Donnerstag, 30. April 2009

Anna Ternheim, Paris, 29.04.09

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Konzert: Anna Ternheim (The Tiny)

Ort: Café de la Danse
Datum: 29.04.2009
Zuschauer: brechend volle Hütte. Circa 500
Konzertdauer: ca. 85 Minuten




Das Pariser Café de la Danse ist schon dem Namen nach ein Tanzcafé. Leider ist die Bezeichnung aber ein ähnlicher Etikettenschwindel wie seinerzeit der Begriff "Deutsche Demokratische Republik." Im Café de la Danse wird nämlich selten getanzt, sondern in der Regel vielmehr bräsig auf Bänken in einem hörsaalähnlichen Raum gesessen. Zwischen Bühne und Sitzrängen tut sich ein Leerraum auf, der, wenn es sehr voll ist, von Zuschauern bevölkert wird, die kein Plätzchen mehr ergattern konnten, oder grundsätzlich lieber stehen wollen.

So war es auch bei der (nervigen) Vorgruppe des Abends, The Tiny, wie die Headlinerin Anna Ternheim aus Schweden stammend. Ein massiv überfüllter Saal, in dem es jetzt schon unmöglich war, frei zu zirkulieren. Ich schaute mir von der Seite die Letzten zwei Stücke der Pianistin Ellekari Larsson und des Cellisten Leo Svensson an und gesellte mich dann zu Freunden, die vorne am Bühnenrand standen. Wir unterhielten uns angeregt und ich stellte überrascht fest, daß meinen beiden Kumpels jegliche Folkkultur fehlte. Sandy Denny? Fairport Convention? Vashti Bunyan? Judee Sill? All diese schillernden Namen klassischer Folksängerinnen (Sandy Denny und Judee Sill sind sehr jung tragisch verstorben) waren den beiden völlig unbekannt, obwohl sie sich regelmäßig Konzerte von zeitgenössischen Folkeusen anschauen. Ich traute mich schon gar nicht mehr zu fragen, wie es denn mit Joni Mitchell aussieht. Außerdem: Sein erst in den letzten 5-7 Jahren erworbende Wissen heraushängen zu lassen schien mir deplatziert und versnobt. Dennoch wunderte ich mich, daß die erwähnten Künstlerinnen nicht geläufig waren, ich hatte es schließlich nicht mit Gelegenheitskonzertgängern zu tun. Und Joni Mitchell wird nicht selten im Zusammenhang mit Anna Ternheim genannt, ob berechtigterweise oder nicht.

Aber bleiben wir doch noch ein wenig bei dem Thema. Macht Anna Ternheim wirklich traditionellen Folk, oder eher Pop bzw. Jazz für den Coffeshop um die Ecke? Nun, wenn sie wie bei den ersten beiden Alben Naked Versions ihrer Songs beifügt, dann ist das Ganze schon sehr reduziert und althergebracht. Auf dem dritten Album Leaving On A Monday gibt es aber keine Naked Versions mehr, sondern lediglich Cover von Sinatra, falls man denn die Special Edition gekauft hat. Sagen wir es ganz deutlich: Von einer folkigen Singer/Songwriterin ist Anna Ternheim weiter entfernt denn je! Zumal ihr Songwriting teilweise wirklich ziemlich flach und banal ist. Das früh gespielte What Have I Done ist dafür ein gutes Beispiel. "I hope you feel the way I do I hope you give yourself up to." Meine Güte, was für ein mainstreamiger Bubblegumrefrain! Ich war zugegebenerweise recht entsezt und konnte Christophs Lobhudelungen der letzten Wochen nicht wirklich nachvollziehen. Der Opener Terrified war noch ok, aber auch kein Glanzlicht der Dichtkunst. Und es gab noch ein schlimmeres Problem, als die recht seichte Musik, die auf der Bühne gespielt wurde. Die Besucher in dem oben beschriebenen Zwischenraum zwischen Bühne und Sitzrängen, kamen auf die seltsame Idee, sich mit dem Beginn der ersten Takte hinzusetzen. Warum? Ich konnte das gar nicht nachvollziehen, war aber gezwungen, dem Herdentrieb zu folgen und hockte in einer unmöglichen Stellung qualvolle fünf Minuten lang. Ich konnte mich noch nicht einmal wie die anderen Gäste auf meinen Hosenboden pflanzen, da hinter mir gleich jemand saß. Ich fühlte, wie sich ein Krampf in meine Wade hineinzog und wartete sehnsüchtig darauf, daß Terrified endlich ein Ende nimmt. Ich wollte aufstehen und mich an die Seite begeben. Das ging aber nicht, weil der ganze Weg von sitzenden Zuschauern blockiert war. Eine Sitzblockade im wahrsten Sinne des Wortes! Ich blieb also einfach stehen wo ich war. Ein paar Leute um mich rum taten mir gleich und bedankten sich sogar bei mir für meine Initiative. Hinter mir fingen nun aber Leute an zu murren. Ich bedeute ihnen mit einer energischen Handbewegung aufzustehen, auch weil die Musik durch das wuchtige Schlagzeug absolut tanzbar war. Aber die Sitzblockierer hingen da rum wie eine träge Schafsherde! Es war nichts zu machen, sie standen nicht auf. Mir egal, ich blieb stehen! Die Stimmung im Saale wurde nun aggressiver, ein blonder Kerl hinter mir traktierte mich ständig mit Fußtritten. Erschnaubte wie ein Stier und hatte zudem ein Piercing durch beide Nasenlöcher. Ich mußte meinen Zorn runterschlucken, denn ich war kurz davor, ihm eine in die blöde Fresse zu ballern! Ich bin ein ruhiger Zeitgenosse, aber man soll doch bitte nicht den Pitbull wecken, der in mir schlummert! Der Kerl machte ständig weiter, ich versuchte mich aber auf das Konzert zu konzentrieren. Nun murrten plötzlich während eines Liedes etliche andere Leute. Seltsamerweise entzündete sich der gesamte Zorn der Sitzenden an meiner Person, obwohl inzwischen viele andere Besucher ebenfalls standen. Es herrschten zweigeteilte Verhältnisse. Ganz komische Situation. Ein Mann neben mir, der ebenfalls stand, verteidigte mich nun, indem er den Leuten zurief: "Wir sind hier doch nicht in einer marrokanischen Teestube! Die Verhältnisse wurden tumultartig und Anna mußte sich konzentrieren, um weitzerzumachen. In dieser Phase befand das Konzert kurz vor einer Unterbrechung. Der seltsame Zustand hielt circa. 5 Lieder an, aber dann passierte etwas Unglaubliches: Miss Ternheim wanderte an den Bühnenrand und forderte mit energischen Handbewegungen die Sitzblockierer auf, endlich aufzustehen. Nun erhoben sich plötzlich alle und von da an kam das Konzert in Gange. Als wäre eine Handbremse gelöst worden, klatschten und tanzten, plötzlich alle mit und eine äußerst rockige Version von French Love entfachte fast eine Stimmung wie bei einem Rockkonzert. Zwar gab es mit I'll Follow You Tonight immer wieder ruhigere, reduzierte Stücke, aber die aufgedrehte Stimmung hielt an, bei den tanzbaren Neulingen Damaged Ones und Let It Rain (ein Highlight) war wieder Party angesagt. Anna genoß das in vollen Zügen und war sichtlich aufgepeitscht. Vielleicht lag es an der hochseltsamen Anfangsphase mit den Tumulten, vielleicht aber auch daran, daß dies vorerst das letzte Konzert der Torunee war, fest steht aber, daß die Ternheim Hormon-und Adrenalinausstöße en masse hatte. Sie bewegte sich ungewöhnlich viel und besaß einen enormen Tatendrang. Immer wieder suchte sie den Kontakt zu dem Publikum, gerade in den ersten Reihen. Und dann geschah etwas Unglaubliches. Bei I Say No blinzelte sie mir mit ihren riesigen blauen Augen* bei der Textzeile "But the sadness in your eyes won't go away, it becomes you in a strange kind of way" ( I Say No) zu, weil sie mich offensichtlich erkannt hatte und ich war wie vom Blitz getroffen. Ich fühlte mich als hätte ich 200 000 Volt- Stöße abbekommen und bekam in diesem Moment wirklich sehr traurige Augen, die sich mit salziger Flüssigkeit füllten. In der Aufgewühltheit hatte ich meine Kopfhörerkabel verloren und als sie mir die Frau rechts von mir höflicherweise gab, nahm ich ich sie entgegen ohne sie dabei anzusehen, damit sie nicht mein verheultes Gesicht sah.

