Konzert: Babyshambles & Blood Red Shoes
Ort: Miles Davis Hall, Montreux Jazz Festival, Schweiz
Datum: 15.07.2008
Zuschauer: 1.800 (ausverkauft)
Dauer: Blood Red Shoes 40 min, Babyshambles 60 min
"Ich fahre zum Montreux Jazz Festival", macht unglaublich Eindruck, habe ich festgestellt. Nicht wegen der mondänen Stadt am Genfer See, sondern weil ein Jazz Festival wahnsinnig kultiviert klingt. Daß "kultiviert" nicht das erste Adjektiv ist, das man mit Bands wie den Babyshambles oder den Blood Red Shoes verbindet, änderte nichts an meiner Vorfreude. Mit dem klassischen New Orleans- oder seinem Stiefsohn Free Jazz tue ich mich musikalisch eh schwer. Hätte das weltberühmte Festival seinen Horizont vor Jahren nicht so weit geöffnet (wie ich es offenbar nicht geschafft hätte) und Rock-Bands eingeladen, wäre ich nie auf die Idee gekommen, Konzerte in Montreux zu sehen.
Die beiden Tage in der Miles Davis Hall mit Interpol, The National, The Kissaway Trail und vorher den Babyshambles und den Blood Red Shoes waren wie für mich gemacht und liessen keine Sekunde Nachdenken zu, ob die Schweiz eine Reise wert wäre.
So rechte Vorstellungen, wie das Festival sein würde, hatten wir nicht. Wegen der abgeschlossenen Tagesprogramme hatte ich nicht richtig damit gerechnet, daß außerhalb der Konzerte viel los wäre - eine kapitale Fehleinschätzung. Also wir vom Casino zur Konzerthalle gingen, sahen wir, daß überall die Hölle los war. Das Festival schien in erster Linie ein niveauvolles Volksfest zu sein, mit vielen Essen- und Getränkebüdchen an der Seepromenade, mit Musik, wo immer man hinkam und mit Besuchern aus aller Welt - obwohl die wenigsten von denen am Abend zu den beiden Haupt-Konzertorten gingen.
Im Gegensatz zu Interpol und The National am zweiten Tag war das erste Konzert schon im Vorfeld restlos ausverkauft. Pete Doherty wirkte offenbar verkaufsfördernd, das erste, was wir im Saal feststellten war nämlich, daß die Blood Red Shoes offensichtlich kaum jemand kannte.
Und während wir da so standen, den schönen und echten Konzertsaal auf uns wirkem liessen und Einsätze für die Wette überlegen wollten, ob und wann Pete kommt, hatte das englische Enfant Terrible seinen ersten Auftritt. Unmittelbar vor den Blood Red Shoes ging der Babyshambles-Sänger einmal von rechts nach links über die Bühne - und zurück, so als wolle er zeigen: ich bin da, ihr blöden Zweifler! Souverän!
Das Grinsen noch im Gesicht galt dann meine Aufmerksamkeit aber sofort dem jungen Duo aus Brighton. Ich hatte die beiden Blood Red Shoes schließlich nicht zufällig bereits dreimal vorher gesehen.
Und auch in Montreux gaben sich Laura-Mary und Steven so, wie ich sie lieben gelernt hatte: sie legten sofort laut und voller Energie los, als gelte es, noch auf der französischen Seite des Genfer Sees zu hören zu sein. Vorher nur noch ein schnelles "We're not much of a Jazz band" und dann Krach. Und es sollte sich lohnen, für mich - aber vor allem für die beiden Musiker. Denn obwohl ganz eindeutig alle Zuschauer wegen der Hauptgruppe da waren, hatten die Blood Red Shoes sofort viele Schweizer Herzen erobert.
Wie üblich waren die 40 Minuten viel zu schnell vorbei. In den kurzen Auftritt packten die beiden Engländer aber neben ihren vielen Hits wie "It's getting boring by the sea", "Try harder", "Say nothing say anything" oder "I wish I was someone better" auch eine Überraschung, nämlich die B-Seite "How to pass the time" von "You bring me down". Als der Auftritt mit "ADHD", in die Ecke geknallter Gitarre und umgeschmissenem Schlagzeug geendet hatte, fragte mich ein Mann neben mir: "Wie hießen die? Das war ja großartig!" Blood Red Shoes heißen die. Und sie sind immer so!
