Dienstag, 24. Januar 2012

Dear Reader, Wiesbaden, 24.01.12

Konzert: Dear Reader
Ort: Walhalla, Wiesbaden
Datum: 24.01.2012
Zuschauer: 70 - 80
Dauer: Dear Reader 75 min, Black Ribbon knapp 35 min


Dear Reader gehört hier bei uns zu den Bands, über die nun wirklich alles gesagt ist.
Nach meinem letzten Konzert mit ihnen in der Frankfurter Brotfabrik im September, hatte ich auch erstmals Abnutzungserscheinungen meiner Liebe zu Cherilyn MacNeil und Band festgestellt. Mir fehlten Bandgründer Darryl Torr und dessen südafrikanischer Kollege Michael Wright und die vielen kleinen Gimmicks während der Konzerte. Sängerin Cherilyn hat eines der entwaffnendsten Lachen, die ich kenne. Mit Darryl und Michael gab es zig Momente, in denen die Sängerin laut losprustete, die Konzerte waren musikalisch eine Wucht, sie waren es aber auch wegen ihres Unterhaltungswerts. Natürlich teilte Cherilyn ihr sonniges Gemüt auch in Frankfurt, es fehlte aber doch einiges zu den Liveperlen der Vorjahre.

In was für Konstellationen
alleine wir die Band erlebt haben! Erst zu dritt, dann mit der "neuen" Geigerin Jean-Louise, mit Gastmusikern von Get Well Soon, gemeinsam mit Brent Knopf (Menomena & Ramona Falls) als zusätzlichem Livemitglied. Im vergangenen Jahr wurden Michael und Darryl dann durch neue Musiker ersetzt. Die schwedische Vorgruppe Marching Band und Martin Wenk (Calexico) spielten gemeinsam mit Cherilyn und Jean-Louise.

Um kurz vor fünf war mir mein Fremdeln mit den neuen Dear Reader plötzlich egal, ich kaufte eine Karte - nicht meine schlechteste Entscheidung der letzten Monate.

Dear Reader begannen um kurz nach halb neun. Der Spiegelsaal des Walhalla war bestuhlt und recht gut gefüllt, ich schätze, knapp 80 Zuschauer waren gekommen. Zu
meiner Überraschung waren die beiden Schweden der Marching Band wieder dabei, die Schlagzeug und Gitarre bzw. Bass bedienten. Dazu stand mit Alex aus Südafrika ein mir neues Mitglied am Keyboard. Wie üblich bei Dear Reader spielte er später allerdings auch andere Instrumente, Gitarre, Bass und Akkordeon.

Es begann famos mit Fox (Take your chances), herrlich laut geschmettert. Schon da waren meine Zweifel weg. Auch an den neuen Liedern übrigens, denn ich sehe da keinen Qualitätsunterschied mehr zu den Knüllern der Debütplatte. Natürlich ziehen Dearheart oder Great White Bear hervorragend, und natürlich ist Bend grundsätzlich das beste Lied im Programm, mich begeisterten aber daneben vor allem Whale (Boohoo) und Camel (Not black or white but camel). Die Lieder der neuen Platte haben ja alle Doppelnamen, erst den eines Tiers, in Klammern dann den echten Titel. Nur Mole (Mole) ist die Ausnahme. Cherilyn kündigte das Stück damit
an, es handele sich um die Liebesgeschichte zweier Maulwürfe. Zweier "gay moles."

Aber ich will nicht immer so viel über Musik sprechen, es gibt ja viel anderes zu erzählen.

Cherilyn hatte am Anfang quasi als Warnung gesagt, sie sei heute ein bißchen schüchtern. Nachdem sie das erst akzentfrei auf Deutsch gesagt hatte, übersetzte sie es noch einmal - vollkommen unnötig, weil ihr Deutsch mittlerweile hervorragend ist. Sie lebt seit 18 Monaten in Berlin und hat sich offenbar hauptsächlich mit nicht-Berlinern unterhalten. Nur einmal kam eine kleine Unsicherheit durch. "Wir touren jetzt seit zwei Woche ... Wochen. Two, Many!" Sie habe aber auch deutsche Vorfahren, erzählte sie
später. Ihr Opa hatte ihr neulich erzählt, daß ein Vorfahre 1745 aus Merseburg nach Südafrika ausgewandert sei. "I'm so proud to be sächsisch!"*

Das Konzert hatte übrigens so herrlich früh begonnen, weil es früh fertig sein musste. Es gebe da nämlich einen "grumpy Nachbarn", der gerne Ärger mache. Dabei drehte
sich die Sängerin zu ihrem Schlagzeuger um: "du bist jetzt geschockt, daß ich das erzähle, oder? Er hat nämlich Bürokratie oder so studiert..."