Mein emotionaler Notstand hatte Gründe, denn mit Depressionen und Menschen, die einen permanent traurigen Blick in den Augen haben, kenne ich mich leider sehr gut aus. Annas Augen waren in dem Moment auch ganz besonders, es schien als würde sie gleichzeitig weinen und lachen, sie war ebenfalls sehr aufgekratzt, aber zum Glück überwog die Glücklichkeit und Dankbarkeit für den warmherzigen Empfang in Paris, einer Stadt, in der sie breits 6 mal in ihrer Karriere aufgetreten ist. Heute war mit Sicherheit ihr emotionalstes Konzert, aber auch performancetechnisch das Beste, denn sie schien am Ende sämtliche Blockaden gelöst zu haben, die sie vorher ab und zu gebremst hatten. Die Zugabenserie war dann logischerweise ein Triumph, den sie in vollen Zügen auskostete. Mit To Be Gone und My Secret brachte sie zwei balladeske Klassiker, bevor sie zusammen mit Ellekari von den Tiny das wunderbare Summer Rain vortrug. Das My Heart Still Beats For You textlich wieder recht platt geraten war, schmälerte nicht ihren Siegeszug am heutigen Tage. Gerade bei Liveauftritten kommt es auch auf die Persönlichkeit des Musikers und seine Fähigkeit an, einen Draht zum Publikum herzustellen. Das ist Anna Ternheim hervorragend gelungen und ihre Herzlichkeit und Natürlichkeit suchen ohnehin Ihresgleichen. Sie mag zwar nicht die songwriterischen Qualitäten einer Marissa Nadler oder einer Nina Nastasia haben, aber aus den Konzerten geht man regelmäßig beeindruckt heraus!

Bravo, Anna!


P.S.: Wem es in letzter Zeit zu viel Anna Ternheim auf dem Konzerttagebuch gab, dem sei versichert, daß auch anderen Künstlern wieder ausreichend viel Platz eingeräumt werden wird. Aber wir halten nun einmal gerne an Musikern fest, die uns an Herz gewachsen sind...

Setlist Anna Ternheim, Café de la danse, Paris:

01: Terrified
02: What Have I Done
03: Black Sunday Afternoon
04: Girl Laying Down
05: No, I Don't Remember
06: A French Love
07: I'll Follow You Tonight
08: Lover's Dream
09: Damaged Ones
10: Better Be
11: Let It Rain
12: I Say No

13: To Be Gone (solo, akustisch)
14: My Secret

15: Summer Rain (zusammen mit ihrer Freundin von The Tiny)
16: My Heart Still Beats For You


* Wer genau hinschaut wird erkennen, daß ihre Augen gleichzeitig lachen und weinen. Sie war eben unglaublich gerührt...

Pour nos lecteurs français:

Quel beau et merveilleux concert! Comme c'était émouvant! Anna Ternheim et son groupe nous a fait vibrer pendant presque 1 heure et demie de pur bonheur. Un concert fou fou fou d'ailleurs, parce que il y avait des discussions bruyants entre des gens qui voulaient être debout (moi, par exemple, pour le respect des artistes) et d'autres qui voulaient rester assis par terre. Mais heureusement Anna a compris qu'elle joue dans le Café de la Danse (on ne peut pas danser assis!) et elle a fait signe aux gens de se lever. Bravo, Anna! Sûrtout parce qu'il ne s'agissait plus d'un concert folk traditionnel et calme comme auparavant quand Anna jouait tout seul de la guitarre (et du piano parfois). Entouré d'un bon groupe avec entre autre un double bassiste et un mec qui jouait a la scie chantante ,mais sûrtout d'un batteur puissant (non, ce n'était pas Steve Shelley de Sonic Youth comme sur l'album) ça avait beaucoup plus de punch. Parfois c'était presque un concert de rock. C'est drôle, parce que la belle Anna (mon dieu, ces beaux yeux bleus!) m'avait confié dans une interview qu'elle m'avait gentillement accordé pour notre site, qu'en fait chaque folkeuse rêve d'être dans un groupe de rock, un groupe qui déchire et qui fait du bruit...

Mais bon, finalement les morceaux calmes (sûrtout le rappel To be Gone toute seule) restent les plus touchants. À la fin elle m'a donné la chair de poule et quand elle a répeté qu'elle se sentait vraiment très bien ici à Paris et qu'elle remercie le public pour l'acceuil chaleureux, c'était honnête.

Merci Anna, pour ta belle musique, ta générosité, ta gentillesse, ta tendresse, ton beau sourire, ton amour. À bientôt! On t'aime à Paris.