Setlist Blood Red Shoes, Montreux Jazz Festival, Montreux:Die beiden Tage in der Miles Davis Hall mit Interpol, The National, The Kissaway Trail und vorher den Babyshambles und den Blood Red Shoes waren wie für mich gemacht und liessen keine Sekunde Nachdenken zu, ob die Schweiz eine Reise wert wäre.
So rechte Vorstellungen, wie das Festival sein würde, hatten wir nicht. Wegen der abgeschlossenen Tagesprogramme hatte ich nicht richtig damit gerechnet, daß außerhalb der Konzerte viel los wäre - eine kapitale Fehleinschätzung. Also wir vom Casino zur Konzerthalle gingen, sahen wir, daß überall die Hölle los war. Das Festival schien in erster Linie ein niveauvolles Volksfest zu sein, mit vielen Essen- und Getränkebüdchen an der Seepromenade, mit Musik, wo immer man hinkam und mit Besuchern aus aller Welt - obwohl die wenigsten von denen am Abend zu den beiden Haupt-Konzertorten gingen.
Im Gegensatz zu Interpol und The National am zweiten Tag war das erste Konzert schon im Vorfeld restlos ausverkauft. Pete Doherty wirkte offenbar verkaufsfördernd, das erste, was wir im Saal feststellten war nämlich, daß die Blood Red Shoes offensichtlich kaum jemand kannte.
Und während wir da so standen, den schönen und echten Konzertsaal auf uns wirkem liessen und Einsätze für die Wette überlegen wollten, ob und wann Pete kommt, hatte das englische Enfant Terrible seinen ersten Auftritt. Unmittelbar vor den Blood Red Shoes ging der Babyshambles-Sänger einmal von rechts nach links über die Bühne - und zurück, so als wolle er zeigen: ich bin da, ihr blöden Zweifler! Souverän!
Das Grinsen noch im Gesicht galt dann meine Aufmerksamkeit aber sofort dem jungen Duo aus Brighton. Ich hatte die beiden Blood Red Shoes schließlich nicht zufällig bereits dreimal vorher gesehen.
Und auch in Montreux gaben sich Laura-Mary und Steven so, wie ich sie lieben gelernt hatte: sie legten sofort laut und voller Energie los, als gelte es, noch auf der französischen Seite des Genfer Sees zu hören zu sein. Vorher nur noch ein schnelles "We're not much of a Jazz band" und dann Krach. Und es sollte sich lohnen, für mich - aber vor allem für die beiden Musiker. Denn obwohl ganz eindeutig alle Zuschauer wegen der Hauptgruppe da waren, hatten die Blood Red Shoes sofort viele Schweizer Herzen erobert.
Wie üblich waren die 40 Minuten viel zu schnell vorbei. In den kurzen Auftritt packten die beiden Engländer aber neben ihren vielen Hits wie "It's getting boring by the sea", "Try harder", "Say nothing say anything" oder "I wish I was someone better" auch eine Überraschung, nämlich die B-Seite "How to pass the time" von "You bring me down". Als der Auftritt mit "ADHD", in die Ecke geknallter Gitarre und umgeschmissenem Schlagzeug geendet hatte, fragte mich ein Mann neben mir: "Wie hießen die? Das war ja großartig!" Blood Red Shoes heißen die. Und sie sind immer so!
01: It's getting boring by the sea
02: You bring me down
03: How to pass the time
04: Doesn't matter much
05: Forgive nothing
06: Try harder
07: Say nothing say anything
08: This is not for you
09: I wish I was someone better
10: ADHD
Um zehn vor zehn erlebte ich dann wirklich meinen zweiten Auftritt der Babyshambles im achten Anlauf. Nach seinen Bandmitgliedern erschien Pete Doherty ohne irgendwelche Allüren, wie üblich mit Hut und in guter Form, warf uns ein "Hello Jazz fans!" zu und begann mit "Delivery", einem der großen Hits der Band. Hätte Pete Doherty ein anderes Image, wäre "Delivery" sicher ein viel bekannteres Lied, denn der Song ist immer wieder ein riesiger Knaller. Aber leider spielt die Musik rund um die Babyshambles nicht die Hauptrolle; das Hoffen auf Skandale und Ausfälle, die Steilvorlagen, die Pete dafür liefert, all die Schlampigkeiten lenken immer wieder davon ab, was für ein begnadetes Musiktalent der Engländer ist. In Montreux schienen die, die wegen der Hoffnung auf einen Skandal da waren, allerdings deutlich in der Unterzahl zu sein. Ich bemerkte jedenfalls nur echte Begeisterung um mich rum, alle kannten die Songtexte, sangen mit, feierten schon jeweils nach den ersten Akkorden das nächste Stück.
