Sonntag, 2. Dezember 2012

Jens Lekman, Frankfurt, 01.12.12


Konzert: Jens Lekman
Ort: Zoom, Frankfurt
Datum: 01.12.2012
Dauer: Jens Lekman 85 min
Zuschauer: ca. 200 



Für viele schlechte Eigenschaften kann mal wohl nichts. Einmal neugierig, immer neugierig, keine Ahnung, wie man so etwas abtrainieren könnte. Wie unerträglich das eigene Eigenschaftspaket ist, hängt also wohl vor allem vom Glück ab. Einen der fiesesten Charakterzüge habe ich glücklicherweise nicht, ich bin nicht neidisch. Ob ich immer jedem alles gönne, weiß ich nicht, jedenfalls neide ich es ihm nicht. Dachte ich zumindest. Gestern abend nämlich überfiel mich eine große Neidattacke, als Jens Lekman nach einer halben Stunde Konzert wieder einmal erzählte, daß Kirsten Dunst ihn gut finde. Das gönne ich dem Sänger zwar, ich beneide ihn aber enorm! Ich will das auch, verdammt!

Ich träume zwar als Fan des 1. FC Köln nach dem heutigen Sieg schon wieder von der Champions League, bin ansonsten jedoch so realistisch, daß ich nicht davon ausgehe, daß Kirsten Dunst Konzerttagebuch liest. Aber vielleicht kennt sie ja jemand über ein paar Ecken (Kleine-Welt-Phänomen, ne?), also just in case:

This review is dedicated to Kirsten Dunst!


Wir haben also nicht nur beide eine deutsche Großmutter, wir haben auch den gleichen Musikgeschmack, Kirsten und ich. Jens Lekmans bittersüße Stücke über unglückliche Lieben, aber vor allem über alltägliche Erlebnisse, über das Leben in schwedischen Kleinstädten, die freitäglichen Bingo-Abende oder über Frisörbesuche - wundervoll! Seit vielen Jahren gehört der Sänger aus Göteborg zu meinen liebsten Musikern, dummerweise gab es bisher kaum Chancen, ihn live zu sehen. 2008 hatte ich die Gelegenheit, als Jens mit Band im Mousonturm auftrat. Trotz der vielen Konzerte, die ich sehe, bleibt mir dieser Abend fest in Erinnerung wegen einiger Kleinigkeiten. Mich begeisterte, daß alle Musiker die gleichen Schuhe wie ihr Chef tragen mussten (cremefarbene spitze Halbschuhe), sie kleine Möbelschlüssel um den Hals baumeln hatten und Jens Lekman irgendwann Luft-Glockenspiel spielte!


Im vergangenen Jahr bot das vorzügliche New Fall Festival in Düsseldorf Gelegenheit, den schwedischen Singer/Songwriter endlich wieder zu sehen. Dort wurde er lediglich von einem Schlagzeuger begleitet und spielte einige Lieder vom neuen Album I know what love isn't, das fünf Jahre nach dem Vorgänger Night falls over Kortedala in diesem September veröffentlicht wurde.

Mit dem ersten Stück der neuen Platte begann das Konzert zunächst in Abwesenheit des Sängers. Jens Lekman hatte wieder eine ausgewachsene Band dabei, eine Bassistin, einen Schlagzeuger, einen Keyboarder und eine Geigerin. Every little hair knows your name eröffnet und beendet das Album, der Beginn ist instrumental, das Schlußstück bei gleicher Melodie mit Text.


Nach Higher power vom 2004er Debüt folgten drei weitere Lieder von I know what love isn't, und mit ihnen das zweite Element, was Jens Lekman Konzerte so unterhaltsam macht, die Erklärungen der Songs. Der Titeltrack zum Beispiel handelt von einer Autofahrt mit einer australischen Freundin, mit der Jens über die Möglichkeit sprach, zu heiraten, um eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung für Australien zu bekommen. Das sei allerdings illegal und er damit der Möglichkeit beraubt, darüber zu reden oder zu singen. "It's hard not to tell a story when you're Jens Lekman!"

Das Stück mit dem fabelhaften Titel The end of the world is bigger than love handelt - natürlich - von gebrochenen Herzen, wie viele seiner Lieder. Weil ihm das ein wenig einseitig zu sein scheint, hat der Schwede aber auch ein Lied über die andere Seite, über die Herzensbrecher geschrieben, das den noch schöneren Namen Some dandruff on your shoulder trägt! Also bei aller Liebe zu Kirsten Dunst, so schwer ist es gar nicht, Jens Lekman zu mögen (auch wenn das neue Album vielleicht nicht nur die Gassenhauer früherer Tage enthält).


