Konzert: Hrsta, Matana Roberts, Thee Silver Mt. Zion Memorial Orchestra
Ort: Hansa 39, München
Datum: 21.11.2012
Vorbemerkung (von Oliver):
Auch in Paris gab es Konzertabende zur Feier des 15. Geburtstages von Constellation Records, aber ich habe es leider nicht dorthin geschafft. Zum Trost hier aber nun ein Bericht von Blogger-Wimbledonsieger (Sieg gegen Federer in fünf Sätzen) Eike Klien.* Erstveröffentlichung auf seinem Klienicum.
Drei Acts, die höchste Konzentration erforderten, die für sich stehend eigentlich genügten. Der Abend im Hansa 39 zu München, angesetzt als Teil der 15 Jahr Feier des kanadischen Labels Constellation Records, hatte es in sich. Die musikalische Güte, die das Unternehmen unter seinem Dach hütet, ist unbenommen, ihr Ausstoss zuweilen schwitzig und brachial. Was durfte man also erwarten? Viel! Was bekam man? Enorm viel! Zunächst starteten Hrsta, zuvorderst das Projekt von Mike Moya, den man auch als Gründungsmitglied von Godspeed You! Black Emperor kennt. Unter dem im Sanskrit getroffenen Bandtitel erzeugt er weirdfolkiges abseits von Klangsperenzchen, die durchsichtige Stimme tut dabei ihr Übriges. Mit Hilfe von Brooke Crouser (Jackie-O-Motherfucker), der neben einer E-Gitarre auch ein Tonbandgerät inkl. Effekten bediente, wurde ein eigenwilliger wie einnehmender Klangkosmos erarbeitet. Schleifen über Gitarrensaiten, Bögen, die sich über den Stahl zogen, entzerrt und getrieben, ausdrucksstarker Gesang, Liedformen, die sich wie von selbst ergaben. Das hatte was von Hohelied und priesterlicher Klage. Mit "Silver Planes" und "Holiday" blieben zwei beeindruckende songs aus dem recht kurzen Set in Erinnerung. Auch Moya schien noch nicht ganz warm gelaufen sein, da mussten er und sein Kompagnon bereits wieder die Bühne räumen. Die Band kann man, muss man im Auge behalten, wenn einem offene Arrangements, Soundfahrten und lichtes Spiel taugen. Mir hat es sehr gefallen. Vor allem diese Art von Understatement, obwohl man mit großer handwerklicher Kunst konfrontiert war. Das launige Gitarrenspiel täuschte allzu gern über die Meisterschaft hinweg. Das hatte Stil.
Die Reihen lichteten sich kurzzeitig, doch schon bald huschte eine Erscheinung durchs alte Industriegemäuer. In rotes Tuch gewandet, mit Halstuch ausgestattet und einer schwarzen Weste, stiefelte in schweren Schuhen Matana Roberts auf die Bühne. Was für ein Anblick! Die Erzeugerin der letztjährigen Großtat "coin coin chapter one: gens de couleur libres" stand tatsächlich vor uns. Allein mit ihrem Alto Sax und aufgeräumt, offenherzig und zugewandt. Ein Ausbund an empathischer Hingabe. Freudige Erregung allenthalben, vorangetrieben durch ihr expressives Spiel, durch ihren Variantenreichtum, durch den ekstatischen Drang. Die Klappen ihres Instruments wurden geradezu geschlagen, ihr Schließen war wohl bis zum Ende des bemessenen Raums zu hören. Das Atmen der Künstlerin und das Blasen in ihr Saxophon wurden eins. Ein Atemzug entstand, aus dem heraus sich die Töne filterten. Klare Noten, gepresstes, Noten, die Hiebe erhielten, andere, die reingewaschen ans Ohr des Hörers gelangten, Noten, Noten, Noten. Auszüge aus dem benannten Album erklangen. Doch vielmehr war sie hier. Unterhielt, sprach an, rezitierte, mahnte und nahm ernst. Die Schnellschüsse, die Aalven schossen geradewegs ins Publikum und erhielten Rückstoss und dankbaren Applaus. Nicht zuletzt sang man gemeinsam den Refrain des Oscar Brown jr. Songs "Bid' Em In". Ein einvernehmliches Gestalten, da wir, wenn es das entsprechende Zeichen gab, sonor brummten und Roberts die Textzeilen sang, das vielfache "bid 'em in! get 'em in!" aber intonierten wir gemeinsam, ein Fest:
