Konzert: Poliça
Ort: La Flèche d'or, Paris
Datum: 05.06.2012
Zuschauer: so einige (300?)
Konzertdauer: etwa eine Stunde
Der 5. Juni 2012 in Paris. Ein meistens grauer, für die Jahreszeit ungewöhnlich kühler und teilweise regnerischer Tag. Ein Tag, an dem sich auf der Anlage in Roland Garros die besten Tennisspieler der Welt abmühen und unglaubliche Spiele abliefern. Ganz Frankreich trauert mit dem famos spielenden und aufopferunsgvoll kämpfenden Jo Wilfried Tsonga, der trotz Matchbällen noch verliert. Ich selbst freue mich aber wenigstens über den Sieg meines Lieblings Federer (Foto von Bercy 2011). Als die Spiele beendet sind, ist es schon nach 20 Uhr. Meine Frau baut eine Ikea-Küche zusammen, während ich Fersehen glotze. Moderne Rollenverteilung.
Zu einem Konzert will ich natürlich trotzdem noch. Aber für wen ich mich entscheiden soll, weiß ich nicht. Passenderweise gibt es heute eine amerikanische Band namens Tennis, die zusammen mit den nicht üblen Dominant Legs im Trabendo auftritt. Dafür kriege ich aber keine Akkreditierung. Deshalb will ich eigentlich ins Espace B zu der Finnin Vuk, denn in diesem Laden geht es immer erst etwas später los. Weil es aber schließlich schon 21 Uhr ist und ich noch keinen Happen gegessen habe, entscheide ich mich für den Auftritt von Poliça, der erst um 22 Uhr 30 stattfindet, weil zuvor noch zwei andere Bands auftreten.
Ich mache mich gegen 21 Uhr 30 auf den Weg und bin pünktlich in der Flèche d'or, die wie immer bullenwarm ist. An eine Klimaanlage haben sie bei den Renovierungsarbeiten vor drei Jahren wohl nicht gedacht, oder die lehnen das aus Umweltschutzgründen ab (was ich nicht glaube). Wie auch immer, ich schwitze schon nach ein paar Minuten wie so ein Schwein. Gerade spielen School Is Cool (blöder Name, oder?), die mir egal sind. Ich bin für Poliça gekommen, der Rest ist mir Wurst.
In der Pause läuft mir Channy Leanagh, die Sängerin von Poliça schon über den Weg. Mit ihrer flotten Kurzhaarfrisur, den feinen Gesichtszügen und den hübschen Augen sieht sie schon mal toll aus. Fraglich ist aber, ob mir ihre Musik genauso gut gefallen wird.
Dies kann ich gegen 22 Uhr 30 dann überprüfen. Die ersten zwei Lieder lassen mich noch neugierig werden, nach jedem weiteren wird aber deutlich, daß das hier nicht meine Musik ist. Poliça spielen mit gleich zwei Schlagzeugern (Ben Ivasuc & Drew Christopherson), einem Basisten und Channy als Sängerin einen moderen, sehr perkussiven Funk/Soul/R&B Sound, der zwar recht innovativ ist, mich aber totzdem kalt lässt. Die Referenzen , die mir in den Kopf schießen, sind auch eher abtörend. Ich denke an die verfluchte Lykke Li, die ätzende Zola Jesus, den nervigen James Blake. Vor allem James Blake. Diese neue Form des Soul eben. Aber Soul bleibt Soul, sprich scheiße. Auch bei Poliça. Trotz des Lobes von Justin "Bon Iver" Vernon, der die Band für sagenhaft gut (angeblich gar für die beste, die es gibt) hält. Aber er mag ja auch James Blake...
Eiegntlich finde ich es ziemlich schade, daß ich der vorne gespielten Musik nicht viel abgewinnen kann. Die Sängerin ist wirklich sehr charmant, tanzt äußerst elegant und gibt sich nett und höflich. Optisch erinnert sie mich irgendwie an Lisa Stansfield und mit ein wenig Fantasie gibt es durchaus auch stilistische Parallelen. Diese Dance Mucke eben. Als wäre ich Tänzer?! Wie soll ich auch auf so was stehen?
Ein wenig neidisch bin ich schon, daß das Mädel rechts von mir einen prima Abend verlebt, durchgängig glücklich (bekifft?) grinst und wie in der Disco tanzt. Hat aber auch was Schickimickihaftes. Auch das törnt mich ab. Nichts hasse ich mehr als schicke Nightclubs, obwohl ich für Konzerte ab und zu auch in diesen verfluchten Tempeln der Nacht verkehre.
Channy hat eigentlich eine schöne Stimme, aber ich mag nicht, wie sie sie einsetzt. Zu soulig für mich. Allerdings klingt sie live nicht wie auf dem Album Give You The Ghost, auf dem regelmäßig der sog. autotune eingesetzt wird, was einen sehr kühlen, synthetischen Gesang zur Folge hat.
Die regelmäßig einsetzenden Trommelwirbel der beiden Drummer sind letztlich noch das beste am Sound von Poliça, aber da es sie bei jedem Lied gibt, ist man auch diesbezüglich ziemlich schnell gelangweilt.
Langeweile ist ohnehin das Stichwort. Ich muss mich bemühen, hier nicht vorzeitig abzuhauen, bleibe aber, weil ich immer noch auf bessere Momente hoffe. Die kommen aber nicht mehr, die letzte Zugabe ist so ziemlich das ödeste dieses Sets, das zugegebenermaßen ein paar Leuten richtig gut gefallen hat. Nicht aber den permanenten Konzertgängern, den Freaks. Die konnten Poliça letztlich genauso wenig abgewinnen wie ich.
Am Aufstieg der Band wird das aber wohl kaum was ändern, ich bin ziemlich sicher, daß das Album Give You The Ghost am Ende des Jahres 2012 auf etlichen Kritiker-Bestenlisten erscheinen wird.
Setlist Poliça, La Flèche d'or, Paris:
01: The Maker
02: I See My Mother
03: Fist, Teeth, Money
04: Violent Games
05: Leading To Death
06: Dark Star
07: Form
08: Happy Be Fine
09: Lay Your Cards Out
10: Wandering Star
11: Amongster
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