Vor dem non-Album Titel Golden key erwähnte er einen kurzen Ausflug ins Schmuckhandwerk und bewunderte den Schlüssel, den ein Zuschauer im Publikum trug.


Die Geschichten über Kirsten Dunsts Besuch in Göteborg und seine Suche nach ihr und über den Besuch bei Freundin Nina in Berlin, die ihm nach ewig langer Busfahrt auf der Türschwelle der Wohnung ihrer Eltern eröffnete, daß sie denen gesagt habe, Jens sei ihr Verlobter, kannte ich schon. Die Stories sind aber so köstlich (egal, ob sie stimmen), daß ich sie gerne wieder hören möchte; genauso wie ich immer wieder Freude am Luftglockenspiel am Ende von The opposite of Hallelujah oder der gemeinsamen Schuhmode (heute weiße Tennisschuhe) haben werde!

Was der Grund dafür war, daß Geigerin Lisa so strahlte, weiß ich nicht. Es war jedenfalls eine große Freude, ihr zuzusehen, es gibt wohl auch in Schweden rheinischen Frohsinn!* Ähnlich viel Spaß machte Bassistin Julia, die ihr Instrument spielte, als sei sie ein 50jähriger Rockmusiker. Ihre Bewegungen waren herrlich altbacken, so etwas sieht man sonst nur bei Rockpalast-Aufnahmen aus den 70ern (denke ich, ich gucke die nicht). Wenn eine zierliche Frau mit Glitzer in den Haaren so Bass spielt, ist das enorm köstlich, ich mochte das wahnsinnig gerne! 

In der zweiten Konzerthälfte kam Jens' Drumcomputer häufiger zum Einsatz. Der Eurodisco-Anteil stieg damit. Einige der Stücke gingen durch den Rhythmus ineinander über, The world moves on und Maples leaves zum Beispiel oder Into eternity und Sipping on the sweet nectar, für das Jens den Rhythmus schneller drehen musste, toll!

Das neue Album ist sicher nicht mein liebstes, die Lieder gefielen mir live aber deutlich besser - wie so oft. Trotzdem sind die alten Perlen wie I saw her on the anti-war demonstration, And I remember every kiss oder Sipping on the sweet nectar, die alle am Ende kamen, unerreicht. Leider ließ Jens Lekman viel zu viele von denen aus (Someone to share my life with, You are the light, Shirin...).

Wenn mein Kirsten Dunst Projekt funktionieren sollte, muß ich mir auch dringend eine so gute Einleitung in die Geschichte überlegen wie Jens: "She said in that interview once - I'm not sure when it was... but it could have been April, 27th 2007, page 48 in the local paper, that she liked my music."

Setlist Jens Lekman, Zoom, Frankfurt:

01: Every little hair knows your name (instr.)
02: Higher power
03: I know what love isn't
04: The end of the world is bigger than love
05: Some dandruff on your shoulder
06: Golden key
07: The opposite of Hallelujah
08: Waiting for Kirsten
09: Black cab
10: I want a pair of cowboy boots
11: The world moves on
12: Maple leaves
13: Into eternity
14: Sipping on the sweet nectar

15: I saw her in the anti-war demonstration (Z)
16: A postcard to Nina (Z)

17: And I remember every kiss (Z)
18: Every little hair knows your name (Z)

Links:

- Jens Lekman, Düsseldorf, 15.10.11
- Jens Lekman, Frankfurt, 24.02.08

Tourdaten:

04.12.12: Ampere, München



* Lisa ist aber sicher nicht die Lisa aus Happy birthday, dear friend Lisa, auf deren Kuchen waren nämlich "too many candles" 



2 Kommentare :

Frank hat gesagt…

Dreams are all we have (Inspiral carpets), Christoph.

Anonym hat gesagt…

Hallo Christoph,

deiner Rezension vom Konzert kann ich nur voll und ganz zustimmen. Es war ein toller Abend und ich war es auch, dem Jens den Song über den "Golden Key" gewidmet hat. Noch heute bin ich glückselig darüber.
Witzig ist, dass wir beide sehr oft dieselben Konzerte besuchen. Komme witzigerweise auch aus dem Westerwald.

Viele Grüße,
Andreas

 

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