Nach dem fulminanten "Delivery"-Auftakt folgten mit "Baddie's Boogie" und "Carry on up the morning" von "Shotter's Nation", sowie "Beg, steal or borrow" von der glänzenden "Blinding-EP" weitere Lieder, die die Babyshambles wohl immer am Beginn eines Konzerts spielen. Danach wurde es anders. Der nicht-Album-Titel "The whole world is our playground" (der sich auf einem Bootleg von 2003 befindet) war mir neu. Eine weitere Sache, die man Pete and the Shambles hoch anrechnen kann... Die Band variiert ihre Sets, spielt alte Perlen, oft neue Stücke und produziert keine gleichen Konzerte - wenn sie denn auftritt.
Das restliche, sehr kurzweilige Konzert bestand hauptsächlich aus Liedern der beiden Alben, etwa zu gleichen Teilen. Wie schon in Köln spielten die Babyshambles aber auch "Sedative" und "The blinding" von der gleichnamigen EP. Komplettiert wurde das Set von "What Katie did" und einem Instrumentalstück vor "The blinding", das mehr als nur Intromusik war. Vielleicht war das das von Oliver in Paris einmal identifizierte "Babyshambles".
Pete war in guter Form. Man merkte ihm zwar an, daß er nicht nüchtern war, die Lieder waren aber alle bestmöglich vorgetragen. Besser als in Montreux wird man die Babyshambles nicht erleben können, das Konzert hatte sich also für alle, die wegen der Musik da waren vollkommen gelohnt. Pete Doherty las zwischendurch einmal einen Brief, den ein Fan (eine Fanin) im zugeworfen hatte, mal kickte der Krefeld Fan eine leere Plastikflasche über die Bühne und zeigte dabei viel Ballgefühl. Was es nicht gab waren Skandale, Aussetzer, oder ein verfrühter Abbruch wegen Magenschmerzen (er trankt diesmal aber auch keine "Apfelschorle") - es fehlten aber auch alle Zugaben...
Auf dem Zeitplan, der im Festivalcenter auslag, stand im Gegensatz zu allen anderen Künstlern "open end" als Schlußuhrzeit. "I dedicate this song to Daniel, a friend of us. He died last week and he was buried yesterday." Dabei öffnete Pete sichtbar berührt eine Champagner Flasche, bevor er "Fuck forever" anstimmte. Getragen war die Version des Hits von "Down in Albion" dann allerdings nicht. Zu den lauten schnellen Klängen des Lieds verspritzte Pete den Champagner, schmiss am Ende die Mikros weg, trat den riesigen Boxenturm um und verschwand. Auch wenn das Chaos wieder aufgebaut wurde, war eigentlich klar, daß die Band nicht mehr erscheinen würde, obwohl die Offiziellen damit rechneten.
Ein wirklich guter Konzertabend, den das Montreux Jazz Festival da geboten hatte. Gar keine Frage, daß die Entscheidung richtig war, die lange Reise wegen der beiden Abende mit fünf guten Bands aufzunehmen. Was häufig zu kurz kommt, möchte ich hier aber auch einmal tun: nämlich das Publikum loben! Also das in Köln, denn in Montreux war es schon teilweise sehr nervig. Rempelnde und vollkommen rücksichtslose Frauen, die Pete nah sein wollten, teilweise unfassbar betrunken oder was auch immer, haben ganz kräftig genervt. Von den Leuten in den ersten beiden Reihen (die habe ich vor mir beobachten können) guckten die meisten das Konzert übrigens lustigerweise nicht auf der Bühne, sondern größtenteils auf den beiden Videoleinwänden. Eine Art indirektes Erleben. Dann hätte man sich aber eigentlich auch nicht ohne Rücksicht auf Verluste nach vorne prügeln müssen...
Setlist Babyshambles, Montreux Jazz Festival, Montreux:Nach dem fulminanten "Delivery"-Auftakt folgten mit "Baddie's Boogie" und "Carry on up the morning" von "Shotter's Nation", sowie "Beg, steal or borrow" von der glänzenden "Blinding-EP" weitere Lieder, die die Babyshambles wohl immer am Beginn eines Konzerts spielen. Danach wurde es anders. Der nicht-Album-Titel "The whole world is our playground" (der sich auf einem Bootleg von 2003 befindet) war mir neu. Eine weitere Sache, die man Pete and the Shambles hoch anrechnen kann... Die Band variiert ihre Sets, spielt alte Perlen, oft neue Stücke und produziert keine gleichen Konzerte - wenn sie denn auftritt.
