Samstag, 10. Mai 2008

Kettcar, Köln, 09.05.08


Konzert: Kettcar

Ort: E-Werk, Köln
Datum: 09.05.08
Zuschauer: ausverkauft
Konzertdauer: 90 min


Mein letztes Kettcar Konzert habe ich mit Cécile, Oliver und Sabrina Setlur am Fühlinger See in Köln gesehen - gemeinsam mit Coldplay und Richard Ashcroft. Das ist mitterweile fast drei Jahre her - Jahre, in denen viel passiert ist. Coldplay verschwanden danach, bis vor einigen Tagen, The Verve vereinigten sich wieder (und spielten bereits zwei Minitouren in Großbritannien, bevor sie im Sommer nach Deutschland kommen), Sabrina und ich haben uns nicht mehr gesehen - und Kettcar sind eine Ecke größer geworden.

Es war ein warmer Abend. Vor dem E-Werk standen irre viele Leute. Das (und die Hinweise "ausverkauft") verhieß einen knallvollen Saal und Temperaturen weit jenseits des Angenehmen. Drinnen sah es dann vom Vorraum aus auch genau so aus.
Nur waren vorne große Lücken. Wer also nur mutig genug war, ganz nach vorne zu gehen, hatte viel Platz direkt am Absperrgitter. Nicht schlecht...

Vorgruppe war die New Yorker Indie-Rock Band Ola Podrida, die von Kettcar angesagt wurden, eine schöne Sache. Ola Podrida sind fünfköpfig, drei Gitarren, ein
Schlagzeuger und ein Bassist. Einer der Gitarristen spielt auch Keyboard. Sänger David Wingo sieht schon fast klischeehaft typisch nach einem Mitglied einer amerikanischen Indie-Rock Gruppe aus, was es aber natürlich nicht schlecht macht. Die Musik der eigentlich aus Texas stammenden Band ist durchaus nett anzuhören, eine Mischung aus Shins und... manchmal Peter, Paul and Mary. Es wurde nämlich immer wieder durchaus sehr sanft, obwohl mit drei Gitarren auf der Bühne viel Instrumentenkraft vorhanden war. Die seichteren Phasen machten den Auftritt auch leider wenig bemerkenswert. Mir wäre mehr Gas deutlich lieber gewesen, so verlor sich mein Interesse nach der Hälfte irgendwo im Raum, aber nicht mehr bei den Amerikanern. Aber es war unterm Strich ok, alles andere täte Ola Podrida unrecht. Was zum Teufel dieser Name, bei dem ich mich dauernd verschreibe, bedeutet, konnte ich allerdings nicht rausfinden.

Um 20 vor zehn gingen dann die LEDs auf der Bühnenrückseite an und Kettcar
erschienen. "Deiche" war der Auftakt, vom Publikum sehr textsicher mitgesungen. Das sollte so bleiben, denn die Zuschauer waren wahrlich keine Laufkundschaft, die sich im Gebäude verirrt hätten. Bassist Reimer zitierte zwar im Laufe des Konzerts den Express, der angekündigt hatte, Kettcar spielten "Lieder über Sylt", im Gegensatz zum vielleicht anwesenden Praktikanten des Boulevardblatts ("Auf geht's FC!") kannten die anderen Gäste aber Platten und Texte der Hamburger zu gut, um über dieses Zitat lachen zu können.

Es war überhaupt ein ausgelassen fröhlicher Abend. Bei Kettcar! Bei dieser Band, die immer so traurig und depressiv klingt. Ja, genau. Band und Fans waren extrem
gut gelaunt, lachten oft, sangen gemeinsam und waren alles andere als melancholisch, große Klasse!

"Auf dem Weg hierhin habe ich gedacht, cool, Köln-Mülheim. Dann laufen da lauter Leute mit Strohhüten rum. Alter, das kann nicht wahr sein. Aber die gingen zur Köln-Mallorca Party ins Palladium", war schon die Begrüßung von Sänger Marcus Wiebusch. Viel schöner dann das Zwiegespräch zwischen Marcus und Schlagzeuger Frank vor "
Stockhausen, Bill Gates und ich". Marcus hatte da erzählt, daß seine Mutter ihn auf das Erlebnis des Lieds, nämlich in einem Fahrstuhl eingeschlossen zu sein, angesprochen habe. Er antwortete: "Mama, halt's Maul, ich denk' mir die Scheiße nur aus, Mann." - Frank. "Du kannst doch nicht zu Deiner Mutter 'halt's Maul' sagen" - "Du mußt das in einem größeren Zusammenhang sehen, Lars und ich kommen aus zerrütteten Verhältnissen" Ich bin sehr sicher, die beiden Wiebusch-Brüder waren Sonntag drauf deutlich kleinlauter, als sie ihrer Mama Blumen zum Muttertag brachten. Aber Rock'n'Roll eben - und zwar unterhaltsamer!

"Nullsummenspiel" ging das Einüben eines Mitklatschparts voraus. Reimer hatte einen zusammengeknickten Kleiderbügel zu einer Clapdings umfunktioniert. Dabei machten Kettcar aber Späße über
mitklatschende Zuschauer, die sofort bei ein paar rhythmischen Tönen mitmachten (Konj.), und machten es so wenig peinlich, daß ich es mochte.

Natürlich war vieles nicht spontan komisch sondern schon oft benutzt. Das geben Kettcar auch in Interviews gerne zu, die Sprüche sind nicht einmalig, die Setlisten fix. Aber das machte nichts, es hatte trotzdem viel Charme. Über die Musik muß man (ich) nicht viel schreiben, ich schätze die Hamburger sehr, natürlich auch ihre Lieder über Sylt. Kettcar sind auch eine prima Liveband, also war es nur
konsequent, daß das Konzert begeisternd war. Ein klein wenig gestört hat mich nur, daß die Zuschauer auf der Empore bis auf ganz wenige Ausnahmen sehr still standen und sich nicht anmerken liessen, ob das etwas für sie war, ganz komisch. Unten war Partystimmung, oben sah alles ein wenig dröge aus. Aber auch das half nicht, daß Konzert schlecht zu machen!

Mir ist eines an diesem Abend klargeworden: das E-Werk ist ein fantastischer Konzertsaal. Schade, daß nicht mehr Veranstalter der Versuchung widerstehen können, bei solch wahrnehmbar großen Interesse in eine größere, fiesere Bude zu wechseln.

Sabrina Setlur stand diesmal nicht vor mir. Es war aber auch so gut.

Setlist Kettcar, E-Werk, Köln:

01: Deiche
02: Kein Außen mehr
03: 48 Stunden
04: Landungsbrücken raus
05: Graceland
06: Balkon gegenüber
07: Nullsummenspiel
08: Money left to burn
09: Jenseits der Bikinilinie
10: Agnostik für Anfänger
11: Im Taxi weinen
12: Würde
13: Stockhausen, Bill Gates und ich
14: Am Tisch

15: Ausgetrunken (Z)
16: Handyfeuerzeug gratis dazu (Z)

17: Tränengas im High-End-Leben (Z)
18: Ich danke der Academy (Z)

19: Balu (Z)

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2 Kommentare :

Oliver Peel hat gesagt…

Wer iss'n Sabrina Setlur? Hatte ich mal was mit der?

Oliver Peel hat gesagt…

Was hast Du dauernd mit der Setlur? "Es war aber auch so gut"? Wie meinst Du denn das jetzt?

Der Vorname des Bassisten gefällt mir, Reimer, das ist wirklich sehr schön. So würde ich gerne meinen Sohn nennen. Aber Reimer Peel, passt das?

 

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