Konzert: Frida Hyvönen & Sydney Wayser
Ort: Festival les Aventuriers, Fontenay -Sous-Bois, unweit von Paris
Datum: 18.12.2012
Zuschauer: vielleicht 70
Konzertdauer: Sydney: 55 Minuten, Frida etwa 65 Minuten
Mit einem Reisebus zu einem Konzert gekarrt zu werden, das passiert mir selten bis nie. Höchstens bei Freiluft Festivals nutze ich mal die entsprechenden Shuttelbusse, ansonsten komme ich immer mit der U-Bahn zu den Gigs.
Heute ging es aber mit der "Navette" raus ins Umland von Paris, von spitzzüngigen Leuten auch recht abwertend "La Banlieue" genannt. In dem Ort Fontenay-Sous-Bois fand nämlich ein Clubfestival namens "Les Aventuriers" statt, daß sich über mehrere Tage erstreckte. Mich persönlich hatte speziell dieser Dienstag am 18. Dezember 2012 interessiert. Mit Sydney Wayser und Frida Hyvönen wurden gleich zwei charmante blonde Damen ins Rennen geschickt, freilich mit anderer musikalischer Ausrichtung und Herkunft.
Um pünktlich in dem Kaff anzukamen, ging es von Paris aus schon um 19 Uhr los und es hatte fast etwas von einem Schulausflug, mit ein paar Parisern in dem geräumigen Bus dahin zu fahren. Wir fuhren keine 10 Minuten, da hatte ich schon die süße rehäugige Praktikantin einer Bookingagentur angegebraben, dann aber fiel mir nix mehr ein, wie ich sie entertainen könnte und ich verfiel in einen recht kurzen, aber sehr tiefen Schlaf.
Als ich aufwachte, waren wir schon in diesem Fontenay-Sous-Bois (man frage mich nicht, wo das jetzt genau lag) und wie Touris liefen wir in einer Gruppe einem Kerl mit einem Schild hinterher. Der Bursche führte uns zu dem Konzertsaal, der nicht unbedingt wahnsinnig glamourös war. Die Bar erinnerte mich an den Tresen eines x-beliebigen Squashcenters in Berlin Spandau. Um das zu verdrängen, soff ich erst einmal ein Bier auf ex und schlang auch ein Baguette mit Schinken in mich rein. Die anderen Franzosen aßen wie so oft gar nichts und hielten mich sicherlich wieder für einen verfressenen übergewichtigen Deutschen (und hatten mit dieser Annahme natürlich vollkommen recht).
Dann wurde uns Bescheid gegeben, daß es mit Sydney Wayser losging. Drinnen in der Venue war nicht sonderlich viel los. Wir dürften insgesamt etwa 70 Leutchen gewesen sein und das ist eher optimistisch geschätzt. Ohne die Pariser Zugereisten hätten sich die Dörfler ganz alleine mit den Künstlern amüsiert.
Sydney gab trotz der bescheidenen Zuschauerzahl von Anfang an ihr Bestes. Ihre gute Laune und ihre Dynamik war beneidenswert, ich selbst fühlte mich eher müde und abgespannt, hätte auf dem Fußboden pennen können. Aber Wayser schaffte es im Laufe ihres immerhin 55 Minuten langen Gigs tasächlich mich in Schwung zu bringen. Die hübsche Blondine mit den blauen Augen und dem kessen Panamahut hat einfach ein solch mitreißendes Gemüt, daß man irgendwann davon angesteckt wird.
Noch toller als ihre Energie war allerdings ihre Stimme. Die klang wirklich ganz vorzüglich, erwieß sich als wandelbar und stand dem Gesang einer Cat Power in so gut wie nichts nach.
Die neuen Lieder ihres 2012 Albums Bell Choir Coast waren ungemein frisch und fetzig. Es machte sich bezahlt, daß sie nun mit einem Drummer und einem Gitarristen unterwegs ist und sich ihre schöne, aber bislang ein klein wenig fade Folkmusik in Richtung Indierock entwickelt hat. Atlas (Hummingbird) war einer jener Songs, der so richtig schön Dampf unterm Kessel hatte und auch die meisten anderen Stücke kamen druckvoll und rhythmisch rüber.
Zu den einzelnen Songs erzählte die New Yorkerin ab und zu mal auf französisch erklärende Sätze, so zum Beispiel zu Dirty Work, das von Bonnie und Clyde inspiriert wurde. Sie stellte sich das Bankräuberpärchen als moralische Leute vor, die sich für den andern aufopfern (die also die Schmutzarbeit, die "dirty work" machen).
Dirty Work war einer der eher düsteren Stücke, die eigentlich in der Minderheit waren. Es dominierten Songs mit einem gewissen Karibik- oder zumindest Calfornia Feeling, sonnigen Singalongs und einer unbeschwerten Atmosphäre (z.B. Come Abroad). Nicht umsonst ziert das Plattencover ein romantischer Felsen vor einem blauen Meer.
Richtig dufte im Set war Wolf Eyes, ein folkrockiges Stück mit einem unwiderstehlichen Refrain und einem flott klimpernden Keyboard.
