Konzert: Andrew Bird (Laura Marling)
Ort: La Cigale
Datum: 27.04.2009
Zuschauer: vermutlich ausverkauft
Konzertdauer: Laura Marling erwartet magere 30 Minuten, Andrew Bird phasenweise zähe, aber musikalisch brilliante 105 Minuten
Keine Minute zu spät kommen wollte ich heute, schließlich bestritt mein Liebling Laura Marling das Vorprogramm! Und ausgerechnet dann passiert einem so etwas Dummes wie mir! Die Tüte mit dem schmutzigen Katzenstreu riß im Treppenhaus und der ganze Boden war versaut. Also mußte ich schön sauber aufkehren, saugen und alle Spuren entfernen, man möchte ja nicht als Schmuddelnachbar bekannt werden! Eine eklige Hetze begann, zumal ich auch noch das spezielle Diabetikerfutter für meinen kranken Kater besorgen mußte und er auch noch seine Insulinspritze brauchte.
Und dennoch: Ich kam genau pünktlich in der Cigale an. Puhh! Die semmelblonde Engländerin Laura Marling hatte noch gewisse technische Probleme zu überbrücken, der Gitarrenverstärker spuckte knarzige Geräusche aus und Tontechniker Emmanuel (Salut Man!) mußte der niedlichen Britin helfen, damit alles wohklingend rüberkam. Laura hatte diesmal nicht ihren tollen Multiinstrumentalisten Marcus Mumford dabei, sondern lediglich eine Cellistin, die auch die Backvocals hauchte. Anscheinend war auch bei den beiden Mädels heute alles extrem hektisch und problematisch, ich hörte etwas von: "We had to carry those heavy begs for miles an miles, but finally we are here, because englisch people always carry on"...
Aber nun endlich Musik! Ghosts von dem fabelhaften Album Alas I Cannot Swim wurde geschmettert und sofort wußte ich wieder, warum ich mich so beeilt hatte. Ich liebe Laura Marling, liebe eigentlich alles an ihr. Ihren lieblich sentimentalen Gesang, den man einem so jungen Mädchen gar nicht zutrauen würde, ihr gekonntes Gitarrenspiel, ihre traurigen Texte, ihr Lächeln und natürlich die blauen Augen, hach ja! Und die wieder länger gewordenen Haare standen ihr ausgezeichnet. Noch nie war sie hübscher als heute, aber sie würde mir auch gefallen, wenn sie dick und verpickelt wäre. Was mich an ihr anzieht, ist diese unglaubliche Traurigkeit in dem Engelsgesicht, ihre Kessheit, ihr Trotz. Und dann diese Stimme: So pur, so rein und so elastisch! Spielend kann sie Tonlagen wechseln, von gehauchten Silben übergehen zu mit Inbrust gesungenen Klagegesängen. Ich bekomme dann immer eine Gänsehaut. Problemlos stehe ich dazu, daß ich bei ihr zum Andy Möller, zum Weinerle mutiere. Früher fand ich es immer seltsam, wenn Leute mir erzählt haben, daß sie im Kino geweint haben. Das ist mir nie passiert, schon gar nicht bei E.T. Aber wenn Laura Marling My Manic And I intoniert, ist es regelmäßig um mich geschehen. Sie singt ein paar dieser totraurigen Zeilen und schon kullern die Tränchen. Zum Glück hat es keiner gesehen, man will ja nicht für einen Weichling gehalten werden und überhaupt: Wie zu erwarten war, kannte der Großteil des Publikums Laura Marling und ihre Lieder nicht. Wie sollen sie dann meine Rührung nachvollziehen? Das geht ja wohl schlecht...
Zumal selbst ich Einiges nicht kannte, weil Laura zahlreiche Non-Album Tracks zum Besten gab, darunter das famose Rebecca und auch das sensationelle Blackberry Stone (der Text: "I am Laura now, I am Laura still, and you did alyways say that one day I will suffer"). Ich bin mir nicht ganz sicher, ob auch Made A Maid gespielt wurde, was sie in letzter Zeit immer oft im Programm hatte. Unproblematisch zu identifizieren war aber der Abschluß des leider nur 30 minutigen Sets. Alas I Cannot Swim, Titel (und Hidden-) Track des bisher einzigen Albums bildete wie so oft den Schlußpunkt und ich gebe zu, daß es stimmt, was ich Laura zugerufen habe, nachdem sie sich bei dem Publikum mit: "You are very kind to us" bedankt hatte. "We love you", hatte ich nämlich im Übermut gebrüllt und meinte eigentlich: I love you...