Links:

- aus unserem Archiv:
- Anna Ternheim, Frankfurt, 28.04.09
- Anna Ternheim, Nijmegen, 24.04.09
- Anna Ternheim, Stockholm, 08.12.08
- Anna Ternheim, Paris, 01.10.07
- Anna Ternheim, Köln, 26.09.07
- Anna Ternheim, Heidelberg, 25.09.07
- Anna Ternheim, Paris, 31.05.07
- Anna Ternheim, Köln, 12.03.07
- Anna Ternheim, Paris, 12.12.06

Mehr Fotos von Anna Ternheim, Paris, hier entlang!
- * Livevideo Ideal- Blaue Augen (Anna, was ich dann so fühle ist nicht mehr normal!)




Olli Schulz, Köln, 29.04.09

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Konzert: Olli Schulz
Ort: Gloria, Köln
Datum: 29.04.2009
Zuschauer: vielleicht 600 (sehr gut gefüllt)
Dauer: Olli Schulz 125 min, Winson 40 min


Olli Schulz erzählt immer das selbe (behauptete er wenigstens).

Mein Gott, war das ein urkomischer Abend! Der größte deutsche Entertainer unserer Zeit hat im Gloria gut zwei Stunden musiziert und geredet. Von depressiven Affen bei Sony, den Gemeinsamkeiten von 1000 mal berührt, Allein allein und dem Silbermond Gesamtwerk und einem 17minütigen Instrumentalstück gegen den Krieg... ach, das kann man alles nicht einfach so wiedergeben. Seht euch ihn gefälligst selbst an!

Setlist Olli Schulz, Gloria, Köln:

01: Wenn das Leben dich beißt
02: All you can eat
03: Ab jetzt tut's nur noch weh
04: Dann schlägt dein Herz
05:
Wenn die Music nicht so laut wär'
06: Weil die Zeit sich so beeilt
07: Wie sie
08: Ewig leben
09: So lange einsam
10: Kaiserwetter (Razzia Cover)
11: Was macht man bloß mit diesem Jungen?
12: Geheimdienst
13: Isabelle
14: Die Ankunft der Marsianer
15: Der Rumäne
16: Rückspiegel
17: Song ohne Grund

18: Loney at the top (Z) (neu)
19: Elefanten (Z)
20: Nimm mein Mixtape, Babe (Z) (mit Safe tonight - Eagleeye Cherry Cover)
21: Bibo (Z)
22: Wenn die Sonne wieder scheint (Z)

23: Bloß Freunde (Z)

Links:

- Olli Schulz liest und singt (im Gebäude 9)



Mittwoch, 29. April 2009

The Living End, Köln, 25.04.09

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Konzert: The Living End, ALIAS CAYLON
Ort: Gloria, Köln
Datum: 25.04.2009
Dauer: The Living End ca. 90 min, ALIAS CAYLON 30 min
Zuschauer: gut gefüllt (eventuell ausverkauft)


"Wir sind Kinder der 80iger," hatte Scott Owen noch im Interview erzählt‚ "wir sind mit Popmusik aufgewachsen und wir lieben sie, sie ist ein Teil von uns!" Somit ist es irgendwie auch nicht verwunderlich, dass zur Einstimmung auf das Konzert die Hymnen der Scorpions, Europe, Journey oder Toto vom Band kommen. Immerhin spielen heute Abend The Living End, eine australische Band die letztmalig im März 2001 Konzerte in Deutschland gab. Und in Australien ist halt so manches anders als bei uns.

Als man Ende 2008 zwei Konzerte in Deutschland ankündigte, hatte irgendwie keiner wirklich daran gedacht, daß TLE hierzulande in ausverkauften Läden spielen würden. Aber wie so oft im Leben, kommt es anders als man denkt und so wurde das Konzert bereits Anfang des Jahres vom Luxor/Prime Club in das wesentlich schönere Gloria Theater verlegt.

Was nicht verlegt wurde, sind die Anfangszeiten. 19:30 h steht auf der Eintrittskarte und vom Promoter wird einem noch schnell gesteckt, die Band steht pünktlich um 20:30 auf der Bühne. Klar, denn wir sind in Köln, einer Großstadt und da muss man ja auch noch den Gewinn durch die samstagabendliche Disco mitnehmen.

Das Gloria ist nur mäßig gefüllt, als um 19:25 h vier Herren aus Flensburg die Bühne betreten. Thays, Fin, Reiner und Jan heißen sie und spielen eine interessante, melodisch, rockende Musik, welche sie bei myspace selber als Thrash / Psychedelic / Surf umschreiben. Schlecht ist das, was die vier da vortragen nicht, vom Hocker reißt es einen aber auch nicht. Sicherlich hier und da nette Ansätze aber dann immer wieder ein endlos nerviges Geschrammel, nun gut, it’s a long way to the Top if you want to rock and roll … also schön weiterüben! Unterhaltsam sind die in original nordischem Akzent und bis über beide Ohren grinsend zelebrierten Ansagen von Sänger Thays, wie ‚Fleisch ist mein Gemüse Zitate gibt es spädder’. Nachdem die Jungs durch ihr Set gejagt sind, als wenn sie von einem Untier verfolgt worden wären, stellen sie fest, dass sie noch Zeit haben, um weitere Songs zu spielen. Auf Zuruf des Publikums spielte man eine ruhigere Nummer namens The Ocean und stellt im Anschluss fest: "hätten wir anstelle der langsamen Nummer doch mal 2 schnelle gespielt, hättet ihr mehr von gehabt." Dann beginnt der Umbau und erneut startet das Band mit den 80iger Helden.

Langsam füllt sich nun auch das Gloria. Der Altersdurchschnitt scheint recht hoch, zumindest lässt sich langsam aber sicher erahnen, dass sich kaum die so angesagten Kids der Stunde zu dem heutigen Konzert verirrt haben, sondern diejenigen, welche auch schon vor 8 Jahren auf den Konzerten der Band waren. Das Publikum ist bunt gemischt, vom Punk über Mr. und Misses Rockabilly hier ist heute alles vertreten.

Unter Vorfreude erträgt das Publikum die 80iger Jahre Smasher, als es jedoch nicht wie geplant um halb neun weitergeht, wird es laut. Man sieht den Techniker achselzuckend über die Bühne schlendern, bis endlich gegen 20:45 h unter tosendem Applaus das Saallicht erlischt.

