Montag, 23. Januar 2012

The Notwist, Nijmegen, 22.01.12


Konzert: The Notwist
Ort: Doornroosje, Nijmegen
Datum: 22.01.2012

Zuschauer: ca. 250
Dauer: The Notwist 85 min, joasihno 40 min



Gut, daß sich für unser Konzerttagebuch nur Musikverrückte interessieren. Ich würde es schrecklich gerne auch zu einer Plattform über Indietratsch machen, sobald wir aber in Berichten nur über den Kleidungsstil von Künstlern schreiben, bekommen wir das als irrelevant von musikalischen Revolutionswächtern um die Ohren gehauen. Das ist nicht gut, hier aber auch gerade nicht wichtig, weil es bei The Notwist schließlich weder um Mode noch um Klatsch geht. Gut ist die klare Zielgruppe deshalb, weil man der nicht lange erklären muß, warum vier erwachsene Menschen, die Montag früh arbeiten müssen, sonntags nach Holland fahren, um sich eine bayerische Band anzusehen. Leuten, die denken, daß das, was im Radio läuft, Musik ist, ist das einfach nicht zu vermitteln, der Versuch erntet mitleidiges Nicken, etwa das gleiche, das ich freiwilligen Helfern des Domino-Days entgegenbrächte, lernte ich welche von denen kennen. "Ach, ihr baut also monatelang Domino-Steine auf, die ein Mann mit lustigem Akzent dann umstößt?!"

Warum wir nach Nijmegen fuhren, ist dabei doch vollkommen naheliegend: The Notwist spielten da
eben und Paris, München oder Metz waren uns zu weit.

Das Doornroosje ist ein Club, in den ich mich auf Anhieb verliebt hatte, als ich da vor ein paar Jahren Martha Wainwright gesehen habe. Der "große Saal" ist gemütlich klein und wäre auch in Köln einer meiner Lieblingsläden. Vermutlich passen in ein ausverkauftes Doornroosje 300 Leute, ein Rahmen also, in dem man Notwist in Deutschland nicht sehen kann.

Ausverkauft war der Club allerdings nicht, vermutlich waren 200 oder 250 Zuschauer da, die meisten kamen allerdings erst nach der Vorgruppe. Dabei war die (joasihno aus München) hörenswert. Wie es sich für Notwist Supports gehört, klangen
joasihno experimentell, sie waren aber nicht anstrengend. Hinter joasihno verbirgt sich Christoph Beck aus Eichstätt. Christoph spielte vor allem mit Keyboard und Gitarre geloopte Melodien ein, erzeugte aber Liedteile auch mit Melodica und Blockflöte. Das schönste Instrument war allerdings ein knisterndes Blatt Papier, das er loopte und das so einen wundervollen Effekt ergab. Begleitet wurde er während seines Konzerts von einem Schlagzeuger.

Das 40 minütige Programm war kurzweilig und lohnenswert. Wenn man eine lange nächtliche Rückfahrt vor Augen hat, kann Zeit, die eine Vorgruppe kostet, ja schnell schrecklich weh tun, hier war alles prima!

joasihno hatte erstaunlich viel Platz auf der Bühne beansprucht. Wir hatten uns vorher schon gefragt, wo denn Notwist spielen wollten, weil kaum noch Platz für mehr als zwei Musiker da war. Als der joasihno Instrumentenpark gelichtet war, war
allerdings wieder genug Raum da, um all die absonderlich tollen kleinen Dinge, die die komplexen Sounds der Bayern erfordern, unterzubringen. Wir standen vor Martin Gretschmann (Console), der neben seinen (bekannten) wii-Controllern auch viele andere lustig aussehende namenlose Sachen um sich aufgebaut hatte. Das letzte Mal in einem Club hatte ich Notwist im Kölner E-Werk gesehen, zwar auch weit vorne, da in diesem großen Saal "weit vorne" allerdings fünfzehn Meter von den Musikern weg ist, habe ich da wenig davon mitbekommen, was alles nötig ist, die Songstrukturen der Band live wiederzugeben. So aus nächster Nähe war das für mich der eigentliche Knüller des Abends. Darauf zu achten, für welche Töne oder Samples jetzt das Drücken auf den Computerspiel-Controller gerade verantwortlich ist, war fabelhaft!

