Dienstag, 15. Januar 2008

Babyshambles, Paris, 14.01.08


Konzert: Babyshambles
Ort: L'Olympia, Paris
Datum: 14.01.2008
Zuschauer: ausverkauft? : gute Frage, auf jeden Fall war es ziemlich voll.


Kommt er, oder kommt er nicht? Das ist bei einer ziemlich labilen Persönlichkeit wie Pete Doherty immer die Frage. Unmittelbar danach rätselt man natürlich weiter, ob er denn im Falle seines Erscheines auch in anprechender Form sein wird.

Zunächst einmal: Pete war da und zwar auch recht pünktlich! Die Pariser Luft (oder vielmehr das einheimische Bier?) scheint ihm zu bekommen, mir ist keine Absage von früherer Zeit bekannt. Im Frühjahr 2006, in einer seiner schlimmsten Phasen, kreuzte er zwar mit erheblicher Verspätung im Bataclan auf (23 Uhr Ortszeit), spielte aber dann ein recht ordentliches Konzert. Und im November 2006 setzte er sogar im Elysée Montmartre ein kleines Glanzlicht beim Festival des Inrocks, Gastauftritt von Kate Moss inklusive.

Heute nun gingen um 21 Uhr 15 die Lichter aus und die Show konnte beginnen. Zuvor hatten die Pariser Jungspunde der Band Second Sex die Ehre, für die Babyshambles eröffnen zu dürfen und die Grünschnäbel machten ihre Sache auch recht gut.

Schließlich wollten sie zeigen, daß sie zu Recht als Vorgruppe ausgewählt wurden. In Paris gibt es zur Zeit etliche junge Bands, die auf den Spuren der Libertines bzw. Babyshambles wandeln und als Support in Frage gekommen wären (man spricht in diesem Zusammenhang von den sogenannten Babyrockern). Mit Sicherheit hätten auch die jungen Kollegen, als da wären The Parisians, BB Brunes, The Tatianas, oder Naast gerne die Chance bekommen, sich vor einem großen Publikum zu präsentieren. Oder auch die Mädels von Plastiscines, die haben sich schließlich auf einem Konzert der...Libertines kennengelernt und daraufhin ihre Band gegründet! Ihnen allen blieb aber nur die Zuschauerrolle.

Die vier Typen von Second Sex hingegen, genoßen es sichtlich, sich ein wenig wie "richtige" Stars zu fühlen. Die entsprechenden Rockerposen haben sie schon drauf, auch ihre Skinny-Jeans und die engen Lederjacken sitzen perfekt. Und Girlies, die auf sie stehen, gab es im Publikum auch zu Hauf. Ob die jungen Dinger aber auch so weit gehen würden, Second Sex die Schuhe zu lecken, wie es die smarten Pariser Musiker in ihrem bisher größten Hit "Lick My Boots" fordern? Das kommt wohl darauf an, wie devot veranlagt die Sechzehnjährigen heutzutage sind. Zumindest aber küsst ihnen der Chefredakteur der Zeitschrift Rock & Folk, Philippe Manoeuvre, die Füße, denn es gibt kaum eine Ausgabe, in denen die jungen Pariser Garagenrocker, wie immer sie auch heißen mögen, nicht über den grünen Klee gelobt werden. Ob das nicht ein bißchen übertrieben ist, will ich mal dahingestellt sein lassen, denn ihren Zweck haben Second Sex erfüllt. In einem schwungvollen, 9 Stücke umfassenden Set, haben sie den Fuß nie vom Gaspedal genommen und das Publikum ordentlich aufgewärmt. Bestes Stück? Klar, das abschließende "Lick My Boots". Aber auch Love's Gone Bad" war nicht übel.

Setlist Second Sex, Paris Olympia:

01: Le Monde Est Silencieux
02: Love's Gone Bad
03: Baby Doo
04: Dis Moi Qui Je Suis
05: I'm Ready
06: J'ai couché Avec le Diable (ich habe mit dem Teufel geschlafen, ein lustiger Titel, oder?)
07: Mon autre coté
08: Fille Facile
09: Lick My Boots