"Bid 'em in! Get 'em in! That sun is hot and plenty bright. Let's get down to business and get home tonight. Bid 'em in! Auctioning slaves is a real high art. Bring that young gal, Roy. She's good for a start. Bid 'em in! Get 'em in! Now here's a real good buy only about 15. Her great grandmammy was a Dahomey queen. Just look at her face, she sure ain't homely. Like Sheba in the Bible, she's black but comely. Bid 'em in! Gonna start her at three. Can I hear three? Step up gents. Take a good look see. Cause I know you'll want her once you've seen her. She's young and ripe. Make a darn good breeder. Bid 'em in! She's good in the fields. She can sew and cook. Strip her down Roy, let the gentlemen look. She's full up front and ample behind. Examine her teeth if you've got a mind. Bid 'em in! Get 'em in! Here's a bid of three from a man who's thrifty. Three twenty five! Can I hear three fifty? Your money ain't earning you much in the banks. Turn her around Roy, let 'em look at her flanks. Bid 'em in! Three fifty's bid. I'm looking for four. At four hundred dollars she's a bargain sure. Four is the bid. Four fifty. Five! Five hundred dollars. Now look alive! Bid 'em in! Get 'em in! Don't mind them tears, that's one of her tricks. Five fifty's bid and who'll say six? She's healthy and strong and well equipped. Make a fine lady's maid when she's properly whipped. Bid 'em in! Six! Six fifty! Don't be slow. Seven is the bid. Gonna let her go. At seven she's going! Going! Gone! Pull her down Roy, bring the next one on. Bid 'em in! Get 'em in! Bid 'em in!"
Dass Matana das deutsche Publikum erkorte, zum besten, dass sie Liebe verteilte mit offenen Händen, dass sie viel zu kurz da war, geschenkt. Sie hielt hier inne, und nur das zählt. Wir haben sie mit allen Sinnen erfahren. Es bleibt kaum noch Platz für Thee Silver Mt. Zion Memorial Orchestra. Und doch darf man das kanadische Ensemble keineswegs unter den Tisch fallen lassen. Nicht zuletzt, weil viele Zuschauer wegen ihnen gekommen waren. Und wenn bspw. "13 Blues For Thirteen Moons" erschallte, wusste auch der Letzte, worin die Faszination dieser Band liegt. Die dynamische Wucht, die nach zehrend langem Anlauf aus düsterem Schlagwerkpoltern, flehenden Geigenlauten, angedeuter Bassline, verhaltenem Gitarrenwirken und mahnendem Gesang entstand, pustete den befangensten Hirnkasten frei. Der Blues rollte so gewaltig, dass er sich locker in jeder Ecke der Halle breit gemacht hatte, als die letzte Sekunde schwerfällig verhallte. Doch die Musik ist diffiziler und akzentuierter, als diese Worte belegen wollten. Der Klangfarben sind viele trotz oder wegen des eingeschränkten Instrumentariums. Durchwirkte Kollektivarbeit, mal drohend, dann aufgeräumt und statisch, dann wieder von Efrims hellem Gesang dominiert, in der Violinenkontrolle gefangen, von der Drumsgebärde bedroht. Im Chor erfährt der Trotz Belebung, im Innehalten wächst die Spannung. Die vier arbeiteten sich in Reife und in Konzentration durch ihr Set. Auch eine gerissene Bassseite brachte sie nicht aus dem Konzept. Die Frage nach Fragen ins Publikum blieb leider weitgehend ungenutzt. Denn was sollte der gelockte Sänger schon auf "wo ist deine Jacke?" antworten? oder wie sollte er "warum seid Ihr so gut?" parieren? er antwortete "üben, üben, üben."
* das Foto von Roberts stammt von Eike Klien, die anderen beiden sind Archivpics von Oliver Peel.
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