Zu gucken gab es aber auch an allen anderen Stationen enorm viel. Hier mal ein Glockenspiel, da gescratchte Platten, dahinter vier-Schlägel Vibraphon - und alles in einer nicht nachvollziehbaren Perfektion. Tolle Platten schön und gut. Aber wenn man die nicht auf Bühnen umsetzen kann, taugt man nichts. The Notwist können das, und man sieht bei jedem Stück, wie verflucht schwer das sein muß.

Leider war das Programm im Vergleich zu den französischen Konzerten ein wenig
abgespeckt. Daß die wenig gespielten Day 7 und My faults fehlten, war schade, in der Suppe muß aber wirklich nicht nach Haaren gesucht werden, dafür war das Konzert (ohne den neidischen Blick auf Frankreich) schon zu gut.

Am besten gefielen mir das Eröffnungsstück One dark love poem von der zweiten
Notwist-Platte Nook, das ein grandioses Intro hatte (und vielleicht eine zu leise Stimme von Markus Acher - aber egal!) und Gloomy planets - erste unter gleichen.

Knapp anderthalb Stunden, die zwar normalen Menschen nicht zu vermitteln sind, die aber jeden Aufwand und jede Müdigkeit gerechtfertigt haben, da sind wir Freaks uns einig.

Setlist The Notwist, Doornroosje, Nijmegen:

01: One dark love poem
02: Pick up the phone
03: This room
04: My phrasebook
05: Blank air
06: Trashing days
07: On planet off
08: Gloomy planets
09: One with the freaks
10: Neon golden
11: Pilot
12: Gravity

13: Boneless (Z)
14: Where in the world (Z)
15: Consequence (Z)

Aus unserem Archiv:

- The Notwist, Paris, 20.01.12
- The Notwist, Köln, 14.04.09
- The Notwist, Hamburg, 23.08.08
- The Notwist, Melt!, 19.07.08



5 Kommentare :

Frank hat gesagt…

Der "Reissverschluss" Loop im ersten Song war aber auch nicht schlecht.

Christoph hat gesagt…

Den habe ich leider verpasst.

Uwe hat gesagt…

Wie war denn das Publikum drauf? Ich hab das Dornroosje auf die schwarze Liste gesetzt. Bei meinem ersten und einzigen Besuch waren 90% der Besucher nur zum Trinken und Quatschen gekommen, was zu einem unerträglichen Abend führte.

Christoph hat gesagt…

Das war sehr angenehm, Uwe. Wir standen allerdings auch ganz vorne, ob es an der Bar laut war, weiß ich nicht. Vorne stand der typische Besucher mit geschlossenen Augen und mitwippend oder -singend.

Gudrun hat gesagt…

"Gut ist die klare Zielgruppe deshalb, weil man der nicht lange erklären muß, warum vier erwachsene Menschen, die Montag früh arbeiten müssen, sonntags nach Holland fahren, um sich eine bayerische Band anzusehen."

Da bin ich fast vor Lachen vom Stuhl gefallen... Dankesehr!!

Deshalb rede ich über solche Konzerte nur mit den Leuten in besagter Zielgruppe und lasse mein Radio aus. Ich knirsche dann auch schon mal leise mit den Zähnen, wenn ich mit Schülern (meistens allerdings Schülerinnen) rede und die sagen sie mögen eigentlich "alle" Musik. Auf Nachfrage stellt sich dann meist heraus, dass das was im Radio läuft mit "alle Musik" gemeint ist. Ich rede mir dann leise gut zu und sage mir: die sind noch zu jung um das besser zu wissen.

Bass erstaunt war ich aber, als ich im Herbst bei all meinen Kollegen auf komplette Leere stieß mit dem Namen Tori Amos... Ich hatte nicht gedacht, dass der Mainstream sich schon so weit verengt hat, dass nicht mal die gute Tori dazugehört.

Ich bin darüber immer noch ganz verstört.

 

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