Donnerstag, 28. Juni 2012

Kettcar, Hurricane Festival, 24.06.12


Konzert: Kettcar
Ort: Hurricane Festival, Scheeßel
Datum: 24.06.2012
Dauer: ca. 75 min


von Ursula (neulich als ich dachte) und Dirk (Platten vor Gericht)
Wir hatten bei unserem Festivalbesuch ja wie bereits erwähnt die „Rentnervariante“ gewählt und uns in einem Hotel eingemietet. Folglich begannen wir den komplett verregneten Sonntag anders als die meisten Hurricane-Besucher trocken, sahen aber zunehmend missmutig aus dem Fenster. Ein derart starker Regen musste doch irgendwann aufhören? Da er das nicht tat, entschlossen wir uns erst gegen 16 Uhr zum Aufbruch Richtung Scheeßel, und sobald wir uns ins Auto setzten, legte der Regen noch ein wenig nach und wurde zum Guss. Angesichts der Wetterbedingungen war es auch relativ schwierig, am Gelände zu parken, aber irgendwann hatten wir es dann geschafft und machten uns in Gummistiefeln und Regenjacken auf einen langen und missmutigen Fußmarsch, während uns zahlreiche bereits abreisende Festivalgäste erst in Autos und später zu Fuß entgegenkamen. Das ganze Szenario erinnerte nun eher an Flüchtlingslager als an Party, und das Gedränge vom Vortag war extrem ausgedünnt. Ich schätze, die Hälfte der 70 000 Besucher ist vor Sonntagabend abgereist.

Dennoch hatte sich vor der Hauptbühne eine ansehnliche Menge versammelt, um Kettcar zu sehen, die ihr Set mit „Rettung“ eröffneten. Marcus Wiebusch klärte uns gelassen darüber auf, dass es schon etliche Kettcar-Auftritte beim Hurricane gegeben habe, und dass es bei allen bis auf den ersten (in einem heißen Zelt) geregnet habe. Und es gebe immer einen Idioten, der behaupte „Da hinten hellt es ein bisschen auf“, dem man am besten sofort auf die Fresse hauen solle, denn „Das Schlimmste, das uns jetzt passieren kann, ist Hoffnung!“ Es folgte „Deiche“, doch im Gegensatz zur Textzeile „Deiche brechen richtig oder eben nicht“ schlossen sich die Himmelsschleusen irgendwann im Verlauf von Kettcars Auftritt. Später ließ Wiebusch sich aber – berechtigt – selbst zu dieser Klischee-Äußerung hinreißen und musste sogar – unter „Ausziehen!“-Kommentaren – im plötzlichen Sonnenschein wegen steigender Temperaturen seine Jacke ablegen – was wiederum zu einem Austausch zum Thema „körperlicher Verfall“ mit der ersten Reihe und den Mitmusikern Anlass gab: Nachdem Wiebusch versichert hatte, dass wir seinen nackten Oberkörper sicher nicht sehen wollen, regte er sich gespielt darüber auf, dass sich nun Sechzehnjährige in der ersten Reihe über seine Figur lustig machten – und dass die 40jährigen in der dritten Reihe still grinsen. Das Thema Alter scheint die Band auch sonst zu beschäftigen, denn in „Balkon gegenüber“ wurde die Zeile „Vielleicht ist er 30 geworden?“ um zehn Jahre erhöht.

Obwohl im Hintergrund der Bühne das Cover von „Zwischen den Runden“ groß aufgezogen worden war, spielten Kettcar nur fünf Titel aus diesem Album, darunter „R.I.P.“, das als „Wenn das der Frieden ist, musst du den Krieg nicht noch erfinden“ angekündigt wurde. Für mehr Resonanz beim Publikum sorgten jedoch vor allem die alten Titel wie „Graceland“ oder „Stockhausen, Bill Gates und ich“. Besonders abgefeiert wurden die insgesamt sechs Lieder, die aus ihrem Debütalbum „Du und wieviel von deinen Freunden“ dargeboten wurden. Vergleicht man die Stimmung mit dem großartigen Auftritt von Thees Uhlmann am Vorabend, so geht Hemmoor dank des Heimvorteils gegen Hamburg als knapper Sieger hervor. Apropos Thees, Reimer Bustorff wusste noch zu berichten, dass ihn am Vortag, als er den Uhlmann-Auftritt besuchte und dieser groß auf der Videoleinwand zu sehen war, von einem Besoffenen angesprochen und gefragt worden sei, ob er nicht Thees Uhlmann sei.

Vielleicht euphorisiert von der Tatsache, dass an einem Tag des Dauerregens ausgerechnet bei ihnen der Regen nachließ und die Sonne sogar schien, ließen sich Kettcar zu einem Singspiel mit dem Publikum verleiten, sagten dazu jedoch: „So etwas machen wir sonst nicht.“ Einen schönen Abschluss eines Konzertes, das ruhig noch länger hätte dauern dürfen, bildeten „Landungsbrücken raus“ und „Balu“, das Marcus Wiebusch gemeinsam mit seinem Bruder Lars am Keyboard zu Hunderten von erhobenen und winkenden Händen vortrug.

Setlist Kettcar, Hurricane Festival, Scheeßel:
01: Rettung
02: Deiche
03: Kein Außen mehr
04: Graceland
05: Balkon gegenüber
06: Der apokalyptische Reiter und das besorgte Pferd
07: Money Left To Burn
08: Im Club
09: 48 Stunden
10: R.I.P.
11: Ausgetrunken
12: Ich danke der Academy
13: Stockhausen, Bill Gates und ich
14: Im Taxi weinen
15: Schrilles buntes Hamburg
16: Landungsbrücken raus
17: Balu

Links:

- aus unserem Archiv:
- Kettcar, Neu-Isenburg, 25.02.12
- Kettcar, Bielefeld, 12.12.10
- Kettcar, Highfield, 16.08.08
- Kettcar, Köln, 09.05.08



 

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