Danach war das übliche tröge Rumstehen angesagt. Meine Befürchtung, noch eine ganze Weile Löcher in die Luft zu gucken, traf aber zum Glück nicht ein. Das Gekreische der jungen Frauen war ohrenbetäubend, als die Lichter schließlich erloschen und Pete und seine Bande vom Scheinwerferlicht angestrahlt wurden. Jeder guckte genau hin. Welchen Eindruck macht er? Wie bewegt er sich? Wie sieht er aus? - Nun, seine Körpersprache war schon einmal positiv. Er war flott zu Fuß, energiegeladen und hatte im Vergleich zum Ende letzten Jahres wieder deutlich abgenommen. Sein Gesicht schien deutlich weniger aufgedunsen, als noch bei seinen Pariser Radiokonzerten vom November 2007. Auch der Sound, der aus den Boxen drang, ließ nichts zu Wünschen übrig. Aber was war das jetzt? "It's not easy, it was not eas-ehey" hatten zahlreiche Münder gutgelaunt mitgesungen, als Pete plötzlich abrupt abbrach. Er brabbelte irgend etwas vor sich, das nach "Ich verstehe nix, der Sound stimmt nicht" klang. Kurze Beratung innerhalb der Band, Tontechniker laufen durch die Gegend und dann ging es auch schon weiter. Anstatt das erste Stück noch einmal wiederaufzugreifen, wird prompt und erstaunlich früh "Delivery" geschmettert. Wieder erfasst eine Woge der Begeisterung die ersten Reihen. Kein Wunder, "Delivery" könnte auch gut und gerne "Direct Hit" heißen (ein Augenzwinkern geht Richtung Art Brut), so eingängig und packend ist dieser Smasher. Aber leider, leider wird auch hier wieder nach ein paar Takten abgebrochen. Ähnliche Szenen wie zuvor spielen sich ab. Leichte Ratlosigkeit im Publikum, aber in motorischer Hinsicht ist Mister Doherty in zu stabiler Verfassung, als daß man sich ernsthaft Sorgen machen müßte. Er hat nicht etwa den Text vergessen, oder ist zu zugedröhnt, um seine Titel zu spielen, lediglich der Sound gefällt ihm irgendwie nicht. Komisch, mir war nichts aufgefallen, aber sei es drum. Vielleicht war es auch nur eine Rockstareinlage? Ein inszenierter Gag? Wie auch immer, irgendwie war das gleichzeitig genial und peinlich, auf jeden Fall nahe dran am ursprünglichen Esprit des Punk, der nun einmal eine chaotische Musikbewegung war (und ist). Kurze Zeit später klappt dann "Delivery" beim zweiten Anlauf besser. Allerdings hat man hier schon einen Vorgeschmack darauf bekommen, was in der Folge immer wieder etwas die Laune verderben wird. Es gibt häufiger Leerläufe im Set, selten wird die Spannung mal über mehrere Lieder gehalten. Das ist schade, denn oft hat man den Eindruck, daß der Funke gerade dabei ist, vollends auf das Publikum überzuspringen. Bei "Baddies Boogie" zum Beispiel geht ordentlich die Post ab, aber mit "Unstookie Titled" wird gleich im Anschluß wieder ein langsamerer Gang eingelegt. Allerdings berührt mich gerade dieser leicht melancholische Titel fast am Meisten. Wunderbar ist hierbei vor allem das feingliedrige Gitarrenspiel von Leadgitarrist Mick Whitnall. Überhaupt ist dieser Kerl irgendwie der Coolste. Genau wie Pete mit dem typischen kleinen Hütchen auf der Rübe ausgestattet(Herr Doherty legte es allerdings im Gegensatz zu ihm genau wie seinen Mantel recht schnell ab), verzieht er während des gesamten Gigs kaum eine Miene, auch dann nicht als ihm eine aus dem Publikum zugeworfene Krawatte im Leoparden (!)-Muster um das Mikro gebunden wird. Zwischendurch streckt er auch mal den Leuten die Zunge raus, wenn ihm danach ist. Er hat halt eben den Schalk im Nacken. Das gefällt mir. Ich mag den nicht mehr ganz jungen Musiker (geboren 1968) von nun an gerne und mir wird bewußt, daß die Babyshambles eine Band sind und nicht nur ein Synonym für Pete Doherty. Auch der irische Bassit Drew McConell ist durchaus aktiv und nicht nur ein Instrumentenhalter. Drummer Adam Ficek bleibt naturgemäß im Hintergrund, spielt aber seinen Part ebenfalls gut.

Zu der eben erwähnten Leopardenkrawatte gesellen sich übrigens auch noch andere zugeworfene "Teile". Das witzigste Accessoire hat sich der Chef selbst gekrallt. Es handelt sich um einen fleischfarbenen BH, der circa. von der Mitte des Konzerts an am Mikro des Ex-Libertines baumelt. Scheint eine Gewohnheit bei Babyshambles - Gigs zu sein. Aus dem Jahre 2006 erinnere ich mich auch noch an Schals, Fahnen, etc., die nach vorne flogen.

