Mittwoch, 13. Juni 2012

The Stone Roses, Amsterdam, 12.06.12


Konzert: The Stone Roses
Ort: Heineken Music Hall, Amsterdam
Datum: 12.06.2012
Zuschauer: 4.000 bis 4.500 (nicht ausverkauft)
Dauer: knapp 80 min


Haben sich die Stone Roses gleich wieder aufgelöst? Nachdem ihr reguläres Set nach immerhin 15 Liedern und einigen eindrucksvoll langen Gitarrensoli beendet war, dauerte es ewig, bis wieder etwas passierte. Die Crew stimmte die Instrumente, die Band kam aber nicht zurück. Irgendwann erschien Ian Brown wieder, seine Kapuzenjacke über dem Mikroständer, und teilte mit, der Drummer sei schon weg. Wir haben sein Genuschel nicht richtig verstanden, dem NME nach nannte er Schlagzeuger Reni "a cunt."

Die erwartete Zugabe I am the resurrection, die die Roses bei den beiden Konzerten in Barcelona gespielt hatten fiel aus. "I'm not kidding", und er verschwand.

Das Konzert bis dahin könnte man mit mehr zeitlicher Distanz und vor dem Hintergrund des Endes sicher auch anders sehen, ich bin aber sehr froh, es gesehen zu haben und fühle mich prächtig unterhalten.

Ian Browns Gesang war schrecklich. Die Hits der Band waren nicht nur deshalb heute so überragend, weil es eben die Hits sind, sie waren es auch, weil das Publikum bei Liedern wie I wanne be adored, This is the one oder Made of stone besonders laut mitsingen konnte. Dann hörte man den Sänger nicht so sehr. Wir hatten auch das Gefühl, oftneben Ians eine zweite Stimme zu hören. Drummer Reni hat mitgesungen, die Stimme, die über die Anlage kam, klang aber eigentlich zu gut für die, die wir ihm zutrauten. Vielleicht wurde da einfach ein wenig getrickst.

Dann gab es durchaus Längen. In der Mitte, vor dem "grand finale", war das Konzert nicht immer packend. Ich merkte das unter anderem daran, daß in dieser Phase meine (dann ruhigen) Füße in der riesigen Bierpfütze festklebten. Oder an dem verkrampften Gesicht der Frau neben mir, die Fools gold mitgefilmt hat, aber nicht geahnt hatte, daß das Lied 10 minütige Soli enthielt. Sie filmte tapfer weiter, man sah ihr die Qualen aber an. Die letzten vier, fünf Lieder allerdings waren so großartig, daß die Fahrt, das anstrengende Publikum von auswärts, die langen Gitarrenparts so sehr egal waren. Es war ein tolles Konzert, sagt das Bauchgefühl!

Und es war besser als damals in den 90ern, sagt meine Konzertbegleitung!



[Update 13.06.] Ich habe diesen Bericht bewußt unmittelbar nach Heimkehr geschrieben, um die frischen Erlebnisse festhalten zu können. Oft ist das zwar nett, aber nicht zwangsläufig anders als am nächsten Tag, bei Konzerten wie diesem schadet großen Drübernachdenken hinterher dem Berichten aber enorm. Ich habe aber einiges vergessen heute morgen um zwei.

Die Stone Roses und ihr gleichnamiges Debütalbum sind grandios und wichtig, für mich waren die Stone Roses aber nie die Nummer eins Band. In ihrer großen Zeit waren mir James und die Charlatans, später Oasis wichtiger. Als es mit der Reunion ernst wurde, musste ich sie natürlich trotzdem sehen, dafür bot sich das Konzert in Amsterdam an. Nachmittags hin, da übernachten und am anderen Tag zurück war der Plan. In gleichem Maße wie der Termin näherkam, sank die Lust. Ich hatte die Stone Roses in den 90er nie gesehen, aber vieles über ihre Livequalitäten gehört. Dafür nach Amsterdam fahren? Hmmm.

Am Wochende kam dann aus heiterem Himmel doch plötzlich geballte Vorfreude, und plötzlich erschien doch alles unglaublich sinnvoll, wir standen also um kurz nach sieben auf einem Platz zwischen der Amsterdam ArenA (Heimat von Ajax), einem Shoppingcenter, vieler Bürohäuser und der Heineken Music Hall. Auf dem Platz war zwar viel los, zum Konzert schienen aber die wenigsten gehen zu wollen. Im Foyer der Music Hall überraschte erst einmal die hochmoderne Gestaltung. Von dieser Sorte Konzerthäuser gibt es in Frankreich und den Benelux Staaten so viele, uns fehlt leider offenbar der Sinn für solche Einrichtungen, in Deutschland finden Konzerte daher gerne in der Stadthalle Neu Isenburg mit ihrem Modelleisenbahnausstellungs-Flair statt.

Der große Saal, der 5.500 Zuschauer aufnehmen können soll, ist perfekt für Konzerte. Die Grundfläche schien annähernd quadratisch zu sein. An der der Bühne gegenüber liegenden Seite befinden sich zwei Tribünen-Etagen, die Technik ist auf zwei Balkonen rechts und links untergebracht.