Chris Cheney hatte schon während der Interviews vor dem Konzert über leichte Halsschmerzen geklagt. Somit verwundert es auch nicht, dass er einen, wenn auch dekorativen Schal um den Hals trägt. Lässig schwingt er sich seine weiße Gretsch um den Hals. Nickt seinen beiden Mitstreitern zu, um dann seinem Publikum ein bescheidenes „O.k., lets get this thing rolling“ entgegenzubringen.

Die Tour heißt Raise the Alarm Tour und mit selbigen Titel beginnt das Trio aus Melbourne auch sein Set und obwohl der Song auf dem bereits im vergangenen Jahr Down Under erschienen Album White Noise enthalten ist, welches in Europa erst im Juni veröffentlicht wird, sitzen die Texte bei den Fans.

Das Gloria als altes Pornokino, mit seinem Roten Teppich an den Wänden bildet heute Abend den perfekten Rahmen für dieses Konzert. Der ehemalige Kinosaal kann relativ klein und intim wirken, heute jedoch wirkt er groß und mächtig. In seiner Mitte entbricht mit der ersten Takten Musik ein wildes Treiben. Wie ein Orkan tobt die Masse und feiert dabei Song für Song der Band ab.

Roll on vom gleichnamigen Album, Hey, hey Disbeliever der aktuellen Scheibe, Who’s gonna save us? aus Modern ARTtillery reihen sich nahtlos aneinader, bevor Scott Owen seinen Monster Bass in die Mitte der Bühne zieht, auf ihn steigt und auf ihn einzuhämmern beginnt, wie ein vom Teufel Verfolgter.

Was auffällt, ist die unbändige Spielfreude von Chris, Scott und Andy. Auf Knien, im Stehen, mit dem bass auf dem Rücken kämpft man sich durch das Set. E-Boogie widmet man noch fix den Toten Hosen, die The Living End 1998 erstmals nach Deutschland brachten und das auf eigene Kosten, weil die Plattenfirma seinerzeit die Reisekosten nicht zahlen wollte.

Mit White Noise endet nach gut einer Stunde der reguläre Part des Konzertes. So gut das, was wir bisher gesehen haben, auch ist/war, so sehr vermisst man doch Songs wie Long live the Weekend, Wake Up oder Nothing lasts Forever vom State of Emergency Album. Ein Album, was neben dem Debüt bis heute mit den meisten TLE Singles überhaupt aufwartet.

Den Anfang des Zugabenblocks bildet die Raggaenummer Sum of us, gefolgt vom sehr harten Carry me home und als Finale das legendäre West End Riot vom selbstbetitelten Debüt. Und zum Schluss geben die Herren noch einmal alles, Chris steigt auf Scotts Bass, um sich gebührend von den Fans feiern zu lassen. So muss Rock and Roll sein, so soll er klingen! Wieso nur müssen dazu immer Bands aus dem entlegenen Australien zu uns kommen, um uns das vor Augen zu führen? Fragen über Fragen, wobei letztendlich nur eines zu hoffen bleibt, nämlich, dass es nicht wieder 8 Jahre dauern wird, bis The Living End hierzulande für uns Shows spielen werden! Roll on Boys!

Setliste The Living End Gloria Köln

01: Rise the alarm
02: Roll on
03: Hey hey disbeliever
04: Who’s gonna save us
05: Second solution
06: Loaded gun
07: End of the world
08: All torn down
09: Prisoner of society
10: How do we know
11: E-Boogie
12: White noise

13: Sum of us (Z)
14: Carry me home (Z)
15: West end riot (Z)

Konzerttermine The Living End:

17.06.09 Kempten - BigBox (mit DTH)
20.06.09 Neuhausen ob Eck - Southside Festival
21.06.09 Scheeßel - Hurricane Festival
23.06.09 Münster - Gleis 22


von Oliver S.




Chat, Paris, 29.04.09

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Konzert: Chat (Selim)

Ort: Les Trois Baudets, Paris

Datum: 29.04.2009
Zuschauer: ca. 250
Konzertdauer: Chat: ca. 65 Minuten




Zum ersten Mal in meinem Leben erotisiert wurde ich, als ich als ca. 10 jähriger das Lied Je t'aime moi non plus von Jane Birkin und Serge Gainsbourg gehört habe. Sexuell selbstverständlich noch völlig unbedarft, empfand ich Gefühle, die ich vorher noch nicht kannte. Ich konnte diese auch damals nicht definieren und einordnen, aber die unglaublich sinnliche Hauchstimme von Jane Birkin hatte eine ganz eigenartige, anziehende Wirkung auf mich.

Inzwischen ist unglaublich viel Zeit ins Land gegangen, Serge Gainsbourg ist lange tot und die nach wie vor musikalisch aktive Jane Birkin ist recht alt geworden. Die Zeit ist reif für eine Nachfolgerin. Aber wer soll die Krone der sinnlichsten französischen Sängerin übernehmen? Charlotte Gainsbourg? Soko? Coralie Clement? Little? Berry? Olivia Ruiz? Rose? Camille? Holden? Emilie Simon? Emily Loizeau? Mansfield Tya? Pauline Croze? Daphné? Etyl? Jeanne Cherhal? Constance Verluca? Loane? Zaza Fournier? Sandrine Kiberlain? Felipecha? Marina? Lisa? Diving With Andy? Claire Denamur? Luciole? Clarika? Coeur De Pirate? Valérie Leulliot? Makali? June et Jim? Rum Tum Tiddles? Carla Bruni? Elodie Frégé? Emma Daumas? Marie-Flore? Le Prince Miiaou?

Wir wär's mit Chat? Chat=Katze? Nun hinter der tierischen Bezeichnung verbirgt sich eine junge französische Pianistin, deren bürgerlichen Namen ich im Internet trotz Recherche nicht gefunden habe. Also nennen wir sie im Folgenden einfach immer nur Chat...

Auf die charmante junge Frau bin ich - wie soft- bei MySpace, nein!, Irrtum!, im Musikfernsehen gestoßen! Ich sah einen entzückenden Clip ihres Hits Alice (hier zu sehen) der an die fabelhafte Welt von Amélie Poulain erinnerte. Typisch französisch eben, man schaue sich nur das Video von J' traine des pieds von Olivia Ruiz an (hier) um zu verstehen, was ich meine.

Vor allem aber, war es erneut eine sehr sinnliche Stimme, die mich anzog. Chat klingt wie... Jane Birkin! Und sie spielt konsequenterweise demnächst auch im Vorprogramm von... richtig!, Jane Birkin!

