Montag, 30. Januar 2012

Mo' Fo' Festival, Saint Ouen bei Paris, 29.01.12, mit Tender Forever, Farewell Poetry, Haight Ashbury u.v.a.


Konzert: Mo' Fo' Festival 2012 mit Tender Forever, Farewell Poetry, Haight Ashbury u.v.a.
Ort: Saint Ouen bei Paris
Datum: 29.01.12
Zuschauer: erfreulich viele
Konzertdauer: von 17 Uhr 30 bis 23 Uhr


Letzter Tag des MO' Fo' Festivals in Saint Ouen bei Paris. Gestern hatten in meiner Abwesenheit die französischen Post Punker Frustration für Furore gesorgt und auch über die Schotten Country Teasers wurde viel Gutes berichtet.

Heute nun standen aber auch einige Leckerbissen auf der Speisekarte. Ich war in erster Linie für Tender Forever und Farewell Poetry gekommen, bekam mit den Schotten (Schottinnen) Haight Ashbury gegen 18 Uhr aber sofort eine mir bis dato unbekannte Gaumenfreude vorgesetzt. Kirsty Heather Ashbury, Jennifer Ashbury und Scott James Ashbury, so hießen die drei Sympathen, von denen ich allerdings nicht weiß, ob es sich um Brüder und Schwestern handelt. Ähnlich sahen sie sich nicht unbedingt. Hauptsängerin Kirsty stach mit ihren tollen langen blonden Haaren und ihrem güldnen Glitzerkleid ins Auge, Jennifer hatte schwarze Locken, einen Hauch Gothik und ein Blumenkleid und Scott eine Waverfrisur mit Strähne im Gesicht.



Die drei spielten eine faszinierende Mischung aus psychedelischem Hippie-Folk, Sxities Pop und schottischem Indierock à la Vaselines, die mir auf Anhieb gut ins Ohr ging. Mazzy Star meets Vivian Girls, so oder so ähnlich. Nun gut, der Bandname, eine Anspielung an die Hippie-Hochburg gleichen Namens in San Francisco, sagt ja schon einiges aus, aber eben nicht alles. Mit Fairport Convention und Konsorten hatte das klangtechnisch rein gar nichts zu tun, lediglich der Look war von dieser friedensbewegten und freie Liebe propagierenden Zeit inspiriert. Stattdessen gab es noisige Moment à la My Blody Valentine, aber auch die esoterisch-verhuschte Seite im Stile von Lush oder eben Mazzy Star war ausgeprägt. Trotz dieser zahlreichen möglichen Referenzen klang alles neu und aufegend, denn man kredenzte nicht den x-ten Aufguss, sondern mischte die Stile so kunterbunt, daß man ständig auf dem falschen Fuß erwischt wurde. Herrlich auch der Kontrast zwischen der Lieblichkeit der Stimmen und der herben Schrammeligkeit der Gitarren.



Performt wurden Songs von Here In The Golden Rays (2011, am Merch für lediglich 5 Euro erhältlich!), aber auch von einem im Frühjahr 2012 erscheinenden Nachfolger. Ich denke die muss man beide haben. Sowohl live als auch auf Platte toll!

Der nächste Act, der mich auf dem Festival interessierte, wäre Matt Elliott gewesen, aber seine hochmelancholische Musik zog mich an diesem kalten Wintersonntag dermaßen in die Tiefe, daß ich schon alsbald den Saal verließ und mich im oberen Forum aufhielt, wo gut sortierte Indie-Händler CDs und Vinyl verkauften. Gute Musik zum falschen Zeitpunkt, so etws gibt's.