Es sollte keine Vorgruppe geben (das war ein weiteres Argument für den Ausflug), stattdessen lief Musik vom Band - vermutlich ein auf Zufall eingestellter iPod. Die Sexpistols, Elektrobeat und 60's Pop unmittelbar nacheinander, waren etwas anstrengend. Wir hatten mit einem Beginn um 20.45 oder 21.00 h gerechnet, es wurde etwas später. Bis dahin war unser Platz vorne rechts, nicht zu weit in der Mitte dicht gedrängt von Engländern und zwei, drei Einheimischen. Vor allem die Briten mußten offenbar nicht mehr fahren und hatten durchschnittlich drei Bierbecher auf Vorrat in der Hand. Um 21.15 h kam die Band auf die Bühne: Ian Brown in schwarzem Kung-Fu-Club T-Shirt und Jeans mit Glitzerapplikationen (die hat hoffentlich seine Freundin ausgesucht!), Bassist Mani mit Blumenhemd und seeligem Lächeln, Gitarrist John Squire mit Chris Norman Frisur und dem jüngsten Aussehen. Schlagzeuger Reni saß hinter seinen beiden Bassdrums und einem Plexiglaskäfig und war kaum auszumachen.

Daß I wanna be adored Opener sein würde, war nicht überraschend, damit hatte die Band alle drei Konzerte bisher begonnen. Das Stück zeigte die Marschroute der kommenden anderhalb Stunden: Hymnen, die alle mitschmettern, drei begnadete Musiker, die zu den besten ihrer Sorte zählen und ein Sänger, der mit einem Gang über die Bühne schreitet, den man sonst nur bei Reality Dokus bei RTL2 sieht. Daß Ian trotz seines schiefen Gesangs mitverantwortlich für so viele großartige Songs ist, ist ein großer Glücksfall. Man mag sich nicht ausrechnen, wie sein Leben ohne die Musik verlaufen wäre, nimmt man nur sein Auftreten auf der Bühne als Vorlage.

Irgendwann, vielleicht nach Mersey paradise, das ich sehr mag, wurde das Konzert lahmer. Das war aber nicht weiter schlimm, weil es genug zu sehen gab. Und jeder im Saal wusste ja, daß noch große Knaller kommen würden. Auch die irre in die Länge gezogenen Songs in der Mitte gehörten eben dazu. Man kann Fools gold sicher auch gestraffter spielen. Aber es gibt ja auch Menschen, die auf lange Gitarrensoli stehen - warum auch immer - die kamen sehr auf ihre Kosten!

Mit Waterfall begann die stärkste Phase des Abends. Vorne war es mittlerweile knallvoll - an Menschen und die Menschen aber auch das war weniger schlimm als ich das schon erlebt habe, es hat noch nicht mal jemand sich den Weg zur Toilette gespart und den leeren Bierbecher benutzt, es war also gesittet.

Mit This is the one, She bangs the drums, Made of stone und Love spreads boten die Roses ein Finale, das besser nicht sein konnte!

Und dann kam das Ende, über das sie heute alle berichten. Der Pete-Doherty Moment. Es war sehr schnell klar, daß Ian wirklich keinen Spaß machte. Das Licht ging an, die Band verschwand. Wir brachen wegen der weiten Rückreise auch auf. Von randalierenden Zuschauern war bis dahin nichts zu sehen. Natürlich flogen gegen Ende ein paar volle Bierbecher nach vorne. Das ist aber nicht Zeichen von Frust, das ist englische Konzertfolklore. Im Vergleich zu den bisherigen Konzerten haben wir für unsere 50 € viel geboten bekommen. Wegen der fehlenden Zugabe also durchdrehen? Unsinnig! Dafür hatten wir ja noch Ians Schlußworte. Und ein Konzert, das auch einen halben Tag später noch unterm Strich fabelhaft war.

Setlist The Stone Roses, Heineken Music Hall, Amsterdam:

01: I wanna be adored
02: Sally Cinnamon
03: Mersey paradise
04: (Song for my) sugar spun sister
05: Where angels play
06: Shoot you down
07: Fools gold
08: Tightrope
09: Ten storey love song
10: Waterfall
11: Don't stop
12: This is the one
13: She bangs the drums
14: Made of stone
15: Love spreads

Links:

- mehr Fotos vom Konzert




3 Kommentare :

Unknown hat gesagt…

Ich liebe dieses anstrengende Publikum :-)

Christoph hat gesagt…

Wie durch ein Wunder habe ich keins der 6er Biertabletts, die dauernd irgendwo über mir hingen abbekommen, also war das ok. Und die beiden stiernackigen Man Utd Hools neben mir, waren auch sehr viel harmloser, als sie aussahen.Zur Not hätte ich auf meinen Konzertbegleiter verwiesen, der mag nämlich City.

Frank hat gesagt…

... was fussballerisch durchaus die bessere Wahl ist!!!

 

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