Als ich erfuhr, daß sie nur einen einzigen Konzerttermin für Paris vorgesehen hatte, war klar, daß ich da hinmußte. Les Trois Baudets sollte der Austragungsort sein. Ein Theater, soviel wußte ich, aber wo es lag war mir nicht bekannt. 64, bd de Clichy, fand ich im Internet heraus. Au weia! Eine schmuddelige Gegend, in der sich ein Sexshop an den nächsten reiht und schmierige Typen versuchen, Passanten in eine der Table Dance Shows (in Paris seltsamerweise Lap Dance genannt) zu locken. An einer uralten und abgetakelten Hure vorbei, kam ich Hausnummer für Hausnummer meinem Zielort näher. Ein Theater war aber noch nicht zu sehen, stattdessen Wichskabinen wohin das Auge blickte. Pfui Teufel, da kriege ich die Schweinepest, wenn ich schon in der Nähe der Türschwelle bin! Pussy's? Nein, das suchte ich nicht. Ich wollte ins Trois Baudets. Der kultige Saal befand sich schließlich ganz in der Nähe des legendären Moulin Rouge und ich hastete hinein, denn ich war schon wieder echt spät dran. Drinnen saßen Leute auf roten Kinosesseln und vom Balkon aus verfolgte ich Selim, der das Vorprogramm bestritt. Ein junger Franzose, der sang, Schlagzeug und ab und zu Gitarre spielte. Er hatte eine Band dabei und das Ganze war gar nicht mal so übel. Er hatte eine sehr markante Falsettstimme und die Einflüsse verorte ich bei Bands wie Radiohead, Muse, Jeff Buckley, Nirvana und Coldplay.

Selim sollte auch in der Band von Chat dabei sein, die gegen 21 Uhr 20 begann. Sie nahm hinter einem auffällig dekorierten Piano Platz und legte gleich los wie die Feuerwerk. Atemberaubend wie schnell sie Klavier spielte! Ihre kleinen Finger flogen nur so über die Tasten und sie sang voller Energie und Inbrunst. Zunächst war ich fast ein wenig enttäuscht, denn die sinnliche Seite ihrer tollen Stimme hatte sie gegen eine nörglerische und hysterischere Variante eingetauscht und außerdem sang sie zunächst englisch (It's So Cold). Im Laufe des Sets zeigte sie dann aber doch, wie elastisch und vielseitig ihre Stimme ist und die meisten Lieder waren auf französisch. Ich persönlich kannte vorher nur den Chanson Alice, da ich ihr kürzlich erschienenes Album Folie Douce noch nicht hatte. Das machte aber nichts, denn neue Musik über das Liveerlebnis kennenzulernen, gefällt mir imer noch am Besten. Was nutzen perfekte Aufnahmen auf Tonträgern, wenn die jeweiligen Künstler nicht in der Lage sind, das Ganze live auf der Bühne umzusetzen?

Chat war trotz ihres jungen Alters schon unglaublich abgebrüht, souverän, kess und schlagfertig. Von Aufregung war bei ihr nichst zu spüren, sie hatte nicht nur schnelle Finger, sondern auch eine schnelle Zunge! Einmal fragte sie, ob dem Publikum aufgefallen sei, daß sie sich verspielt hatten und konstatierte, daß es glücklicherweise selten jemand merkt, wenn Töne nicht so richtig sitzen.

Einzelne kleine Patzer stören mich in der Regel überhaupt nicht, Im Gegenteil das wirkt oft sympatisch, aber etwas irritierender war, daß die Begleitband recht rockig und laut agierte, so daß der wundervolle Stimme von Chat manchmal die Luft zum Atmen fehlte. Schade, manchmal wünschte ich mir wirklich, daß sie ganz alleine klimpert und singt!

Aber zuweilen brauchte sie einfach mehr Orchestrierung, dann nämlich, wenn sie einen oppulenetn Song wie das Patrick Watson Cover The Storm intonierte. Ein gelungenes Cover im Übrigen, das im Publikum nur die allerwenigsten Leute erkannten. Aufgeklärt wurden sie allerdings auch nicht. Das Stück Petit Con hätte witzigerweise auch von Watson selbst stammen können, es entsprang aber der Feder der jungen Französin und war mit seinem schwungvollen, mitreißenden Rhythmus mit Sicherheit ein Highlight des Abends. In einem mit Gastauftritten (Nach) garnierten Set, in dem mir nicht unbedingt alle Chansons gefielen, verbuchte ich Harmony ebenfalls als gelungen ("J'ai embrassé une fille"- ich habe ein Mädchen geküsst, hatte aber nichts mit Kate Perry zu tun), zu dem es auch einen Clip bei Youtube gibt (hier!).

Und als erste Zugabe schmetterte sie dann auch noch ein anders Cover. Von wem? Na von Jane Birkin, logisch! Ich glaube es handelte sich um Jane B, ein phänomenales, von Serge Gainsbourg geschriebenes Stück.

Chat ist ein Talent, sie wird ihren Weg gehen, dessen bin ich mir sicher!

Setlist Chat, Les Trois Baudets, Paris:

01: It's So Cold
02: Foret
03: Alice
04: Marcy
05: Mon Ange
06: Mon Corps
07: ?
8: ?
). ?
10: The Storm (Patrick Wastson)
11: R
12: Petit Con
13: Les Echos
14: S. Bourdin
15: Harmony

16: Jane birkin
17: Folie Douce

18: ?

Links:

- mehr Fotos von Chat hier
- lire l'interview intéressante avec le chat (en français) sur le hiboo.com ici



Anna Ternheim, Frankfurt, 28.04.09

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Konzert: Anna Ternheim
Datum: 28.04.2009
Ort: Batschkapp, Frankfurt
Zuschauer: 500 bis 600 (fast ausverkauft)
Dauer: Anna Ternheim 80 min, The Tiny 20 min


Bei meiner Planung, zu welchem Konzert der aktuellen Anna Ternheim Tour ich gehen würde, war die Frankfurter Batschkapp so etwas wie eine Notlösung, weil mir die Halle für eine solche Art Musik denkbar ungeeignet schien. Vor allem ist die Batschkapp riesig groß und würde sicher nicht ausverkauft sein.

Da hatte ich mich allerdings ordentlich verschätzt. Denn schon recht zeitig schien die Halle fast voll zu sein. Ich hatte ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, daß die Schwedin mittlerweile so bekannt in Deutschland ist. Auch das Kölner Luxor war wohl Montag fast ausverkauft. Ob dieser schreckliche Werbesatz "Blonde Frau - schwarze Seele" so erfolgreich war? Vermutlich haben aber wohl eher Mundpropaganda und der wahnsinnige Suchtfaktor, den die Musik der in New York lebenden Stockholmerin hat, dafür gesorgt, daß ihre Deutschland-Tour so erfolgreich ist. We hate it when our friends become successful? Nein, ganz sicher nicht.

