam ich eine überschüssige Karte, zahlte dafür den regulären Preis von recht happigen 26, 40 Euro und war plötzlich mit von der Partie.
Am Orte des Geschehens herrscht eine entspannte Stimmung. Das Wetter war schön und die Musikfans nutzten das, um auf der Terrasse ein oder zwei Bier zum Warmmachen zu trinken. Der Vorgruppenact Porcelain Raft war den meisten ziemlich egal, auch mir, denn ich hatte den gutaussehenden Italo-Amerikaner Mauro Remiddi, der hinter dem Pseudonym steckt, bereits kürzlich im Café de la Danse gesehen und war nur mittelprächtig beeindruckt. Sein 1980 er Jahre Synthiesound erschien mir nicht unverpassbar, so daß auch ich erst einmal mit Freuden auf der Terrasse rumgammelte. Es war erstaunlich zu sehen, wie viele Promis aus der Musikszene vor Ort waren. Nicolas Godin von Air war zusammen mit seiner Freundin Ira, der ehemaligen Bassistin von CSS gekommen, aber auch Gaetan Roussel von Louise Attaque trieb sich hier rum, zudem noch Musiker von Nelson, Mai, Coming Soon, Victorine etc. Sie alle wollten Beach House sehen und bevölkerten spätestens um 21 Uhr den Keller des dort für 21 Uhr 15 angesetzten Konzertes. Viele Menschen erzeugen Wärme und so tropften mir schon vor Beginn der Show die Schweißperlen von der Stirne. Allerdings war es trotzdem noch einigermaßen erträglich, so extrem wie neulich bei Spain im Pop In wurde es nicht. Dennoch war Ausdauer erforderlich, die Show würde nämlich 90 Minuten lang werden.
Pünktlich um viertel nach neun ging es endlich los. Zum Einmarsch der drei Gladiatoren (es gab einen Drummer) lief Miami Vice Theme (von 1985) von Jan Hammer. Ein Wink mit dem Zaunpfahl, daß auch der Sound von Beach House saumaßen nach den Eighties klingt? Wer weiß, auf jeden Fall war das amüsant und sympathisch, Zeichen dafür, daß sich die Band selbst nicht so ernst nimmt. Und die Bühnendeko, zwei Holzverschläge aus denen von hinten das Licht drang und so Streifen erzeugte, wirkte angenehm bescheiden und nicht zu überladen.
Leider konnte man das von dem Sound nicht immer sagen. Der war nämlich phasenweise wirklich etwas überladen und bombastisch, ließ die Subtilität und Verhuschtheit der ersten beiden Alben vermissen und flirtete immer mal wieder bedrohlich mit der Kitschgrenze. Dies bezog sich nicht nur auf die neuen Sachen, sondern umfasste auch das alte Material. Gila war kaum wiederzuerkennen, mit seinem wuchtigen Giattrenriff und dem schweren Schlagzeug klang es ganz anders als damals.
Aber ich will nicht nur meckern, schließlich sang Victora Legrand wieder einmal absolut sensationell. Diese tiefe und traurige, manchmal fast versoffenen und männlich wirkende Grabesstimme, die aber auch atemberaubende Höhen erklimmen kann und so herrlich zart und cremig gerührt ist, zog mir aufs Neue die Schuhe aus. Keine singt wie Victoria, das ist wirklich so. Auch nicht Mazzy Star, die immer wieder als Vergleich herangezogen wird. Nein, in deser Hinsicht gab es nichts auszusetzen, stimmlich war die wild gelockte Dame mit der übergroßen Anzugsweste allererste Sahne. Und ihre Jungs machten ihre Sache ebenfalls ausgezeichnet.
Was störte- und da bin ich leider wieder bei der Kritik -, war das Gefühl, daß die Band auf eine Sackgasse zusteuert. Ihr Sound lässt nicht viel Spielraum für Varianten und bei den Stücken des neuen Albums hatte man den Eindruck, daß dort im Wesentlichen Teile aus den alten Sachen wiederverwertet und in leicht veränderter Form zusammengesetzt werden. Auch auf das Konzert wirkte sich das aus, da schlich sich irgendwann eine gewisse Gleichförmigkeit und Monotonität ein. Immer wieder diese melancholische Orgel, ständig der traumverhaftete Sehnsuchtsgesang von Victoria, regelmäßig die flirrende Gitarre von Alex und durchgängig der Drumcomputer zusätzlich zu den Livedrums. Gerade der Mittelteil war davon betroffen.