Das restliche, sehr kurzweilige Konzert bestand hauptsächlich aus Liedern der beiden Alben, etwa zu gleichen Teilen. Wie schon in Köln spielten die Babyshambles aber auch "Sedative" und "The blinding" von der gleichnamigen EP. Komplettiert wurde das Set von "What Katie did" und einem Instrumentalstück vor "The blinding", das mehr als nur Intromusik war. Vielleicht war das das von Oliver in Paris einmal identifizierte "Babyshambles".
Pete war in guter Form. Man merkte ihm zwar an, daß er nicht nüchtern war, die Lieder waren aber alle bestmöglich vorgetragen. Besser als in Montreux wird man die Babyshambles nicht erleben können, das Konzert hatte sich also für alle, die wegen der Musik da waren vollkommen gelohnt. Pete Doherty las zwischendurch einmal einen Brief, den ein Fan (eine Fanin) im zugeworfen hatte, mal kickte der Krefeld Fan eine leere Plastikflasche über die Bühne und zeigte dabei viel Ballgefühl. Was es nicht gab waren Skandale, Aussetzer, oder ein verfrühter Abbruch wegen Magenschmerzen (er trankt diesmal aber auch keine "Apfelschorle") - es fehlten aber auch alle Zugaben...
Auf dem Zeitplan, der im Festivalcenter auslag, stand im Gegensatz zu allen anderen Künstlern "open end" als Schlußuhrzeit. "I dedicate this song to Daniel, a friend of us. He died last week and he was buried yesterday." Dabei öffnete Pete sichtbar berührt eine Champagner Flasche, bevor er "Fuck forever" anstimmte. Getragen war die Version des Hits von "Down in Albion" dann allerdings nicht. Zu den lauten schnellen Klängen des Lieds verspritzte Pete den Champagner, schmiss am Ende die Mikros weg, trat den riesigen Boxenturm um und verschwand. Auch wenn das Chaos wieder aufgebaut wurde, war eigentlich klar, daß die Band nicht mehr erscheinen würde, obwohl die Offiziellen damit rechneten.
Ein wirklich guter Konzertabend, den das Montreux Jazz Festival da geboten hatte. Gar keine Frage, daß die Entscheidung richtig war, die lange Reise wegen der beiden Abende mit fünf guten Bands aufzunehmen. Was häufig zu kurz kommt, möchte ich hier aber auch einmal tun: nämlich das Publikum loben! Also das in Köln, denn in Montreux war es schon teilweise sehr nervig. Rempelnde und vollkommen rücksichtslose Frauen, die Pete nah sein wollten, teilweise unfassbar betrunken oder was auch immer, haben ganz kräftig genervt. Von den Leuten in den ersten beiden Reihen (die habe ich vor mir beobachten können) guckten die meisten das Konzert übrigens lustigerweise nicht auf der Bühne, sondern größtenteils auf den beiden Videoleinwänden. Eine Art indirektes Erleben. Dann hätte man sich aber eigentlich auch nicht ohne Rücksicht auf Verluste nach vorne prügeln müssen...
01: Delivery
02: Carry on up the morning
03: Beg, steal or borrow
04: Baddie's Boogie
05: The whole world is our playground
06: Killamangiro
07: Sedative
08: Pipedown
09: What Katie did
10: There she goes
11: Side of the road
12: Back from the dead
13: Babyshambles (?)
14: The blinding
15: Albion
16: Fuck forever
Links:
aus unserem Archiv:
- Blood Red Shoes, Evreux, 28.06.08
- Blood Red Shoes, Berlin, 06.05.08
- Blood Red Shoes, Köln, 28.04.08
- Blood Red Shoes, Paris, 09.11.07
- Blood Red Shoes, Köln, 16.10.07
- Blood Red Shoes, Paris, 08.06.07
- Blood Red Shoes, Paris, 08. und 09.06.07
- Blood Red Shoes, Paris, 06.03.07
- Blood Red Shoes, Köln, 11.03.07
- und:
- Babyshambles, Paris, 04.02.08
- Babyshambles, Köln, 22.01.08
- Babyshambles, Paris, 14.01.08
- Babyshambles, Paris, 18.10.07
- Babyshambles, Paris, 14.11.06
- mehr Fotos von diesem Abend beim Montreux Jazz Festival
Ein Interview mit Laura-Mary von den Blood Red Shoes sowie ein Bericht vom Auftritt des Duos beim Melt! Festival folgen ganz schnell hier!
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