Nach dem Konzert in Nijmegen am Freitag wußte ich bereits, was mich an
Vorgruppen-Programm erwartete. Das schwedische Duo The Tiny, das ich vorher nur als Annas Tour-Band-Mitglieder gekannt hatte, wollte ich unter keinen Umständen verpassen, denn das 20-minütige Set vergangene Woche hatte mich sehr begeistert. The Tiny bestehen aus Ellekari Larsson und Leo Svensson. Ellekari spielt in Annas Begleitband Keyboards, Trompete und singt background; Leo ist Cellist, Backgroundsänger und Säge-Spieler. Bei The Tiny kommt ein Harmonium zu diesem ohnehin schon illustren Instrumente-Spektrum. Und machmal wirkt auch Ellekaris Stimme wie ein weiteres Instrument.

Leider spielten die beiden auch diesmal nur vier ihrer Lieder, obwohl The Tiny bereits zwei Platten (und eine EP) veröffentlicht haben. Und noch einmal leider erscheint das dritte Album des Duos erst "an einem Mittwoch im September", wie sie mir hinterher sagten. Für mein Leben gerne hätte ich das aufregende dritte Lied ihres Sets gleich auf der Rückfahrt wieder gehört. Das Stück
mit dem Refrain "I could not stand losing you" hat mich vollkommen erobert. Immer wieder erinnerten The Tiny mich an Helden wie Kate Bush (fast hätte ich Nash geschrieben), ohne dabei aber einen deutlichen skandinavischen Charme vermissen zu lassen. The Tiny werde ich mir definitiv auch ansehen, wenn sie einmal ohne Anna Ternheim unterwegs sein werden. Aber mit wäre auch nicht so schlecht, davon hätten mich die folgenden achtzig Minuten überzeugt, wäre das denn noch nötig gewesen.

Denn nach fünf ganz unterschiedlich ausgerichteten aber allesamt brillanten Konzerten der Sängerin, mache ich mir keine Sorgen mehr, ob der Abend gut werden würde. Dafür hat Anna Ternheim zu viel Songwriting- aber auch Wiedergabetalent -
und nicht zuletzt einen erobernden Charme, dem sich wohl kaum einer der Besucher entziehen konnte.

Neu im Gegensatz zu dem Konzert vor einer Woche war eine zusätzliche Background-Sängerin. In Stockholm hatte ich dies schon ähnlich erlebt, da hatte Anna Ternheim drei schwarz gekleidete Sängerinnen dabei. Wenn ich das richtig verstanden habe, hieß die Dame Linn Segelson (DIE Linn?).

Das Konzert begann mit den beiden dunklen und sehr schlagzeugintensiven Titeln Terrified und What have I done vom aktuellen Album. Und beide waren deutlich
besser abgemischt als vor ein paar Tagen, sodaß das Schlagzeug Vergnügen und nicht dumpfe Qual war. Natürlich hätte ich What have I done auch zu gerne einmal in der famosen akustischen Version gehört, die als Vorabdownload vor der Platte erschienen war. Aber auch dies hier begeisterte mich wieder sehr. Diese schrecklich traurigen Lieder (zu den erstaunlicherweise mancher sehr fröhlichen Ausdruckstanz zeigte), in düsterem Arrangement in diesem Laden - das machte auf einmal ganz viel Sinn!

Im Prinzip war die Setlist die von meinem letzten Konzert der Schweden, mit zwei Änderungen. Die Reihenfolge der Stücke war eine andere und Better be fehlte in Frankfurt. Ich habe ganz bewußt auf die vielen kleinen Dinge
geachtet, die auf der Bühne passieren, und das lohnt sich. Bis auf den Schlagzeuger wechseln alle Musiker regelmäßig ihre Instrumente. Bei Bassist Patric Thormann ist dies noch wenig spektakulär - er wechselt nur zwischen E- und Kontrabaß. Ellekari singt, spielt Keyboards, pfeift und trompetet bei Black sunday afternoon. Ihr The Tiny Kollege kann da aber noch mehr. Oftmals wechselte er mitten im Stück zwischen Cello, Glockenspiel, Keyboard, Säge und Synthesizer. Meine Lieblingsstelle war die in einem der letzten Lieder, als er den Synthie mit den Glockenspiel-Klöppeln bediente! Und auch er sang viel. Ehrlich gesagt habe ich bei all den singenden Menschen Linn gar nicht rausgehört. Vielleicht lag das aber auch daran, daß mein Blick auf die zusätzliche Sängerin von Anna Ternheim verdeckt wurde.

Weitere unglaublich schöne Momente waren das wundervolle Intro von Lovers dream. Das Lied - vor allem in der Version mit Fyfe Dangerfield von den Guillemots -
habe ich unzählige Male gehört. Allerdings ist die aktuelle Live-Variante die mit Abstand schönste. Dieses gezupfte Cello mit Glockenspiel am Anfang ist umwerfend! Auch das schon erwähnte Black sunday afternoon gehörte zu den unbedingten Höhepunkten! Genau wie I'll follow you tonight ("it's a song about sleeping with people"), das neben Annas Gitarre nur die singende Säge von Leo instrumentierte. Irre! Glockenspiel und Pfeifen bei dem eh sagenhaften I say no, die neuen Enden von My secret und Damaged ones (dieses köstlich schiefe Cello!) oder der Herzschlag am Ende von My heart still beats for you...

Unbestrittene Lieblinge des Abends waren aber zwei andere, eigentlich weniger beachtete Lieder: Summer rain, ohne Mikro, nur von Ellekari und Anna gesungen, mit ganz leider Gitarre und das am Ende von Anna Ternheim rausgeschrieene A french love, bei dem sie zwischendurch einen knallroten Kopf hatte! Natürlich hielt auch in der Batschkapp das ganz ganz leise gesungene Summer rain einige nicht davon ab, laut zu lachen, "Zugabe" zu rufen (während die lief - originell!). Ich hatte währenddessen viele sehr unflätige Schimpfworte im Kopf, die ich aber leider alle wieder vergessen habe (sie waren aber auch wirklich böse).