Sixties Pop mit viel Zartschmelz folgte in der Form von This One Goes Out To Ethan Hawke, das aber anders als auf dem Album klang, weil Sydndey heute keine Ukulele dabei hatte. Wo wir wieder bei einem beliebten und immer wieder relevanten Thema wären: Live klingen die Stücke meistens wesentlich anders als auf den Studioversionen, so auch heute bei Sydney Wayser. Das machte aber nichts, ich mochte und mag beiden Versionen und verbuchte ein richtig Laune machendes Konzert, das am Flügel mit der formidablen Schnulze Time Frame abgeschlossen wurde und sogar mit einem rein französischen Chanson , Les Temps de l'Amour, aufwarten konnte.
Auch bei Frida Hyvönen, die etwas 15 Minuten später zusammen mit zwei jungen Damen auflief, hatten die gespielten Stücke mit dem Tonträger nur die Melodien gemein. Die Instrumentierung war völlig unterschiedlich. Statt mit Drums und Keyboards wie auf CD oder Vinyl, ging es hier ganz kammerpoppig zur Sache. Frida am Flügel, eine brünette Dame an der Geige und eine dunkelblonde Schwedin an den Backing Vocals, so lautete die Rollenaufteilung und das Ergenis war wundervoll. In dieser abgepeckten Variante kamen die markante Stimme von Frida (und ihr gefühlvolles Klavierspiel) perfekt zur Geltung, hatte Luft zum Atmen und musste sich nicht hinter einer massenkompatiblen Produktion verstecken.
Wie immer waren auch die Texte und der zynische Humor der großgewachsenen Schwedin bemerkenswert. Sie hat so eine herrlich laszive Art, lässt mit ihrer schönen Mädchenstimme immer wieder Sprüche im Stile von: "ach hoffentlich ist dieses schreckliche Jahr bald vorbei" oder "kaum zu glauben, daß ich mal in Paris gelebt habe, mein Französisch ist wahnsinnig schlecht" vom Stapel und machte sich auch über ihre Herkunft aus einem kleinen Dorf bei Umea in Schwedin lustig, wo man stolz die größten Käsemesser Europas sein Eigen nennen kann. Leider habe ich den Namen des Käses, den man dort verpeist, vergessen und weiß auch nicht mehr auf welches Lied sich die Geschichte bezog.
Perfekt aufgepasst habe ich aber bei dem ergreifenden Stück Farmor, da ging es nämlich um ihre (verstorbene) Großmutter. In diesem Liede erzählte uns Frida eine veritable Gesichte aus der Sicht des kleinen Kindes, das sie war, das mit der Oma immer Karten gespielt und Kekse gegessen hat. Die Großmama war eine starke Frau, wollte aus dem kleinen Kaff raus, wo sie herkam und arbeitete als Bedienstete bei reichen Leuten in der Stadt ("she polished copper kettles in a rich man's home, from what she writes she seemed to love every second of it"). Eine ihrer wichtigsten Lebensweisheiten die sie an ihre Enkelin weitergab: "even when you're eighty years like me, you never feel older than seventeen, at least I never did."
Neben Farmor wurden auch California und Hot Bali Nights vom neuen Album To The Soul gespielt und natürlich durften auch Gas Station und der Hit Terribly Dark nicht fehlen. Auf dem Album ist Terribly Dark eine runde, ohrwurmige Nummer mit einprägsamen Refrain, die sich auch in den Charts platzieren könnte, live in Fontenay war sie zurückgenommener und erlesener instrumentiert, wir waren schließlich nicht in einer kommerziellen Radiosendung.
Letztlich rannte die Zeit wieder einmal runter wie auf einer Sanduhr, wurden von den alten Sachen Klassiker wie Djuna, I Drive My Friend, Once I Was A Serene Teenage Child (man beachte den expliziten Text!), oder auch das tolle Dirty Dancing (wieder so eine (authentische?) Geschichte) performt und auch die Zugabe wurde mit Oh Shanghai mit einem Stück aus dem Backkatalog bestritten.
Ein quasi perfektes Konzert ging nach gut einer Stunde zu Ende und wenn es etwas zu beklagen gab, war es lediglich die Tatsache, daß Fotografieren strickt untersagt war und auch nicht geduldet wurde.* Dabei hatten Frida und ihre beiden Mädels mal wieder die abgefahrensten Kostüme an. Hyvönen erschien in einem ausgestellten Brautkleid, die andern beiden Damen trugen fließende Gewänder, die Geigerin eines, das man sich noch im antiken Rom hätte vorstellen können.
Fazit: auch das Umland von Paris hat konzerttechnisch was zu bieten und mit einem Bus und Reiseführer zu einer Location gekarrt zu werden ist fast schon wieder cool!
Setlist Sydney Wayser, Fontenay-Sous-Bois:
01: Roads
02: Geographer
03: Atlas
04: Potions
05: Dirty Work
06: Come Abroad
07: Les Temps de l'Amour
08: Wolf Eyes
09: This One Goes Out To Ethan Hawke
10: Call Me Up
11: Dream It Up
12: Time Frame
* Fotos Sydney Wayser Archiv, Fotos Frida Hyvönen entstanden nach dem Konzert am Merch
1 Kommentare :
sehr anschaulich. fühlte mich gut unterhalten. ob wir musikalisch zusammen kämen, weiß ich nicht genau. ist manchmal aber auch nicht so wichtig.
Kommentar veröffentlichen