Dienstag, 12. Juni 2012

Father John Misty & Jonquil, Paris, 08.06.12


Father John Misty & Jonquil
(Gabriel & The Hounds, The Soft Hills)
Ort: La Fléche d'or
Datum: 08.06.12
Zuschauer: nicht sehr viele, vielleicht 150 (von 500 möglichen)



Father John Misty? Was is'n das für'n Mist? Achso, kein Mist, sondern das neue Projekt von Josh (J) Tillman, dem ehemaligen Drummer der Fleet Foxes, okay...

Vielleicht war den Parisern auch nicht so ganz klar, wer hinter dem kuriosen Pseudonym steckte, sonst wären vielleicht ein paar Leutchen mehr gekommen. So aber blieb die Pariser Flèche d'or ziemlich leer und übersichtlich und dies obwohl gleich vier ansprechende Gruppen für recht kleines Eintrittsgeld geboten wurden. Angefangen hatten die Amerikaner The Soft Hills, aber ich lahme Schnecke hatte es wieder einmal nicht geschafft, pünktlich einzutrudeln. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben"... mit Musikentzug! Und im Falle der Soft Hills war das sicher schade, denn die wüstensandgetränkten Songs im Stile der Great Lake Swimmers, Neil Young oder Calexico, die man sich auf Soundcloud anhören kann, klingen astrein. Nun, zumindest habe ich noch einen netten Vertreter ihres deutschen Labels Tapete kennengelernt und ein wenig in meiner Muttersprache plauschen können.

The Soft Hills by thesofthills

Gabriel Levine aka Gabriel & The Hounds sah ich dann aber fast in voller Länge. Ein Singer/Songwriter aus Brooklyn, den es nach Berlin verschlagen hat. Er lief zusammen mit einem langmähnigen Drummer auf. Seine Songs kamen ganz lässig aus der Hüfte geschossen und klangen sehr entspannt und unprätentiös. In seiner Stimme wollte ich Jarvis Cocker wiedererkannt haben, was mir auch von anderen Leuten hinterher bestätigt wurde. Ein Showtalent wie der Pulp-Sänger war Gabriel freilich nicht, sondern eher einer von der bodenständigen und bescheidenen Sorte Mensch.

Im musikalischer Hinsicht kamen mir noch Assoziationen zu Jonathan Richmann und The Modern Lovers und auch Lou Reed in den Sinn, von denen Gabriel sicherlich ein paar Platten im Schrank zu stehen hat.



Und es war wirklich nicht schlecht, was Levine bot, aber der Funke wollte trotzdem nicht so recht überspringen. Das ziemlich weit entfernte Publikum stand ein wenig gelangweilt und apathisch rum und machte es dem Amerikaner schwierig, einen Draht zu ihm herzustellen. Das Set, das seine Stärken hatte, wenn geradliniger Collegerock (und keine Down Tempo Songs) gespielt wurde, plätscherte deshalb ziemlich vor sich hin und wurde von den meisten Zuschauern sicherlich schnell wieder vergessen. Schade, Gabriel hätte einen warmherzigeren Empfang verdient gehabt!

Kurze Zeit später standen dann Jonquil bereit, die ich an gleicher Stelle bereits vor 4 Jahren gesehen hatte. Sänger und Songschreiber Hugo Manuel ist in der Zwischenzeit noch deutlich runder geworden und auch der Output an Alben hat zugelegt. Inzwischen ist man beim vierten Longplayer namens Point of Go angelangt und hat auch bedingt durch viele Wechsel im Bandgefüge den Sound deutlich verändert. Erfreute ich mich beim Konzert 2008 (zur Tour von Lions) noch an einer Geige, einer Melodica und einem Akkordeon, fehlten heute diese feinen Instrumente gänzlich, wurden aber durch gleich zwei Trompeten ersetzt. Das Klangbild hatte sich deshalb verschoben. Weg vom melancholischen Seemans-Folk hin zu fast karibisch anmutenden Pop- Rythmen voller Sonne und Tanzbarkeit. Man höre nur It's My Part, einen der Key Songs des neuen Outputs. Da gab es eine utramelodische Gitarre mit kreolischem Vampire Weekend Parfum, Cowbells und einen hohen Falsettgesang. Oder aber das treibende, von Synthesizern durchsetzte Getaway, auf dem erneut die Gitarre Kapriolen schlug. Alles frisch, alles Laune machend, aber dennoch eine Spur zu harmlos und konventionell.


Letzlich musste ich feststellen, daß mir die "alten" Jonquil besser gefallen haben. Einen (alten) Hit wie das großartige und unglaublich euphorisierende Lions suchte man heute vergeblich im Set, welches ansprechend, aber nicht weltbewegend ausfiel und mit Infinity sogar ein weit vom Original entferntes XX Cover zu bieten hatte.

