Sonntag, 17. Juni 2012

Julia Holter, Berlin, 10.06.12


Konzert: Julia Holter
Ort: Berghain Kantine
Datum: 10.06.2012

Zuschauer: ausverkauft (ca. 220)
Konzertdauer: ca. 70 Minuten



Bericht und Fotos von Markus aus Berlin



Ein sonniger Tag endet - Berlin ist im EM-Fieber und die Anhänger guter Musik pilgern an diesem Abend in die ausverkaufte Kantine des Berghains. Ich muss gestehen, dass der Hype um Julia Holter völlig an mir vorbei ging. Aufmerksam wurde ich auf sie nur durch Zufall. Umso schöner, wenn sie so viel Resonanz genießt. Nach einer Nacht fast ohne Schlaf haderte ich lange mit mir, ob ich überhaupt zum Konzert gehen sollte. Ein kurzes Reinhören in ihre bisherigen Liveauftritte fegte meine Skepsis hinfort. Als ich im Berghain ankam, stand ein großer Teil des Publikums vor der Türe und genoss die sommerlichen Temperaturen. Die Temperaturen in der Kantine selbst waren schon ohne das Publikum schwer auszuhalten. Aufgrund des EM-Spiels, verzögerte sich der Beginn des Konzertes um ca. 1 Stunde. Die „Vorband“ hinterließ bei mir kaum mehr Eindruck als die Hintergrundbeschallung eines Aufzugs. Deswegen verliere ich darüber kaum mehr Worte als nötig. Fazit: Uninteressant.

Als dann endlich Julia Holter samt Band (Schlagzeug und Cello) auf die Bühne kam - in einem aufregendem Kleid mit hochgesteckten Haaren, schlug mein Herz höher. Das lag nicht (nur) an ihrem umwerfenden Aussehen. Völlig uneitel stellte sie sich hinter ihr Keyboard und begann das Konzert mit Our Sorrows. Ihr Gesang, das Cello und das Schlagzeug bildeten sofort eine klangliche Einheit. Ihre glasklare Stimme gebündelt mit ihrer Körpersprache beeindruckten. Bei Marienbad zeigte sie, dass sie auch den Mut hat zur zwischenzeitlichen Demontage ihrer Klangweilten. Das gefällt mir und diese Brüche machen ihre Musik für mich so stark. Blickkontakt zum Publikum bleiben eher eine Ausnahme - auch redet sie kaum zwischen den Liedern. Stattdessen hält sie ihren Kopf leicht in den Nacken und es scheint als würde sie in eine für uns unsichtbare Ferne blicken. Dazu pendelt ihr Körper immer leicht hin- und her.


Das teils überlaute Schlagzeug erstickt immer mal wieder ihren Gesang sowie die Cello-Klänge. Das mag so gewollt sein, wirkt aber unnötig brachial und krawallig. So hätte ich mir Betsy On The Roof lieber solo am Piano gewünscht, statt mit diesem dominanten und erdrückenden Schlagzeug. Trotz dessen ein großartiges Lied, welches überzeugend dargeboten wird. Überhaupt der Schlagzeuger - sein Gesichtsausdruck schwankt zwischen grimmig und mürrisch. Das er eigentlich ein ganz netter Kerl ist, erlebe ich nach dem Konzert am Merchandising-Stand. Der Cellist ist da aus einem ganz anderem Holz geschnitzt. Ein wenig spitzbübisch sitzt er mit Hosenträgern, Brille und leichtem Bart genügsam auf seinem Gartenstuhl.Das Publikum genießt das Konzert andächtig und ist verzückt. Eher sperrigere Lieder, wie Boy In The Moon, kommen live bei ihr zu besonderer Geltung. Ihr Musik handelt sie nicht einfach nur ab. Sie geht in ihr auf. Wie eine Blume, die nur im dezenten Scheinwerferlicht zur vollen Blüte kommt. All die Hitze, die Müdigkeit sind verflogen. Großer Applaus nach wird Julia Holter nach jedem Lied zu Teil. Und das zu Recht. Mein persönliches Highlight folgt mit This Is Ekstasis. Ein Lied in dem für mich alles was ihre Musik ausmacht perfekt wiedergespiegelt wird. Ich fühle mich wie in einer nächtlichen Fahrt im Cabrio durch unbekannte Serpentinen. Die salzige Meeresluft umweht meine Nase und ich kenne weder ein Ziel noch habe ich eine Idee von Raum und Zeit. Ich lasse mich verwirren ohne Angst zu spüren.



Mit Moni Mon Ami spielt sie eines ihrer stärksten und vielleicht eingängigsten Stücke. Es ist kaum zum Aushalten schön. Vor lauter Rührung merke ich, wie ich das Applaudieren vergesse und stehe oft nur beeindruckt vor der Bühne. Goddess Eyes beginnt mit verzerrten Cello-Klängen, die die ebenso gut einen Psychokrimi einleiten könnten. Als dann ihre zarte Stimme einsetzt, ist es wunderschön zu erleben, wie sie die Stimmung von Ängstlichkeit in tiefe Rührung wendet. Sie löst auf ihrem Konzert die ganz großen Gefühle aus. Das Schlagzeug darf es nun auch wieder ordentlich krachen lassen und ja - es muss so sein. Das Duett mit dem Cellisten ist wunderschön, dass es kaum auszuhalten ist. Mit In The Same Room beschließt sie das Set. Eine seichte Pop-Nummer, die für mich eher das schwächste Lied an diesem Abend darstellt. Das ist nicht weiter schlimm. Einen würdigen Abschluss findet das Konzert mit einem noch unveröffentlichtem neuen Lied, das sie solo am Keyboard vorträgt. Übrig bleibt ein Publikum, dass trotz der tropischen Temperaturen bis zum Ende durchhält und an berechtigter und nachhaltiger Euphorie nicht spart. Der befreiende Gang in die Berliner Nacht und das Gefühl bei einem sehr besonderen Konzert dabei gewesen zu sein, lassen mich die Heimfahrt in völliger Leichtigkeit genießen. Julia Holter beehrt Berlin mit ihrer Musik schon wieder am 5.7.12. Dieses Mal im HBC. Es würde mich nicht wundern, wenn sie auch dieses Mal vor ausverkauftem Haus stehen würde. Eine ganz phantastische Musikerin, dessen Musik sich live erst richtig erschließt. Unbedingt hingehen!


Setlist Julia Holter, Berghain, Berlin:

01: Our Sorrows
02: Marienbad
03: Try To Make Yourself A Work Of Art
04: Gaston
05: Betsy On The Roof
06: Boy In The Moon
07: This Is Ekstasis
08: Moni Mon Amie
09: Goddess Eyes
10: In The Same Room

11: Unbekannter Titel (Z)

Tourdaten Julia Holter:

03.07. Köln, Museum Ludwig
04.07. Dresden, Thalia
05.07. Berlin, HBC




1 Kommentare :

E. hat gesagt…

schöner bericht, der mir die tragweite meiner absenz noch einmal deutlich vor augen führt.

 

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