Ich fürchte, ich kann nicht richtig verbergen, wie begeistert ich war. Die Halle konnte das auch nicht. Und die olle Batschkapp hatte mich mit einem grandiosen Konzert richtig überrascht! Schade, daß die Deutschland-Tour vorbei ist!
*

Setlist Anna Ternheim, Batschkapp, Frankfurt:

01: Terrified
02: What have I done
03: Girl laying down
04: No, I don't remember
05: A french love
06: I'll follow you tonight
07: Lovers dream
08: Damaged ones
09: Black sunday afternoon
10: Let it rain
11: I say no

12: To be gone (Z)
13: My secret (Z)

14: Summer rain (Z)
15: My heart still beats for you (Z)

Links:

- aus unserem Archiv:
- Anna Ternheim, Nijmegen, 24.04.09
- Anna Ternheim, Stockholm, 08.12.08
- Anna Ternheim, Paris, 01.10.07
- Anna Ternheim, Köln, 26.09.07
- Anna Ternheim, Heidelberg, 25.09.07
- Anna Ternheim, Paris, 31.05.07
- Anna Ternheim, Köln, 12.03.07
- Anna Ternheim, Paris, 12.12.06
- Interview mit ihr in Köln
- mehr Fotos vom Konzert im Doornroosje


* auch wenn meine Fotos den Eindruck erwecken könnten: ich habe mir nicht To be gone in der französischen Version gewünscht (Oublié - auch wenn das toll ist!)...

Dienstag, 28. April 2009

Andrew Bird, Paris, 27.04.09

2 Kommentare

Konzert: Andrew Bird (Laura Marling)

Ort: La Cigale
Datum: 27.04.2009
Zuschauer: vermutlich ausverkauft
Konzertdauer: Laura Marling erwartet magere 30 Minuten, Andrew Bird phasenweise zähe, aber musikalisch brilliante 105 Minuten



Keine Minute zu spät kommen wollte ich heute, schließlich bestritt mein Liebling Laura Marling das Vorprogramm! Und ausgerechnet dann passiert einem so etwas Dummes wie mir! Die Tüte mit dem schmutzigen Katzenstreu riß im Treppenhaus und der ganze Boden war versaut. Also mußte ich schön sauber aufkehren, saugen und alle Spuren entfernen, man möchte ja nicht als Schmuddelnachbar bekannt werden! Eine eklige Hetze begann, zumal ich auch noch das spezielle Diabetikerfutter für meinen kranken Kater besorgen mußte und er auch noch seine Insulinspritze brauchte.

Und dennoch: Ich kam genau pünktlich in der Cigale an. Puhh! Die semmelblonde Engländerin Laura Marling hatte noch gewisse technische Probleme zu überbrücken, der Gitarrenverstärker spuckte knarzige Geräusche aus und Tontechniker Emmanuel (Salut Man!) mußte der niedlichen Britin helfen, damit alles wohklingend rüberkam. Laura hatte diesmal nicht ihren tollen Multiinstrumentalisten Marcus Mumford dabei, sondern lediglich eine Cellistin, die auch die Backvocals hauchte. Anscheinend war auch bei den beiden Mädels heute alles extrem hektisch und problematisch, ich hörte etwas von: "We had to carry those heavy begs for miles an miles, but finally we are here, because englisch people always carry on"...

Aber nun endlich Musik! Ghosts von dem fabelhaften Album Alas I Cannot Swim wurde geschmettert und sofort wußte ich wieder, warum ich mich so beeilt hatte. Ich liebe Laura Marling, liebe eigentlich alles an ihr. Ihren lieblich sentimentalen Gesang, den man einem so jungen Mädchen gar nicht zutrauen würde, ihr gekonntes Gitarrenspiel, ihre traurigen Texte, ihr Lächeln und natürlich die blauen Augen, hach ja! Und die wieder länger gewordenen Haare standen ihr ausgezeichnet. Noch nie war sie hübscher als heute, aber sie würde mir auch gefallen, wenn sie dick und verpickelt wäre. Was mich an ihr anzieht, ist diese unglaubliche Traurigkeit in dem Engelsgesicht, ihre Kessheit, ihr Trotz. Und dann diese Stimme: So pur, so rein und so elastisch! Spielend kann sie Tonlagen wechseln, von gehauchten Silben übergehen zu mit Inbrust gesungenen Klagegesängen. Ich bekomme dann immer eine Gänsehaut. Problemlos stehe ich dazu, daß ich bei ihr zum Andy Möller, zum Weinerle mutiere. Früher fand ich es immer seltsam, wenn Leute mir erzählt haben, daß sie im Kino geweint haben. Das ist mir nie passiert, schon gar nicht bei E.T. Aber wenn Laura Marling My Manic And I intoniert, ist es regelmäßig um mich geschehen. Sie singt ein paar dieser totraurigen Zeilen und schon kullern die Tränchen. Zum Glück hat es keiner gesehen, man will ja nicht für einen Weichling gehalten werden und überhaupt: Wie zu erwarten war, kannte der Großteil des Publikums Laura Marling und ihre Lieder nicht. Wie sollen sie dann meine Rührung nachvollziehen? Das geht ja wohl schlecht...

Zumal selbst ich Einiges nicht kannte, weil Laura zahlreiche Non-Album Tracks zum Besten gab, darunter das famose Rebecca und auch das sensationelle Blackberry Stone (der Text: "I am Laura now, I am Laura still, and you did alyways say that one day I will suffer"). Ich bin mir nicht ganz sicher, ob auch Made A Maid gespielt wurde, was sie in letzter Zeit immer oft im Programm hatte. Unproblematisch zu identifizieren war aber der Abschluß des leider nur 30 minutigen Sets. Alas I Cannot Swim, Titel (und Hidden-) Track des bisher einzigen Albums bildete wie so oft den Schlußpunkt und ich gebe zu, daß es stimmt, was ich Laura zugerufen habe, nachdem sie sich bei dem Publikum mit: "You are very kind to us" bedankt hatte. "We love you", hatte ich nämlich im Übermut gebrüllt und meinte eigentlich: I love you...

Auszug aus der Setlist Laura Marling, La Cigale, Paris (Merci beaucoup à Stéphane!)

01: Ghosts
02: Blackberry Stone
03: My Manic And I
04: Rebecca
05: Darkness Descends
06: Ramblin' Man
07: Hope In The Air
08: Alas I Cannot Swim


Konzerttermine von Laura Marling, jeweils mit Andrew Bird:

28.04.2009: L'autre Canal, Nancy
29.04.2009: Olympic, Nantes
30.04.2009: Epicerie Moderne, Lyon
01.05.2009: Luxor, Köln
03.05.2009: Strand, Stockholm
04.05.2009: Lille Vega, Kopenhagen
05.05.2009: Übel & Gefährlich, Hamburg
06.05.2009: Admiralspalast, Berlin
07.05.2009: Paradiso, Amsterdam
09.05.2009: Circque Royale, Brüssel (Festival Les nuits botaniques)




In der Umbaupause fiel mir sofort eine Sache besonders auf: Dieses riesige Grammophon, das auf einer feinen Holzkiste stand und seine beiden muschelförmig geformten Lautsprecher zu beiden Seiten ausgestreckt hatte. Angeblich soll dieses Ding nicht nur ästhetischen Wert haben, sondern auch der musikalischen Untermalung dienen. Es drehte sich während des Konzertes, das schließlich recht pünktlich gegen 21 Uhr begann.