Die Musik der Französin Melanie Valera alias Tender Forever, die gegen 21 Uhr auflief, war da schon deutlich geeigneter. Zwar war das Ganze ebenfalls mit einer gehörigen Portion Melancholie versehen, aber dennoch erwies sich das Set als aufbauend, energiegeladen und abwechslunsgreich. Melanie hat einen ganz eigenen, sehr trockenen Humor, spielt immer mal wieder auf ihre eigen Homosexualität und die damit verbundenen gesellschaftlichen Probleme an, wird dabei aber nie pädagogisch oder anklagend. Das Mädel hat wirklich Mut und viele Ideen und hat sich in den letzten 10 Jahren musikalisch ein ganz spezielles Universum geschaffen. Sie selbst bezeichnet sich als Autodidaktin und wer sie live erlebt, merkt schnell, daß diese Einschätzung wie die Faust afs Auge passt. Mit Hilfe ihres Laptops kreiert sie elektropoppige Klangwelten mir Catchyness-Faktor, aber ohne wirkliche Radiotauglichkeit. Dazu sind ihre Komposition zu bizarr, driften in zu viele verschiedene Richtungen ab und lassen sich nicht auf ein Format trimmen. Man muss schon (im positiven Sinne!) ähnlich bekloppte Künstler wie Coco Rosie, Tickley Feather oder Hesta Prynn nennen, um die Exzentrik zu erklären, würde dabei aber übersehen, daß der Sound trotz des burschikosen Charakters von Melanie auch und vor allem dem lieblichen Pop von Au Revoir Simone nicht unähnlich ist.

Tender Forver war auch heute in Paris wieder unterhaltsam wie immer. Ihr wilder Tanzstil ist eine Eigenkreation, obwohl sie sich so einiges vom Hip Hop Milieu abgeschaut hat. Dabei hatte sie eigentlich Rücken-und Nackenschmerzen, ließ sich aber einmal warm geworden, nichts davon anmerken. Wundervoll ihre Stimme. Sie hat einen Zartschmelz, der durchaus wohlig an Cat Power erinnerte, freilich mit französischem Akzent und dies obwohl Melanie seit Jahren in Portland, Oregan lebt.

Melanie verstand es immer wieder, die Leute nicht nur mit ihrer Musik, sondern auch mit ihen zynisch-witzigen Ansagen und Erläuterungen zu erheitern. Die Franzosen müssten bei der Präsidentschaftswahl nur Marine Le Pen wählen, dann könnten sie was erleben, bekundete sie augenzwinkernd, sprach aber gleichzeitig die Hoffnung aus, daß der weniger schlimme Kandidat gewählt werden würde. Natürlich meinte sie damit nicht Amtsinhaber Sarko (dem sie sogar ein Lied widmete), sondern den Kerl mit dem Ländernahmen. Leute wie sie hätten es unter Nicholas schwer, der würde doch sicherlich nur Sexbomben goutieren, wozu sie sich definitiv nicht zählte.

Nun, ich weiß nicht, ob man dem Herrn Präsidenten Homophobie vorwerfen kann und sein gutes Verhälntis zu Angie zeigt ja, daß er sich auch mit Frauen versteht, die sich nicht gerade für den Playboy ausziehen könnten (obwohl, bei dem Dekolleté!). Aber sei's drum, hier in Saint Ouen hatte Melanie die Fans auf ihrer Seite und bewies bei zwei akustischen Gitarrenstücken auch, daß sie nicht unbedingt immer ihren effektvollen Disco Bollersound braucht, um stark rüberzukommen. Gerade diese beiden Balladen berührten mich außerordentlich und bewiesen die Wandlunsgfähigkeit der aus Bordeaux stammenden Dame.

Running Gag des abends war, daß Melanie anscheinend ständig aktuelle e-mails ihres Bruders erhalte, was für etliche Schmunzler sorgte. Noch amüsanter war aber ein projeziertes Video, bei dem 4 pubertierende amerikanische Mädels einen Wettbewerb im Haareschütteln veranstalteten und minutenlang wie wild ihre Mähne durch die Luft fliegen ließen. Da war Kondition gefragt und nach ein paar Minuten trennte sich die Spreu vom Weizen, ein paar der Mädels gaben erschöpft auf und schließlich konnte irgendwann eine rammdösige Siegerin gekürt werden. Ein Brüller!

Alles in allem ein tolles Konzert, musikalisch gut und auch sehr unterhaltsam.



Bericht Farewell Poetry etwas später, stay tuned!

Fotos in Kürze!





2 Kommentare :

Christoph hat gesagt…

Großartig, diese Haight Ashbury!

Oliver Peel hat gesagt…

Ja, ne! Besonders das Lied aus dem zweiten Video ist eine Wucht! Neue Lieblingsband!

 

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