Jonquil Collection by Jonquil

Tja und dann (etwa gegen 23 Uhr) war endlich die Zeit für Father John Misty gekommen. Die Zuschauer konnten anhand des Bühnenaufbaus schon ziemlich schnell erkennen, was zu erwarten war. Dort stand nämlich lediglich ein kleines schwarzes Stühlchen vor einem Mikro, was unmissverständlich darauf hindeutete, daß Josh Tillman alleine und ohne seine Band performen würde. Zuschauer, die das Father John Misty Album zu stark instrumentiert fanden, störte das allerdings wenig, ganz im Gegenteil. Sie würden den kargen, den reduzierten Tillman erleben, der kurze Zeit später etwas verpennt auf die Bühne geschlurft kam. Fast entschuldigend wies er darauf hin, daß er keine Begleitgruppe dabei habe, machte aber sofort später darüber schon Witzchen: "we gonna have a blast together!"


Nun, "a blast" - "ein Knaller", war das im eigentlichen Sinne dann natürlich nicht, sondern eher ein intimer, ruhiger Singer-Songwriter Abend, aber das passte genau zu dem alten Tillman, den zumindest die Insider so lieben. Die Seele schrie er sich aus dem Leib, dieser große, unglaublich gut aussehende Rebell, der sich per T- Shirt Aufdruck für die Legalisierung von LSD einsetzte und auch sonst immer mal wieder mit seiner Vorliebe für Drogen kokettierte ("the lightman does a great job, wow!, or is this just the weird drug I took?"). Für Josh's Gesundheit hoffe ich, daß dies eher Späßchen waren, sein unwirsches und manchmal zynisch wirkendes Auftreten (und ein Tweet, in dem er Fans bat, ihm Stoff zu besorgen) sprachen aber dafür, daß er doch zu viel von dem Zeug (was immer es auch sein mag) komsumiert. Schon bei den Fleet Foxes war er mir im letzten Jahr durch seine mürrische und launische Arte unangenehm aufgefallen und es wirkt nicht so, daß er nach Solidität und Ausgeglichenheit strebt. Im Gegenteil, der Bursche scheint wirklich nach dem Rausch, dem großen Kick zu suchen, will die letzten Reste seiner Jugend ausleben und denkt gar nicht daran, zahm zu werden. In künstlerischer Hinsicht scheint ihm das nicht geschadet zu haben, die Tillmanschen Frustrationen, der Ausstieg bei den berühmt gewordenen Fleet Foxes, sein gebrochens Herz, all dies ist ein guter Nährboden für seine sentimentalen Songs gewesen, die er witzigerweise immer wieder noch während des Vortages kommentierte. Natürlich stammten diese Songs von Fear Fun, klangen aber in der heutigen akustischen Version ganz anders als auf dem Tonträger. Nancy From Now On erinnerte mit seinen langgezogenen Gesängen noch an seine alte Band, andere, eher bluesigere Sachen, ließen an Ryan Adams denken. Großartig kam Hollywood Forever Cemetery Songs rüber. Bei einigen Stellen brüllte Tillman geradezu die Parolen, da merkte man, daß er so einiges an aufgestauter Wut in seinem Bauch hatte, die unbedingt raus musste.

Was er über dem Bauch, sprich auf der Brust trug, zeigte er dann auch ganz freizügig dem Publikum. Er hatte sich nämlich ein kleines neues Tattoo stechen lassen und schob ein wenig sein T-Shirt nach unten, um es vor allem den Frauen (die er so liebt, der alte Womanizer!) stolz zu präsentieren. Ist schon ein attraktiver, gut gebauter Bursche, keine Frage, aber er scheint dennoch nicht vor Selbstzweifeln, Depressionen und Enttäuschungen sicher zu sein. Seinen schwarzen Humor hat er deshalb nicht verloren. Grinsend erzählte er davon, daß ihn damals das Pariser Label Fargo erwartungsfroh gesignt habe. Zu einem Festival hätten sie ihn geschickt und in der Loge gab es Champagner, weil er so ein großer Hoffungsträger war und das Label ihn hofierte. Allerdings habe er schließlich nur 9 CDs verkauft (natürlich eine Untertreibung, aber jeder wusste was gemeint war), was ihn aber nicht weiter störte, weil Fargo mir Emily Loizeau eine solche hübsche Musikerin in den eigenen Reihen gehabt habe, in die er sich sofort verknallte ("I had a big crush on her").

Mehr von seinem Innenleben gab Tillman in seinen Liedern preis. Beim Closer Everyman Needs A Companion sang er: "I never really liked the name Joshua and then I got tired of J, whoever that guy is." Ausdruck einer ewigen Suche nach der eigenen Identität? Wie auch immer, es ging einem nahe, klang authentisch.

Nach 7 Minuten war Joshua mit dieser Nummer und dem gesamten Set durch und verließ Po wackelnd und Grimmassen schneidend die Bühne, um draußen im Regen seine angekündigten 100 Zigaretten zu rauchen...



 

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