Montag, 4. Juni 2012

Saint Etienne, Barcelona, 02.06.12


Konzert: Saint Etienne
Ort: Primavera Sound Festival, Barcelona
Datum: 02.06.2012
Zuschauer: anfangs ziemlich wenige vor der Hauptbühne
Dauer: 75 min


23 Uhr ist Primavera-Primetime. Saint Etienne zu dieser Zeit auf der Hauptbühne anzusetzen, ist... mutig. Allerdings auch irgendwo konsequent, da um acht die Kings of Convenience an gleicher Stelle ihren Simon & Garfunkel-Pop weitestgehend akustisch ohne Band vortrugen. Warum also nicht auch die Tanznummer aus den 90ern zur besten Zeit auf der großen Bühne? So kann ein Indie-Festival auch bei der Programmgestaltung so richtig indie sein.

Die Kings Of Convenience spielten noch vor vollem Haus. Gegenüber der Bühne ist eine ansteigende Wiese, auf der im Sonnenschein weitere Menschenmassen saßen. Anschließend strömte der Pulk vor allem zu Beach House, vergaß aber, zu Saint Etienne zurückzukommen. Als ich einmal nicht abgehetzt von der Mini Stage wieder vor der San Miguel ankam, war es leicht möglich, noch in die Mitte zu kommen (auch ohne andere wegzuschubsen). Bei anderen Konzerten blieb kurz vorher nur der Rand - oder das Drängeln. Also der Rand.

Saint Etienne gehören zu den Guten, sind aber auch immer ein Guilty pleasure gewesen. Eigentlich hört man als aufrechter Indie-Hörer keine Tanzmusik, mag sie auch noch so charmant (oder twee) sein. Daher guilty. Aber Saint Etienne hatten eben immer große Hits, also nicht auf das achten, was andere sagen und Saint Etienne lieben (pleasure).

2010 hatte ich eigentlich mit der Band abgeschlossen. Auf dem prächtigen, von Belle & Sebastian kurartierten ATP in Minehead, passten Saint Etienne weniger zum musikalischen, als zum baulichen Umfeld. Da war nichts Glänzendes und Liebenswertes (außer Sarahs Glitzerkleidchen); vor allem die Frontfrau wirkte, als seien sie und die Ferienanlage, deren beste Zeit auch lange vorbei war, Schwestern im Geiste. Vor 20 Jahren toll. Sarah war viel zu kurzfristig angereist, stand im Stau, das Konzert wurde verschoben. Als sie dann schließlich da war, verpasste sie Einsätze und vergaß irgendwann sogar den Text. Vor ein paar Jahren bin ich mal aus Versehen in eine Mediamarkt Hausmesse geraten, auf der ein abgehalfterter NDW Star vor zwei Verkäufern und einen Kunden auftrat. Saint Etienne versprühten an diesem Dezembertag ähnlich viel Charme und Glamour.

Ihre Bestätigung fürs Primavera begeisterte mich trotzdem sehr. Was interessiert mich schon mein Liebesentzug von gestern? Das sind schließlich Saint Etienne! Auch
das neue Album, das erste seit 2005, kaufte ich mir aus Vorfreude, brach beim Hören aber ab, um sie zu bewahren.

Saint Etienne kamen zunächst zu viert auf die Bühne. Neben Sarah, Bob & Pete stand Debsey Wykes (Dolly Mixture) als Background-Sängerin rechts am Rand. Wie Sarah trug sie ein Pailletten-Kleid und glitzerte. Am Anfang, als ich noch sehr skeptisch war, kamen die beiden Frauen mir wie in die Jahre gekommene Revue-Girls vor. Diese Feder-Boa, an der Sarah rumspielte... puh!

Aber dann setzte die Musik ein, der Platz begann zu tanzen und wir gingen immer mehr in den Eurodisco-Klängen der Band auf. Indie-Ace of Base ist gar nicht böse gemeint, aber letztlich beschreibt es die Gruppe recht gut.

Die beiden Frauen und die Männer im Hintergrund an den Synthies spielten einige Stücke vom neuen Album, an die ich mich nicht recht erinnere und viele alte Hits - oft mit neuem Beat unterlegt.

Es machte so viel Spaß, daß es ganz schnell vollkommen egal war, was mir vorher noch über die Frauen im Kopf rumspukte. Daß es nicht schlimm war, daß bei einigen
Liedern hauptsächlich Debsey sang (und Sarah tanzte). Daß Sarahs "It's Gin Tonic Time!" komisch war, so wie sie es gemeint hatte (und nicht tragisch, wie man es auch interpretieren könnte). Beim 2010er Desaster hätte das ins schlechte Bild gepasst, in Barcelona war alles besser und das Konzert ein großer Spaß!

Vollkommen klar, daß die Band nach einer Stunde, nachdem Nothing can stop us verklungen war und sie die Bühne verlassen hatte, zu Zugaben zurück kam. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich die vier Bestager* und ihr merklich jüngerer Gitarrist, der bei ein paar Liedern mitspielte (Pete & Bob blieben hinter ihren Pulten), längt den Headliner-Job erspielt. Toll war es!


Setlist Saint Etienne, Primavera Sound Festival, Barcelona:

01: Like a motorway
02: Popular
03: Burnt out car
04: Tonight
05: Spring
06: Mario's Café
07: Who do you think you are
08: Haunted jukebox
09: When I was seventeen
10: You're in a bad way
11: A good thing
12: Sylvie
13: Only love can break your heart
14: DJ
15: Nothing can stop us

16: I've got your music (Z)
17: He's on the phone (Z)


Links:

- aus unserem Archiv:
- Saint Etienne, Minehead, 10.12.10
- Saint Etienne, Berlin, 07.08.09


* das wollte ich hier schon immer mal unterbringen



 

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