Mittwoch, 20. Juni 2012

Naked Song Festival, Eindhoven, 16.06.12


Konzert: Naked Song Festival

Ort: Muziekgebouw Frits Philips, Eindhoven

Datum: 16.06.2012
Zuschauer: etwa 900

Konzertdauer: jeweils ca. 50 Minuten


Bericht von Uwe Runia, Fotos von Marcel Houweling


Wie hatte ich nach dem letzten Jahr geschrieben: "Kann man wiederholen." Gesagt, getan. Nach den ersten Programmankündigungen wurde die Karte bestellt und nach und nach wurde die Vorfreude größer.


Durch eine etwas zu späte Abfahrt und daraus resultierend eine (wenn auch nicht allzu lange) Schlange beim Einlass kam ich etwas zu spät zum ersten Auftritt, Tiny Ruins im kleinen Saal.

Dabei handelt es sich um das Projekt der Neuseeländerin Hollie Fullbrook. Sie wurde von einer Bassistin und einem Posaunisten begleitet. Die Posaune sorgte für eine Auflockerung der doch recht ruhigen Stücke, die mich nicht so ganz mitreißen konnten. Trotzdem ein schöner Anfang für den Tag.


Nach diesem Auftritt hatte ich erst mal "frei", der nächste geplante Auftritt war erst in zwei Stunden fällig und ich wollte die Zeit mit Essen/Trinken und ein paar Gesprächen verbringen. Aber beim Weg aus dem Konzertsaal kam ich an der sogenannten "Mix Stage" vorbei, wo jede Stunde ein Musiker interviewt wurde und ein paar Stücke akustisch spielte. Da fing gerade der Kurzauftritt von Jim White an, auf den hatte ich mich sehr gefreut und daher blieb ich stehen, hörte mir ein paar sehr schöne Stücke an (sofort am Anfang "Jailbird", eins meiner Lieblingsstücke von ihm) und erfreute mich wieder mal an den tollen Fragen die Journalisten manchmal auf Lager haben. Musikjournalisten sind anscheinend auch nicht besser als Sportjpurnalisten ("Erik Zabel, wieder nur zweiter. Woran lag's?", ein Klassiker) - nachdem Jim erzählte das er mehr als 10 Jahre in New York Taxi gefahren ist (und dabei alles erlebt hat von gestohlenem Geld bis zur Pistole am Kopf) bevor er mit der Musik anfing kam die Frage: "Do you miss that?". Ein konsternierter Blick und dann ein langsames und deutliches "No" mit einem sehr erstaunten Unterton in der Stimme.

Danach doch noch etwas essen, Smalltalk halten und ein halbes Stündchen der Belgierin Renée (schöner Pop-Folk mit Gitarre, Cello und Keyboards, kommt auf die Beobachtungsliste) zugehört und schon war die Pause vorbei.


Nach der Absage von Howe Gelb wurde Abigail Washburn in den großen Saal verlegt. Ich war zuerst ein wenig traurig weil das nicht unbedingt der intime Rahmen war den ich mir für ihren Auftritt eigentlich gewünscht hatte. Aber sie fegte mit ihrem Begleiter Kai Welch (Gitarre, Keyboards, Trompete, Gesang) alle Bedenken aus dem Raum. Tolle Musiker, die ihren Folk/Weltmusik-Mix (ein Lied sogar in Mandarin) überzeugend darboten. Ein Stück trauten sie sich sogar in diesem Riesensaal unverstärkt nur mit Gesang und Trompete vorzutragen ("because we can") und brachten den nicht ganz vollen Saal beim alten Gospelstück "Keys To The Kingdom" zum Mitschnippen und Mitsingen - Respekt! Mindestens ein Konzertbesuch beim nächsten Europabesuch steht auf dem Zettel.

Weil Abigail etwas zu lange Soundcheck hatte und verspätet anfing spielte sie konsequent auch 10 Minuten zu lang und dadurch wurde es mal kurz etwas ungemütlich weil ich schnell in den anderen Saal zu Jim White wechseln musste. Das klappte aber noch sehr gut und ich konnte einen Platz ziemlich vorne ergattern.

Zusammen mit seinen belgischen Begleitern an Kontrabass und Gitarre und einer Batterie an Pedalen zum Loopen und zum Abruf des elektrischen Schlagzeugers folgten sehr schöne 45 Minuten, der zweite Höhepunkt des Abends. Tolle Songs (obwohl naturgemäß wegen der Kürze des Festivalauftritts etliche Favoriten fehlten) in schönen Versionen und zwischendurch als Einleitung zu "If Jesus Had A Motorhome" die sehr lange Geschichte von etlichen Jesus Impersonators in seiner damaligen Heimatstadt Pensacola ("für Jesusse das was Memphis für Elvisse ist"), mit knochentrockenem Humor gewürzt. So etwas mag ich ja sehr und es ist schön das auch bei etwas größeren Konzerten zu hören. Zum (leider pünktlichen) Schluss ein rockendes "Handcuffed To A Fence In Mississippi" und dann war es leider schon vorbei.

Wieder Umsteigen in den großen Saal, als erste Headlinerin stand Agnes Obel auf dem Plan. Von ihr kannte ich nur den Namen und wusste das sie mit ihrer Musik sehr erfolgreich ist, gehört hatte ich von ihr aber noch nichts. Begleitet von einer Cellistin setzte sie sich hinter den aufgebauten Flügel und spielte ihre Musik, die ich spontan als Klassik-Pop bezeichnen würde. Sehr intensiv und sehr schön, leider mit einigen technischen Problemen bei ihrem Gesangsmikro (der einzige technische Zwischenfall, schade). Als einziges Stück erkannt habe ich die Coverversion von John Cales "Close Watch" mit abgewandeltem Schlussteil. Spannend war auch in diesem Musikzusammenhang der Einsatz von Loops beim Cello um ein Rhythmusfundament unter einige Stücke zu legen.

Nach drei großartigen Konzerten hintereinander war ich etwas geplättet und nicht mehr so recht aufnahmefähig. Daher schaute ich mir Doug Mcleod nur für zwei Stücke an, nahm mir Zeit für ein Bier und ein wenig Unterhaltung und verpasste gleichzeitig auch noch Gemma Ray (eigentlich sehr schade, aber zu viel ist zu viel). Als Ausgleich konnte ich aber eine tolle Lösung im Getränkebereich beobachten. Im "Meneer Frits", einem zum Muziekgebouw gehörenden Restaurant in dem auch Auftritte stattfanden, wurden die Getränke in Gläsern verkauft; im restlichen Gebäude in Plastikbechern. Was macht man nun wenn ein Besucher aus dem Restaurant zu einem anderen Auftritt möchte? Klar, am Ausgang saß eine junge Dame an einem Tisch mit Plastkbechern, wer mit Getränk rauswollte musste umschütten - so sind sie beim Bier, die Niederländer.


Zum Abschluss im großen Saal spielten die Tindersticks. Auf die hatte ich mich eigentlich auch gefreut, aber ihre Stücke plätscherten so vor sich hin, Stuart Staples ist keine Rampensau und von den Musikern riss es auch keiner raus. Vielleicht lag es daran das der Kopf schon voll war, aber die Band die ich zu Hause ab und an recht gerne von Konserve höre überzeugte live an diesem Abend nicht. Man sollte gehen wenn es am schönsten ist, leider weiß man bei einem Festival nicht wann dieser Punkt erreicht ist. Aber dieser kleine Dämpfer zum Abschluss ändert nichts am positiven Fazit auch für dieses Jahr: "Kann man wiederholen."



 

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