Zunächst performte der Mann aus Chicago drei Lieder alleine auf seiner Fiedel und gab erste Kostproben seiner verblüffenden Pfeifkünste. Er trällerte im wahrsten Sinne des Wortes schön wie ein Vogel (Bird) und man fragte sich fasziniert, wo er diese Töne rausholte. Auch seine Stimme war perfekt geölt und glasklar.

Trotzdem war der Beginn etwas verhalten, denn Bird performte Dark Matter, Waterjet und Masterswarm (ein super Lied!) hintereinander weg ohne mit dem Publikum in irgendeiner Form zu kommunizieren. Dann wurde die Atmosphäre etwas aufgelockert, als die mehrköpfige Band einmarschierte und für zusätzlichen Druck sorgte. Unter den Musikern war auch ein Saxofonist, der ab und zu auch Klarinette spielte. Die Jungs hielten sich diskret im Hintergrund und überließen Andrew die Show. Das Problem war bloß, daß der gertenschlanke Mann all seine Emotionen in sich hineinlebt, sie nicht mit dem Publikum teilt. In 95 % der Fälle hat er seine Augen geschlossen und wackelt mit seinem Köpfchen hin und her. Er scheint dann irgendwo anders zu sein, schwebt vermutlich über den Wolken. Leute die ihm außerhalb der Bühne begegnet sind, beschreiben ihn als schüchtern, fast authistisch. Diese Einschätzung trifft sich mit meinen Beobachtungen, auch auf mich wirkt er sehr verschlossen und in sich gekehrt. Es ist keine Schande schüchtern zu sein, im Gegenteil, das ist oft eine Qualität. Bloß für einen Musiker, der einen recht großen Saal wie die Cigale in Paris entertainen soll, stellt sich dieser Wesenzug doch eher als Handicap heraus. Kurzum: Trotz sehr guter Musik und exzellenten Songs kam ich nicht so richtig rein in dieses Konzert. Erst mit A Nervous Tic Motion Of The Head To The Left kam zum ersten Mal mehr Bewegung in die Bude. Und mit Oh No, dem Opener des neuen Albums Noble Beast wurde ein herzerwärmender Titel hinterhergeschickt, der eine unwiderstehliche Pfeifmelodie und auch eine ganz feine Melancholie hat. Das Konzert war in seiner besten Phase, keine Frage, zumal Fitz & Dizzyspells herrlich Dampf unter dem Kessel hatte. Erstaunlich auch die Zupftechnik von Andrew Bird. Er bearbeitet seine Geige wirklich auf alle erdenklichen Weisen und wirkt dabei immer virtuos und elegant. Auch sein Gitarrenspiel ist hervorragend. Er ist ein Dirigent, fast so wie Abbado. Aber auch Abbado hatte nicht das Feuer eines Simon Rattle oder das Charisma eines Herbert von Karajan und die Berliner Philharmoniker waren nicht gerade enthousiasmiert von der Arbeit des Italieners, der war einfach zu kühl, zu unnahbar. Bei Andrew Bird ist es ähnlich, der musiziert abgekapselt vom Rest und vergibt so die Möglichkeit, Stimmung, die jeweils zu Beginn der fast allesamt guten Lieder aufkam, mitzunehmen und durch das ganze Stück zu transportieren. Schade, denn mit Klassikern wie Imitosis oder dem famosen Fake Plaindromes ist eigentlich das Songmaterial vorhanden, einen äußerst dankbaren Saal wie die Cigale - hier ist das Publikum immer entgegenkommend, wenig kritisch und in den jeweiligen Künstler verliebt- so richtig zum Beben zu bringen. So reichte es leider nur für langanhaltenden Applaus, der dem riesigen Talent, der Innovationskraft und Musikalität des Amerikaners galt und auch der Tatsache, daß er bei einem Lied auf französisch sang (das Theme von der Muppetshow!), was bei den patriotischen Franzosen, die ihre Sprache für die schönste der Welt halten, immer zieht.

Ansonsten hatte er während des Konzertes einmal versucht, etwas Smalltalk zu betreiben, aber er wirkte dabei ein wenig, wie wenn ein steifer Kerl wie Ex-Finanzminister Eichel versucht, das Tanzbein zu schwingen oder so grobmotorisch wie Angela Merkel wenn sie mit ausgebreiteten Handflächen klatscht. Andrew erzählte, das er sein Fahrrad heute zu Schrott gefahren hatte und wunderte sich darüber, daß es in Paris überall diese Leihfahrräder gibt. Einige Leute schmunzelten darüber, so wie man das von fleißigen und etwas schleimigen Studenten her kennt, wenn der Professor mal einen Witz gemacht hat. Ich hatte schon mal heftiger gelacht, zum Beispiel bei den köstlichen Anekdoten von Billy Bragg ("Don't watch YouPorn, you will regret it and get nightmares!"), aber ganz humorlos ist Andrew Bird natürlich auch nicht.

Ein hochtalentierter Virtuose, dieser Ami, ein brillianter, im wahrsten Sinne des Wortes pfiffiger Musiker, aber kein Entertainer...

Setlist Andrew Bird, La Cigale, Paris:

01: Dark Matter
02: Waterjet
03: Masterswarm
04: Opposite Day
05: A Nervous Tic Motion Of The Head to The Left
06: Oh No!
07: Effigy
08: Fitz & Dizzyspells
09: Natural Disaster
10: Tenuousness
11: Not A Robot, But A Ghost
12: Cataract
13: Anonanimal
14: Imitosis
15: Not Easy Being Green
16: Fake Palindromes

17: Why?
18: Tables And Chairs
19: Don't Be Scared

Links:

- aus dem Archiv: Andrew Bird im Pariser Olympia Ende 2007 hier
- Laura Marling beim Festival Les femmes s'en mêlent hier und im noblen Le Baron hier- Laura Marling im kleinen Pariser Pop In hier
- mehr Pics von Laura Marling hier
- mehr Pics von Andrew Bird hier



 

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