Über die Konzerterituale rund um Zugaben hat sich die Sängerin immer schon amüsiert. "Wir haben jetzt
zwei Möglichkeiten, wir können von der Bühne gehen, und ihr klatscht, bis wir zurückkommen oder wir bleiben, ihr klatscht, und wir spielen weiter. Eure Entscheidung. Das ist wie bei diesen Büchern, die ich früher so geliebt habe. 'Wenn du willst, daß Little Johnny, das Schaf zu den Hügeln geht, lies auf Seite 86 weiter, wenn du willst, daß er zum Schlachter muß, auf Seite 90.'" Wie könnte man diese Band nicht mehr lieben? Die Frage wird noch sinnloser, wenn man solch hervorragende Konzerte erlebt!

Sieht also so aus, als ginge unsere gemeinsame Geschichte weiter. Demnächst spielt Chrilyn auch irgendwo akustisch. Die Variation habe ich noch nicht gesehen, hmmm...

Setlist Dear Reader, Walhalla, Wiesbaden:

01: Fox (Take your chances)
02: Bear (Young's done in)
03: Dearheart
04: Earthworm (All hail our ailing mother)
05: Elephant (Hearter)
06: Whale (Boohoo)
07: Camel (Not black or white but camel)
08: Release me
09: Great White Bear
10: Man (Idealistic animals)
11: Mole (Mole)
12: Monkey (Go home now)
13: She's hers, he's his, I'm mine (Z)
14: Bend (Z)

15: Dancing in the dark (Bruce Springsteen Cover) (Z)

Links:

aus unserem Archiv:
- Dear Reader, Paris, 18.01.12
- Dear Reader, Weinheim, 15.09.11
- Dear Reader, Frankfurt, 11.09.11
- Dear Reader, Wien, 08.10.09
- Dear Reader, Marburg, 06.10.09
- Dear Reader, Düsseldorf, 28.09.09
- Dear Reader, Haldern, 15.08.09
- Dear Reader, Berlin, 07.08.09
- Dear Reader, Paris, 06.05.09
- Dear Reader, Nijmegen, 25.04.09
- Dear Reader, Köln, 18.04.09
- Dear Reader, Paris, 19.02.09
- Dear Reader, Köln, 12.02.09

* für die Klugscheißer, die sich in deutscher Geografie besser auszukennen meinen als Cherilyn: 1745 gehörte Merseburg zu Kursachsen.



9 Kommentare :

Guido hat gesagt…

Als Augen- und Ohrenzeuge kann ich dem nur zustimmen. Akustisch wird´s übrigens am 27.02. in Dresden und am 28.02. in Erfurt.

Christoph hat gesagt…

Das, das ich im Hinterkopf hatte, ist im Hafen 2 in Offenbach. All diese Orte in Sachsen-Gotha und so sind mir zu weit.

Gudrun hat gesagt…

Ich empfehle ja Sachsen-Weimar-Eisenach... ;) (da liegt aber weder Dresden noch Erfurt drin) Schön, dass wir diese Kleinstaaterei zumindest im Bezug auf Reisefreiheit nicht mehr haben.

Danke auch für den netten Bericht. Ich wäre auch sooooooo gern in Dresden oder Erfurt dabei. Aber in der Woche bin ich dienstlich im Saarland angebunden.

Guido hat gesagt…

@Christoph: bei Hafen 2 hatte ich nichts von akustisch gelesen, aber dennoch mal auf meiner "To-Go-Liste" notiert, würde mir samstags auch gut passen.

Christoph hat gesagt…

Auf der Hafen2 Seite steht "Akustik-Konzert im Kino"

Stefan hat gesagt…

Hi Christoph, danke für den tollen Bericht. Dear Reader waren echt total super.
Welche Band zeigt denn das erste Foto? Dear Reader sind es jedenfalls nicht...

Stefan hat gesagt…

Oder ist es eine älteres Foto mit einer Besetzung, die ich nicht kenne???

Oliver Peel hat gesagt…

@ Stefan: das sind Dear reader auf dem ersten Foto in der alten Formation. Cherilyn ist auf dem Foto zu sehen, die anderen sind nicht mehr dabei.

Christoph hat gesagt…

Stefan, das ist wirklich die alte Besetzung von Dear Reader mit Brent Knopf (Menomena) im Vordergrund als Gastmusiker.

 

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