Donnerstag, 6. Dezember 2012

On- 3 Festival mit Micachu And The Shapes & Lower Dens, München, 01.12.12



Konzert: Micachu And The Shapes, Lower Dens 
Ort: On-3 Festival, München
Datum: 01.12.2012

Bericht von Eike Klien. Erstveröffentlichung auf dem Klienicum
Archivfotos by Oliver Peel

Stealing Sheep hatten uns enthusiastisch enlassen, siehe Teil 2. Das on3 Festival 2012 fand einen gloriosen Einstieg. Was sollte da schon im Verlaufe passieren können? Unbill! Indem wir nämlich zu spät die richtige Entscheidung trafen, landeten wir in Schlangen, in denen sich nichts bewegte, also eher in Haufen Menschen, deren Ungeduld bald Bände füllen sollte. Einige wollten ihr Geld, andere holten sich die Jacken von der Garderobe zurück. Wir suchten Alternativen, denn das The Dope Konzert wurde zu einer geschlossenen Veranstaltung, die nachfolgende Fenster- Veranstaltung eh. Also entschieden wir uns für das Studio 2 und behielten uns vor, hier länger auszuharren. Mit exclusive ging das aber gar nicht, in Teil 1 hatten wir dies bereits begründet. 


Die Einkehr bei Micachu And The Shapes allerdings war die rechte Entscheidung. Die Band um Mica Levi begeisterte von der ersten Sekunde an. Das sorgsame Klangbild bastelte sich aus gerade mal einem Synthie (+ zusätzlichem kleinen Klangwerk), an dem Raisa Khan operierte, einem Schlagzeug mit Marc Pell dahinter und der E-Gitarre, die das androgyne Wesen umgeschnallt hatte. Heraus kam eine blendende Mischung aus Punkvergnügen, Popverliebtheit und der sorgsamen Variante des Experimentellen, die nie überbordend auftrat oder gegenläufig funktionierte. Während Raisa in ihr Gerät hackte, zerstob die Note unter dem Wirbel von Marc, die Physiognomie knautschend verlautbarte der Sänger dies und das. Was auf Platte vielleicht etwas geglättet klingt, wird live zu einer Besonderheit aus Tiefen und Höhen, Möglichem und Abwegigem. Es fühlt sich organisch an, fleischig gerade zu, Musik, die sich materialisiert, zum Greifen spürbar. Die Band hatte ihr Vergnügen und das Publikum ebenso, es wurde sich gegenseitig angelächelt, und was wollte man denn noch mehr, wenn öffentlich eine der Künste so kunstvoll durch den Fleischwolf gedreht wurde? 


Ein großes Wandern vermieden wir und blieben hernach dem Studio 2 treu. Denn in Kürze sollten hier Lower Dens auftreten. Ein kleiner Traum meinerseits, den ich hegte, seit ich Jana Hunter kenne und seit vor ca. zwei Jahren das erste Album ihrer Formation erschien. Lower Dens' Musik ist lange vor Lied und Melodie und klassischer Songstruktur Soundgebilde. Eines der entschleunigten Art, robust und durchzogen mit feinsten Linien, energisch und doch auch voller Reize. Mit einem pointierten Schlagwerk, das weniger nach vorn peitscht, als dass es Ruhepol ist, das austariert und vor äußeren Einflüssen schützt. Mit zwei Stromgitarren, die vor sich hin bäumelnd, gedanken verloren stilmeistern, genauso wie sie gemeinsam am Holz schnitzen können, um es von der Borke zu befreien. Einem Bass, der selten so gut gespielt wurde, der rhythmisch agil und zugleich Melodie verschworen agiert. Und schließlich mit Stimmen, die sich wie selbstverständlich in diesem verschlossenen Llangkosmos bewegen, Teil des Ganzen und nur seltenst dominant sind. Ein Korpus also, in dem sich vier Personen bewegen, die nur wenig Blickkontakte haben, die voll und ganz auf sich und ihr Tun konzentriert sind und doch unablässig damit beschäftigt sind, die Bande zwischen sich zu festigen. 


Janas zwischen den Geschlechtern changierende Stimme korrespondierte so hervorragend mit dem etwas gelasseneren, wenngleich nicht weniger berauschenden Gesang des Bassers Geoff Graham. Die Verschwisterung am Instrument gelang dem weiblichen Vorstand mit Will Adams, dem etwas ungelenken Gitarristen, dessen flüchtiger Blick kaum zur Ruhe kam. Ich wollte das als Konzentration wahrgenommen haben. Das Stichwort überhaupt für diesen Vortrag. Vermutlich hatte in dieser Runde noch Nate Nelson den relaxtesten Part. Hinter seinem Schlagwerk organisierte er den Beat und brachte, mit zwei Laptops bestückt, die eine oder andere Soundmalerei zustande. Die anderen drei Musiker verschworen sich zunehmend miteinander. Dieser dem Shoegaze nahe, ungezähmte musikalische Bruder vollführte einen ganz eigenen Zauber. Die Ursprünglichkeit der rauen Spielart wurde durch das fadenscheinig Nebulöse des Sounds gehemmt und zurückgeworfen als ein zu durchdringendes Geflecht. Wer sich nicht darauf einließ, konnte abgestossen werden. Alle anderen versanken in ein herrlich mäandernder, waberndes Gebräu. 

Setlist: i get nervous / candy / batman / two cocks waving wildly at each other across a vast open space, a dark icy tundra / propagation / lion in winter pt 1 / lion in winter pt 2 / brains / holy water / alphabet song / nova anthem 



 

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