Freitag, 7. Dezember 2012

The Luyas, Paris, 04.12.12


Konzert: The Luyas (Ravens And Chimes) 
Ort: L'Espace B, Paris
Datum: 04.12.2012
Zuschauer: 70-80
Konzertdauer: etwa eine Stunde

Hallelujah, waren die Halleluyas, ähem, ich meine die Luyas toll! Wow, so ein Brett hatte ich vorher nicht unbedingt erwartet.

Dabei waren die Vorzeichen bereits sehr gut, denn ich hatte erfahren, daß Mike Feuerstack, ein sympathischer und talentierter Bursche, der unter dem Moniker Snailhouse bereits eine wunderbare Oliver Peel Session in meinem Wohnzimmer gespielt hatte, Teil der Band sein würde. 


Und wo Mike mitmischt, ist immer gute Musik geboten. Schließlich hat er auch schon mit Julie Doiron, The Acorn und so vielen anderen hochkarätigen kanadischen Musikern kollaboriert. Ein guter Kumpel und musikalischer Wegbegleiter von Mike ist auch Jeremy Gara, der Drummer von Arcade Fire, der bereits Alben für Snailhouse produziert hat. Man sieht, Feuerstack hat überall seine kreativen Finger im Spiel und ist immer dabei, wenn in Kanada spitzenmäßige Indie Kost angerührt wird.

Leider wussten vorher allerdings nicht sonderlich viele Pariser um die Qualitäten der Luyas. Ihr ursprünglicher, in der 400 er Location Point Ephémère angesetzter Gig wurde mangels Nachfrage kurzerhand in die höchstens halb so große Location Espace B verlegt. Folge war, daß die Liverpolerinnen Stealing Sheep, die eigentlich mit den Luyas zusammen im Point Ephémère hätten spielen sollen, ganz gestrichen wurden und daß die New Yorker Ravens and Chimes, die von Anfang an im Espace B auf dem Programm standen, nun Konkurrenz bekamen, weil plötzlich die Luyas und nicht sie selbst die Headliner im Espace B waren.


Zum Glück waren aber alle Beteiligten sehr flexibel und kooperativ, so daß der Abend harmonisch über die Bühne ging.


Nach Ravens and Chimes (von deren Konzert ich separat berichten möchte) legten circa gegen 22 Uhr The Luyas los. Insgesamt bevölkerten fünf Musiker die recht kleine Bühne. Mike Feuerstack saß vor mir und war hauptsächlich für ein Pedal Steel artiges Instrument verantwortlich, das allerdings keinerlei countryeske, sondern vielmehr spärisch verzerrte Laute von sich gab. 
  
Hinter ihm verdingte sich ein Keyboardspieler, der auch in ein Horn blies. In der Mitte hinten spielte der Drummer und rechts gab es einen weiteren Hornbläser. Absolut im Mittelpunkt die einzige Dame. Jessie Stein, eine fragil wirkende blasshäutige Schönheit mit einem sehr hübschen Blumenkleid, blauer Strumpfhose und wundervollen caramellfarbenen Schuhen.

Ihre Stimme war fantastisch. Sie sang sehr zart und brüchig, erinnerte mich an Stina Nordenstam und andere sanfte Isländerinnen und beeindruckte mich auch durch ihr mysteriöses Charisma. Nach den Liedern kicherte sie immer kleinmädchenhaft und ohnehin schien ihr das Konzert eine Menge Spaß zu machen.

Stilistisch war das Ganze gar nicht so leicht zu verorten. Indierock, Indie Pop, Postrock, experimentelle Musik, von allem gab es etwas und wenn ich Bands nennen müsste, die halbwegs (Betonung auf halbwegs!) ähnlich klingen, würde ich Stereolab, My Bloody Valentine, Blonde Redhead, Tu Fawning, Au Revoir Simone oder Under Byen nennen.

Das Besondere war aber vor allem der Einsatz eines Instruments, das ich vorher noch nicht kannte. Jessie tauschte nämlich ab und zu ihre E- Gitarre gegen ein rotes Brett, von dem ich später herausfinden sollte, daß es sich um eine sogannnte Moodswinger handelt. Es ist ein zitherähnliches Instrument mit einem Schraubenzieher in der Mitte und wurde erst 2006 von einem Kerl namens Yuri Landman gebaut, das zumindest weiß Wikipedia. Es wird wohl nur von sehr wenigen Popbands benutzt. 
  
In den schmalen Armen von Jessie sah die Moodswinger auf jeden Falls sehr stylisch aus, um euch zu erklären, wie dieses seltene Instrument klang, fehlen mir aber die Vokabeln.


Reden wir deshalb lieber über einzelne Songs. Allesamt tolle Song im Übrigen, die eine ganz eigene, sehr dichte und intime Atmosphäre schufen. 50/50 beispielsweise glänzte mit einem lieblichen Gesang à la Au Revoir Simone, einer anziehenden Melancholie im Stile von Blonde Redhead, herrlich melodischen Gitarren und einem galoppierenden Schlagzeug, wie man es so ähnlich auch von The National her kennt. Too Beautiful Too Work (toller Titel!) wiederum hatte einen wahnsinnigen Drive, schräge Indiepoprhythmen, eine stereolabsche Versponnenheit und einen irgendwie japanisch wirkenden Gesang (man dachte an Deerhoof) zu bieten. Montuno war bester Dreampop mit Tubaklängen und feinster Melodie.



Jedes Lied klang anders, nie wurde das gleiche Thema mehrfach aufgewärmt. Ich fieberte eine Stunde wie in Trance mit, empfand Glücksgefühle en masse. Das war wirklich ganz großes Tennis, was hier gespielt wurde!

Logisch, daß die begeisterten Zuschauer nach knapp einer Stunde Spielzeit vehement Zugaben einforderten und sie in Form von The Quiet Way und Canary auch bekamen. Das letzte Lied war dem im Publikum neben mir stehenden Ausnahmecellisten Gaspar Claus gewidmet. Den Burschen hatte ich schon oft live in Aktion gesehen, persönlich unterhalten hatte ich mich aber noch nie mit ihm. Das holten wir dann hinterher nach und plauschten noch ein wenig mit Jessie, Mike Feurstack und Pedro Soler.

Ein fantastischer Konzertabend und sicherlich eines meiner Top Ten Konzerte am End des Jahres!

Setlist The Luyas, Espace B, Paris

01: Traces
02: 50/50
03: Talking Mountains
04: Moodslayer
05: What Mercy Is
06: Face
07: Montuno
08:?
09: Too Beautiful To Work
10: Channeling

11: The Quiet Way
12: Canary




 

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