Konzert: Locas In Love Wintergala
Datum: 09.12.2012
Ort: Stadtgarten, Köln
Zuschauer: vielleicht 250 (voll, vermutlich ausverkauft)
Dauer: Locas In Love 120 min, Rockaway Shanty Chor gut 20 min
Wenn eine Band sich enorm viel Mühe gibt, "ihr Hobby"* anderen nicht bloß vorzuspielen, sondern sich dafür einen besonderen Rahmen ausdenkt, ist es beruhigend, wenn dies auch angenommen wird, der Saal also voll ist. Locas In Love ist eine Band, die Konzerte aus Fansicht gestaltet und daraus immer wieder enorm liebevolle Abende macht. Als ich um kurz vor acht am Stadtgarten ankam, deutete allerdings nichts darauf hin, daß auch ihre diesjährige Wintergala diese Mühen lohnen würde. Keine zwanzig Leute warteten im strömenden Regen auf den Einlaß, obwohl das Programm früh beginnen sollte. Na toll.
Es fing rumpelig an, die Tür zum Stadtgarten wurde spät geöffnet, obwohl es draußen nicht nur nass sondern auch kalt war, ein typischer rheinischer Winterabend eben. Als wir im Foyer angekommen waren, standen wir vor der nächsten verschlossenen Tür, auch der Konzertsaal war noch tabu. Ein wenig galahafter Beginn, das Team des Stadtgarten schien ein wenig überfordert.
Als wir um kurz vor halb neun in den bestuhlten Saal durften, übernahm Locas in Form von Manager Benjamin und bat, Stühle einzunehmen, sofort aber wieder ins Foyer zu gehen, weil da das Vorprogramm beginnen sollte.
Den Rockaway Shanty Chor, der sich im Vorraum aufgebaut hatte, hatte ich im vergangenen Oktober auch als Locas-Support erlebt. Die acht Musiker in Matrosenhemden singen ein Programm aus Seefahrerfolklore und umgetexteten Rock- und Punkliedern. Ich habe mit Matrosenromantik nichts am Hut (oder Käppi), mag aber diesen Chor enorm gerne! Aus Elvis' Viva Las Vegas wird ein geschmettertes Es lebe Ostfriesland oder aus dem scheußlichen Highway to hell Fahrwasser zur Hölle, das hat enorm viel Charme und macht sehr großen Spaß. Das abschließende Stück mit dem Refrain Kleine Möwe flieg zum Eigelstein war ein ganz besonderer Knüller! Dem Rockaway Shanty Chor hätte ich liebend gerne noch eine ganze Weile länger zugesehen!
Zurück im Saal dauerte es keine zehn Minuten, bis der Hauptteil der Gala begann. Es ist nicht lange her, daß ich die Kölner Band zuletzt gesehen habe, es war im Mai diesen Jahres in Wiesbaden. Aber es ging mir ja auch nicht um die großen Überraschungen, es ging mir um einen schönen Konzertabend in familiärer Umgebung.
Glücklicherweise war es nicht mehr so schrecklich familiär, als es losging. Der Saal war von einer Minute auf die andere voll geworden. Schön an Konzerten der Kölner ist aber, daß sie sich trotzdem so anfühlen, als spielten Björn, Stefanie, Saskia und Niklas vor einer Handvoll Freunde. Sänger Björn erklärt viele der Stücke, er tut dies aber so, wie man einem Gesprächspartner etwas sagt, nicht als Ansage, das ist toll! Als er das Konzert mit "wir sind eure Freunde" beendete oder sich dafür bedankte, daß wir ihr Hobby unterstützen, war dies keine Spur gekünstelt.
Das Programm hatte den Schwerpunkt Winter. Viele der Lieder stammen von der gleichnamigen Platte von 2008. Passend dazu lief im Bühnenhintergrund "Leichen pflastern seinen Weg" mit Klaus Kinski als Cowboy in einer Schneelandschaft. Manchmal gab das wundervolle Nebeneffekte: als bei der Zeile "das Licht am Ende des Tunnels ist ein Zug" Kinski in Nahaufnahme irre in den Konzertsaal blickte zum Beispiel, oder als beim vorletzten Stück der Abspann hinter den Musikern lief. Das hätte man kaum besser choreografieren können!
Der Abend war wirklich schön, ein paar Momente ragten aber heraus. Auto destruct, Über Nacht ist ein ganzer Wald gewachsen, Sachen (insbesondere der Bass!) und das neue Wer weiß, wer weiß, wer weiß, vielleicht, vielleicht, vielleicht waren die besten Stücke, die selbstgebackenen Plätzchen das beste (kostenlose) Merch des Jahres. Am meisten freuten mich aber die kleinen Umdichtungen, die irgendwie typisch für die Herangehensweise der Band an ihre Musik sind. Da hieß es bei Mabuse zum Beispiel plötzlich "dieses verdammte Rheinland..." Und die Zeile mit dem zugefrorenen Aachener Weiher in Wintersachen wurde angepasst, der war schließlich zwei Jahre vor dem Album gefroren, Björn sang also "vor sechs Jahren war der Aachener Weiher zugefroren."
So mag ich das. Ich brauche keine fliegenden Schlagzeuge oder 25 köpfige Tanzgruppen auf der Bühne. Lebkuchenkamele und solche kleinen Nettigkeiten machen ein Konzert besonders. Schön, daß das offenbar auch viele andere so sehen!
Setlist Locas In Love Wintergala, Stadtgarten, Köln:
01: Packeis
02: ?
03: Manifest
04: Eissturm
05: Über Nacht ist ein ganzer Wald gewachsen
06: Bushaltestelle
07: Maschine
08: Wer weiß, wer weiß, wer weiß, vielleicht, vielleicht, vielleicht (neu)
09: Wintersachen
10: ICE Wilson Bentley
11: Roder
12: Auto destruct
13: Sachen
14: Zum Beispiel ein Unfall
15: Monkey
16: Nein
17: Una questa
18: Mabuse
19: To get things straight
20: Egal wie weit
21: Eulen (Z)
22: Saurus (Z)
23: Spoiler warning (Z)
24: An den falschen Orten (Z)
Links:
- aus unserem Archiv:
- Locas In Love, Wiesbaden, 04.05.12
- Locas In Love, Köln, 02.10.11
- Locas In Love, Köln, 24.10.10
- Locas In Love, Köln, 30.11.08
- Locas In Love, Frankfurt, 20.10.07
- Locas In Love, Köln, 19.08.07
* laut Sänger Björn
1 Kommentare :
Danke für die schöne Beschreibung.
Die Nummer 2 auf Deiner Set-List hört meines Wissens (passenderweise) auf den schönen Namen "Neue Sachen"
Hier die Setlist:
http://www.pic-upload.de/view-17373996/Locas-in-Love---Setlist-Schorndorf-Dez-2012.jpg.html
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