Konzert: Wavves
Ort: La Maroquinerie
Datum: 07.06.2012
Zuschauer: mittelmäßig volle Maroquinerie, etwa 280
Konzertdauer: ungefähr 1 Stunde
Meine Fresse! Das war nichts für Pussies!
Eine Stunde lang haben uns die jungen Kalifornier Wavves mit ihrem rohen, aber nicht unmelodiösen Punk geradezu beschossen und im Publikum ein Dauerpogotanzen ausgelöst. So brachial und laut hätte ich das gar nicht erwartet, ich war eher auf Sonnenscheinpop mit einer mäßig rockigen Note eingestellt. Aber weit gefehlt, das hier kam punktgenau auf die Zwölf, war an Ungestümheit und Rotzigkeit kaum zu überbieten. Höchstwahrscheinlich kein Konzert für meinen Bloggerfreund Christoph, der es weniger krachig mag, aber ich verlebte durchaus eine gute Zeit in der Nachbarschaft junger und trendiger Leute, von denen die meisten junge, sexy Girls waren. Also beschweren konnte ich mich in dieser Hinsicht wirklich nicht!
Dabei war ich zu diesem Konzert ein wenig wie die Jungfrau zum Kinde gekommen. Geplant war der Besuch des Auftritts von Mina Tindle, aber da ich zu lange gezögert und gezaudert hatte, um einen Gästelistenplatz zu erbeten, und Liars im Nouveau Casino auch schon ausverkauft waren, optierte ich schließlich für Wavves in der Maroquinerie und sollte diese Entscheidung letztlich auch nicht bereuen.
Nur meine Ohren schlagen inzwischen ein wenig Alarm und fiepen ganz ordentlich. Dabei hate ich glücklicherweise meine Ohrenstöpsel dabei und die waren auch bitter nötig! Der Lautstärkepegel erreichte nämlich absolute Rekordwerte, ich bin sicher, daß mit mindestens 115-120 Dezibeln zu Werke gegangen wurde. Andererseits, was soll man eigentlich sonst von einer Band erwarten, die ein Stück hat, welches I Wanna Meet Dave Grohl heißt? Und gerade dieser, der 2011 er Life Sux EP entnommene Track, fiel mir interessanterweise als besonders melodiös auf und kompensierte ein wenig die zuvor erlittenen Brutaloriffs.
Es war eines jener Konzerte, bei denen die Leute von Anfang bis Ende wild Pogo tanzen und einem ständig Besucher in die Rippen donnern. Deshalb stellte ich mich auch schon ziemlich bald auf die Treppenstufen, weil ich um die Gesundheit meiner Kamera fürchtete und mir das Ganze lieber von der Seite als mittendrin ansah. Die jungen Menschen flogen unterdessen von vorn nach hinten und von rechts nach links, bis sie irgendwann völlig schwindelig waren. Die laute Mausik tat ihr Übriges dazu, alle Sinne zu betäuben. Alle schwitzen wie die Tiere.
Während sich die Zuschauer in den Pausen zwischen den Songs die Schweißtropfen abtrockneten, machten sich die Typen von Wavves einen Spaß daraus, ständig Knutschgeräusche zu imitieren und "I love you" ins Mikro zu hauchen. Das war auf Dauer albern, passte aber zu diesen verrückten Typen. Schon vor dem Beginn des Konzertes hatten mein Kumpel Pierre und ich zufällig mitbekommen, daß extrem laute Schreie aus der Künstlerkabine nach draußen in den Flur drangen. Wahrscheinlich hatten sich die Typen gerade (spaßeshalber?!) geprügelt und an den Haaren gezogen!
Aber wer stand überhaupt auf der Bühne? Wer gehört heutzutage alles zu Wavves? Nun, zum einen der schelmische Sänger und Band-Gründer Nathan Williams, der rechts außen performte, dann der lockenköpfige, recht beleibte Bassist Stephen Pope (ehemals Jay Reatard), der dynamische Gitarrist Alex Turner und der mollige Drummer Jacop Cooper (ehemals The Mae Shi), der bereits der vierte (!) Schlagzeuger der bewegten Bandgeschichte ist.
Diese vier liebenswürdigen Rotzbengel performten Stücke aller drei Studioalben mit einem Schwerpunkt auf dem 201o er Werk King Of The Beach, aber auch Tracks von der Life Sux EP von 2011, die live allesamt roher und ungeschmirgelter klangen als auf Vinyl, Kassette* oder CD. Das war dann weniger Surfpop à la Best Coast, sondern eher Neo Grunge in der Tradition von Nirvana, so wie ihn so ähnlich (aber weniger gut) auch die Zeitgenossen Male Bonding spielen.
Highligts des tighten Sets waren neben dem erwähnten I Wanna Meet Dave Grohl, der Mitgröhlsong Post Acid, das lässige No Hope Kids (" I got no car, I got no money") und das wahnsinnig rasante I'm So Bored.
Den Zuschauern schien es unterdessen irgendwann egal geworden zu sein, was gerade gespielt wurde, Hauptsache sie konnten abpogen wie Sau. Gegen Ende waren dann auch die Crowdsufer nicht mehr zu stoppen. Einer nach dem anderen hangelte sich über die Köpfe der Leute und riskierte dabei sein Leben. Mir wurde Angst und bange als ich einen von ihnen kopfüber und senkrecht zu Boden fallen sah, aber die Sache ging doch glücklicherweise glimpflich aus.
Nach einer guten Stunde wurde das Dauerfeuer eingestellt und das Konzert abrupt und ohne Zugabe beendet. Mir reichte das auch, denn ich wollte nun dringend nach oben an die Bar, um meinen elenden Durst zu löschen, der bei dieser Hitze kaum zu ertragen war.
Coole Sache Wavves, hat mir nicht geschadet, auch mal ein härtes Konzert zu sehen!
Setlist Wavves, La Maroquinerie, Paris 2012
01: King Of The Beach
02: Idiot
03: I Wann Meet Dave Grohl
04: Friends Were Gone
05: Take On The World
06: Wavves
07: Linus Spacehead
08: In The Sand
09: Bug
10: Super Soaker
11: Post Acid
12: Beach Demon
13: To The Dregs
14: 100 %
15: So Bored
16: Green Eyes
17: No Hope Kids
* die ersten Aufnahmen wurden wohl tatsächlich auf Kassette veröffentlicht, eine Sache, die zu einem richtigen Trend in der Indie-Szene geworden ist.
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