Samstag, 7. Januar 2012

My Year In Lists: Die fünf schlechtesten Konzerte (Christoph)



Es hat ein wenig gedauert mit unserer Bilanzzieherei. Mein letztes Konzert 2011 fand vergangene Woche statt, mit dem Jahr abzuschließen machte also noch keinen Sinn. Seit Sonntag gilt es also, die in düsteren Clubs, lauten Kirchen oder spanischen Hafenanlagen gesehenen Bands in die Töpfe "wow!" und "scheußlich!" zu sortieren.

142 Bands habe ich 2011 gesehen, einige davon mehrfach - 117 verschiedene Künstler waren es, bei 69 Clubkonzerten, sechs Festivals und einem Fußballvereinsjubiläum. Am häufigsten habe ich englische Künstler gesehen, danach Amerikaner, Deutsche und Kanadier; so ist das meistens.

Weil ich in der Regel vorher weiß, was mich erwartet, sind mehr Konzerte gut als schlecht. Zu Glasvegas gehe ich eben nicht mehr. Aber es kommt immer wieder vor, daß eine liebgewonnene Band enttäuscht (Mogwai und Death Cab For Cutie) oder dem armen Publikum unerträgliche Supportacts vorgesetzt werden. 2011 hat nicht viele richtig miese Konzertabende geboten - aber es gab sie, und das waren die schlechtesten.

05: The Antlers (Köln)

Im Sommer in Haldern hatte ich die Antlers zum ersten Mal gesehen, ganz vorurteilsfrei und unbelastet. Auch die güldene Gitarre war mir anfangs egal. Die Musik allerdings zeigte mir sehr schnell, daß die Antlers und ich keine Freunde sein werden, ich ging nach der Hälfte. Daß ich mir die Band noch einmal im Luxor angesehen habe, lag an zwei Dingen: zum einen wollte ich endlich Dry The River sehen, die seit Januar hier rumgeistern, zum anderen blieb ich (aus gesellschaftlichen Gründen) nach denen noch im Luxor und brach das Konzert der Hauptgruppe eben nicht nach zwei Liedern ab. Denn auch in Köln waren die Antlers
absolut nicht mein Ding. Nein, sie waren weniger als das. Sie waren oft einfach fies, seicht und erinnerten an La Boum. "Dreams are my reality..." Aber irgendwie zieht sich diese neue Seichtheit, dieser Indie-Stehblues wie ein roter Faden durch diese Liste. Neues Beispiel gefällig? Voilà:

04: Tahiti 80 (Köln)

Auch hier hatte Richard Sanderson (oder F.R. David) vermutlich das Songmaterial geschrieben. Tahiti 80 klingen exakt so, wie sie heißen. Nicht Manchester 80 oder Seattle 90 oder Berlin 2000, Tahiti 80. Seichter* Südsee-Pop, der niemandem wehtut. Naja... Mir tat das schon weh, ich quälte mich durch das schrecklich lange Programm. Aber da die Band so schrecklich nett war, schneiden sie hier im direkten Vergleich der französischen Vertreter des Indie-Stehblues' einen Platz besser ab als

03: Frànçois And The Atlasmountains (Köln)

Wenn man sich auf einen Abend mit einer bluesigen Sängerin einläßt (Anna Calvi), darf man sich nicht wundern, wenn auch die Vorgruppe ähnliche Töne anschlägt. Anna Calvi schreitet aber auf der richtigen Seite des schmalen Grats zwischen gut und scheußlich herum, Frànçois & The Atlas Mountains hatten sich für gegenüber entschieden. Ich sehe so selten französische Bands, weil die eben in der Regel nicht in Deutschland touren. Daß dann ausgerechnet zwei von ihnen in dieser Liste auftauchen, tut mir in der Seele weh für all die guten, über die wir hier (Oliver) schreiben. Aber Frànçois & The Atlas Mountains haben es sich leider redlich verdient, und sie ständen weiter oben, wenn es nicht zum Beispiel dieses Konzert gegeben hätte:

02: Soul Irgendwas (Köln)

Nicht immer passen Vorgruppen stilistisch zur Hauptband. Das muß ja zunächst einmal nicht schlecht sein. Das, was uns vor Esben and the Witch allerdings vorgesetzt worden. Nach knapp einem Jahr meine ich, daß Soul Irgendwas damals ununterbrochen Midnight Lady von Chris Norman gespielt habe. In einer "Eventkneipe" vor betrunkenen Frauen aus dem Sauerland hätte das sicher funktioniert, im Gebäude 9 vor Publikum, das auf (anders) düstere Musik wartete, überhaupt nicht. Brrrrr! Aber auch Soul Dings waren Waisenknaben gegen dies hier:

01: Julia Marcell (Haldern)

Bisher haben wir drei Listen der schlechtesten Konzerte veröffentlicht, immer dabei: Julia Marcell aus Polen. Im Rückblick war das das fieseste Stück Livemusik des Jahres. Daß sie es ins Programm des wie immer fabelhaft und stilsicher besetzten Haldern-Festivals geschafft hat, kann eigentlich nur durch eine verlorene Wette zu erklären sein.



5 Kommentare :

Oliver Peel hat gesagt…

François And The Atlas Mountain bluesig, Christoph? Nächstens schreibst du noch, Coldplay würden Heavy Metal spielen!

Und im Vorprogramm von Anna Calvi landeten sie, weil sie auf dem gleichen Label (Domino) sind, musikalisch sind sie sich nicht ähnlich. Ich persönlich mag François, ja.

E. hat gesagt…

sehr humorig geschrieben. musste mehrmals schmunzeln.

Frank hat gesagt…

Christoph, du weisst ja, dass ich bei zweien dieser Konzerte nicht mit dir konform gehe: Antlers und Tahiti 80, die waren nämlich beide überragend!
An Soul irgendwas kann ich mich schon gar nicht mehr erinnern, die müssen also zu recht in diese Kategorie gehören ....

SomeVapourTrails hat gesagt…

Also ich fand das Album von Tahiti 80 streckenweise eigentlich sehr erfrischend, nicht eben seicht, außer man würde die Messlatte derart hoch legen, dass kaum wer Limbo tänzelnd drunter durch käme.

Caroline R V hat gesagt…

Wow, The Antlers hier zu sehen kann ich absolut nicht nachvollziehen. Ich find die liefern live einfach Magie pur. Und Peter Silberman ist ja nun echt alles andere als selbstverliebt (wie es in einer anderen Liste hier irgendwo steht). Der Herr ist super schüchtern und total freundlich.
Julia Marcell in der Liste zu sehen kann ich da schon eher verstehen, wobei man ihr wohl den Anfänger-Bonus geben muss, da sie auf'm Haldern das erste Mal mit ihrer Band live gespielt hat. Das Album ist nach mehrmaligem Hören auch nicht schlecht. Und warum war sie auf'm Haldern? Weil ihr neues Album über Haldern Pop Recordings vertrieben wird. War also keine verlorene Wette... ;) Sie wird dieses Jahr sicher auch wieder mit dabei sein. Und ich werd sie mir auch wieder anschauen, in der Hoffnung, dass es dieses Mal einfach besser wird.

 

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