Glücklicherweise wurde dann am Ende aber doch noch einmal deutlich aufgedreht und mit Wishes und Myth die besten Stücke des neuen Werkes serviert. Die Band verschwand im Anschluß flugs und ohne große Geste in die Kabine, kam dann aber ein paar Minuten später zu einem umjubelten Zugabenteil zurück. Nach Turtle Island klatschten die Leute zu 10 Mile Stereo sogar mit, ließ Victoria ihre Lockenmähne wie wild hin und her wirbeln und verletzte sich sogar leicht bei dieser ungestümen Aktion. Closer Irene schließlich wurde nach schleppendem Beginn am Ende fast noisig. Man erlebte nun eine Gruppe, die die letzten Kraftreserven in dieser Hitzeschlacht freimachte und sich nicht schonte, bis irgendwann fast extatische Ausmaße erreicht wurden.
Victoria hatte sich netterweise das ganze Konzert über erkundet, ob es den Leuten nicht viel zu heiß sei. Dies in einem sehr ordentlichen französisch, schließlich ist sie die Nichte des berühmten Michel LeGrand, selbst wenn sie in den USA aufgewachsen und somit keine echte Muttersprachlerin ist.
"Victoria we love you" schallte es nicht nur wegen ihrer Sprachkenntnisse aus einigen Kehlen und ich konnte die Leute verstehen, die Sängerin hat wirklich ein enormes Charisma, wirkte heute noch etwas unnahbarer und mysteriöser als sonst, weil sie weit hinten, fast an der Wand performte.
Wie sich Trüffelschwein Eike wohl heutzutage zu Beach House äußern würde? Wahrscheinlich gar nicht. Ich bin ziemlich sicher, daß er das neue Album nicht gehört hat und mit dieser Verweigerungshaltung hat er zumindest zum Teil recht. Es finden sich darauf nämlich neben ein paar Perlen einige wirklich dürftige (überkitschige) Lieder und insgesamt ist das Werk zu flach und vorhersehbar geworden.
An meinem insgesamt doch recht guten Eindruck von diesem Konzert, der in erster Linie durch die stimmliche Brillanz und die Präsenz von Victoria zustande kam, änderte das trotz der im Text erwähnten Mängel freilich nichts, schließlich bewerten wir hier Konzerte und keine Alben. Wenn ich es in Noten ausdrücken müsste: 7/10.
Setlist Beach House, La Maroquinerie, Paris
01: Wild
02: Walk In The Park
03: Norway
04: Other People
05: Lazuli
06: Gila
07: Equal Mind
08: The Hours
09: Silver Soul
10: New Year
11: Zebra
12: Wishes
13: Take Care
14: Myth
15: Turtle Island
16: 10 Mile Stereo
17: Irene
Aus unserem Archiv:
Beach House, Köln, 14.11.10
Beach House, Paris, 04.11.10
Beach House, Frankfurt, 16.08.10
Beach House, Paris, 03.06.10
Beach House, Paris, 20.02.10
Beach House, Paris, 24.05.08
3 Kommentare :
ich schrieb im märz 2010, dass die beiden ihren weg sehr konsequent verfolgen. das sehe ich auch mit dem neuen album noch so (selbstverständlich gehört!). aber es ist eben kein weg, den ich noch mitzugehen gewillt bin. die kreativität findet ihr grenze in der ausmalung dessen, was man kennt. der hörer wird kaum mehr überrascht. sich neu zu definieren (nicht in gänze, aber in teilen), ist für mich anregender bestandteil, um bei einer band wie beach house neugierig zu bleiben. gilt natürlich auch für fleet foxes und bon iver.
"Der Hörer wird kaum mehr überrascht" sagst du, Eike, und ich schrieb "das neue Werk ist zu vorhersehbar geworden", wir stoßen also ins gleiche Horn.
ja, hab ich auch so verstanden. wollte mich nur noch mal erklären.
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