Zurück zur Musik. Da besticht hinsichtlich der Titel insbesondere die erste Single "Killamangiro". "Why would you pay to see me in cage?" Gute Frage, Pete! Anstatt im Käfig (oder Gefängnis) sehe ich Dich lieber in Freiheit und auf der Bühne. Besonders, wenn ein solches Stück dermaßen fetzig und mit vollem Einsatz gespielt wird, wie dieser alte Knüller. Keine Frage, das Konzert erlebt in diesem Moment seinen Höhepunkt. Schade, daß nicht durchgängig diese Begeisterung gehalten werden kann. Das Gequalme der Musiker zwischen den Stücken (während die Raucher im Publikum ihre Sucht wegen des neuen Gesetzes unterdrücken müssen), spielt dabei auch eine gewisse Rolle. Der Schwung kann dadurch nie ganz gehalten werden. "Back To The Dead" und vor allem "Pipedown" räumen aber noch einmal ordentlich ab. Wir scheinen uns dem Ende zu nähern. Untrügliches Zeichen hierfür: Pete hat seinen Trenchcoat wieder angzogen und auch sein Hütchen sitzt wieder auf seinem rundlichenKöpfchen, als "Fuck Forever" angestimmt wird. Kurz zuvor gab es auch noch eine Szene, in der der großgewachsene Mann sein Mikro runierte. Ob er zuviel Gewalt angwendet hatte, oder das Ding einfach unglücklich aufgeschlagen war, konnte ich leider nicht erkennen. Irgendwie hat man aber den Eindruck, daß der Meister leicht genervt ist. Und vielleicht entsprach dies auch den Tatsachen, denn als die letzte Note von dem Lied mit dem gelungenen Titel verklungen ist, geht das Licht aus und auch nicht wieder an. Eine Zugabe gibt es schlicht und einfach nicht! Schade, schade, etwas mehr Babyshambles live hätte ich schon vertragen können! Stattdessen bleiben ein paar zwiespältige Gefühle zurück. Ein ordentliches Konzert war es durchaus. Das zweifelsohne vorhandene Talent von Pete Doherty und seiner Band hätte man aber gerne durchgängiger und länger aufblitzen sehen.

Setlist, Babyshambles, Paris Olympia:

01: Carry On Up The Morning (in der Mitte abgebrochen wegen Soundproblemen)
02: Delivery (abgebrochen)
03: Delivery (wiederaufgenommen)
04: Beg, Steal Or Borrow
05: Pretty Sue (neu)
06: Baddies Boogie
07: Unstookie Titled
08: Side Of The Road
09: Unbilo Titled
10: Boy David (neu)
11: Babyshambles Instrumental (neu)
12: Killamangiro
13: There She Goes
14: You Talk
15: Albion
16: Back To The Dead
17: I Wish
18: What Katie Did
19: Pipedown
20: Fuck Forever

Keine Zugabe!

Konzertdauer (Babyshambles): 82 Minuten

Mehr Bilder von Pete Doherty und den Babyshambles hier



5 Kommentare :

E. hat gesagt…

ein konzerttipp für oliver, vor allem wegen der beteiligten rum tum tiddles(!):
http://dasklienicum.blogspot.com/2008/01/neue-tne-220-panchomatic.html
auf die shambles habe ich keinen bock, auch nach deinem schönen bericht nicht.

Anonym hat gesagt…

wer hätte das gedacht?
Pete liefert Mittelmaß ab.

Oliver Peel hat gesagt…

Ja, stimmt schon, Undertaper. Allerdings doch gehobenes Mittelmaß, auf einer Punkteskala bis 10 würde ich eine knappe 7 verteilen.

Anonym hat gesagt…

Also wenn die Jungs ganz solide ihren Gig abliefern sind die Leute auch nicht zufrieden?

Noch eine kleine Notiz am Rande. Also einen Zugabenteil im klassischen Sinne, will heissen kurz von der Bühne, dann tun alle überrascht und es gibt noch 3-4 Songs, haben die Babyshambles schon bei ihrer großen Uk Tour im November nicht gespielt. Also das war so schon alles in Ordnung bzw. lag nicht an der schlechten Laune wegen den Soundproblemen.

Oliver Peel hat gesagt…

@ Frenchdog:

Als Fan hofft man natürlich auf Zugaben und ein paar gute Songs fehlten ja auch (z.B. "The Blinding", oder "French Dog Blues", stimmt's Frenchdog?).

Und ich habe nicht geschrieben, daß das Publikum, oder ich persönlich nicht zufrieden waren. Man hatte jedoch das Gefühl, daß da noch ein bißchen mehr drin war.

Aber wir bleiben den Shambles auf den Fersen. Am 4 Februar im Zénith werden wir erneut hier berichten und heute sah ich auch, daß die Babyshambles für den Printemps de Bourges im April vorgesehen sind!

 

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