Auszug aus der Setlist Laura Marling, La Cigale, Paris (Merci beaucoup à Stéphane!)
01: Ghosts
02: Blackberry Stone
03: My Manic And I
04: Rebecca
05: Darkness Descends
06: Ramblin' Man
07: Hope In The Air
08: Alas I Cannot Swim
Konzerttermine von Laura Marling, jeweils mit Andrew Bird:
28.04.2009: L'autre Canal, Nancy
29.04.2009: Olympic, Nantes
30.04.2009: Epicerie Moderne, Lyon
01.05.2009: Luxor, Köln
03.05.2009: Strand, Stockholm
04.05.2009: Lille Vega, Kopenhagen
05.05.2009: Übel & Gefährlich, Hamburg
06.05.2009: Admiralspalast, Berlin
07.05.2009: Paradiso, Amsterdam
09.05.2009: Circque Royale, Brüssel (Festival Les nuits botaniques)
In der Umbaupause fiel mir sofort eine Sache besonders auf: Dieses riesige Grammophon, das auf einer feinen Holzkiste stand und seine beiden muschelförmig geformten Lautsprecher zu beiden Seiten ausgestreckt hatte. Angeblich soll dieses Ding nicht nur ästhetischen Wert haben, sondern auch der musikalischen Untermalung dienen. Es drehte sich während des Konzertes, das schließlich recht pünktlich gegen 21 Uhr begann.
Zunächst performte der Mann aus Chicago drei Lieder alleine auf seiner Fiedel und gab erste Kostproben seiner verblüffenden Pfeifkünste. Er trällerte im wahrsten Sinne des Wortes schön wie ein Vogel (Bird) und man fragte sich fasziniert, wo er diese Töne rausholte. Auch seine Stimme war perfekt geölt und glasklar.
Trotzdem war der Beginn etwas verhalten, denn Bird performte Dark Matter, Waterjet und Masterswarm (ein super Lied!) hintereinander weg ohne mit dem Publikum in irgendeiner Form zu kommunizieren. Dann wurde die Atmosphäre etwas aufgelockert, als die mehrköpfige Band einmarschierte und für zusätzlichen Druck sorgte. Unter den Musikern war auch ein Saxofonist, der ab und zu auch Klarinette spielte. Die Jungs hielten sich diskret im Hintergrund und überließen Andrew die Show. Das Problem war bloß, daß der gertenschlanke Mann all seine Emotionen in sich hineinlebt, sie nicht mit dem Publikum teilt. In 95 % der Fälle hat er seine Augen geschlossen und wackelt mit seinem Köpfchen hin und her. Er scheint dann irgendwo anders zu sein, schwebt vermutlich über den Wolken. Leute die ihm außerhalb der Bühne begegnet sind, beschreiben ihn als schüchtern, fast authistisch. Diese Einschätzung trifft sich mit meinen Beobachtungen, auch auf mich wirkt er sehr verschlossen und in sich gekehrt. Es ist keine Schande schüchtern zu sein, im Gegenteil, das ist oft eine Qualität. Bloß für einen Musiker, der einen recht großen Saal wie die Cigale in Paris entertainen soll, stellt sich dieser Wesenzug doch eher als Handicap heraus. Kurzum: Trotz sehr guter Musik und exzellenten Songs kam ich nicht so richtig rein in dieses Konzert. Erst mit A Nervous Tic Motion Of The Head To The Left kam zum ersten Mal mehr Bewegung in die Bude. Und mit Oh No, dem Opener des neuen Albums Noble Beast wurde ein herzerwärmender Titel hinterhergeschickt, der eine unwiderstehliche Pfeifmelodie und auch eine ganz feine Melancholie hat. Das Konzert war in seiner besten Phase, keine Frage, zumal Fitz & Dizzyspells herrlich Dampf unter dem Kessel hatte. Erstaunlich auch die Zupftechnik von Andrew Bird. Er bearbeitet seine Geige wirklich auf alle erdenklichen Weisen und wirkt dabei immer virtuos und elegant. Auch sein Gitarrenspiel ist hervorragend. Er ist ein Dirigent, fast so wie Abbado. Aber auch Abbado hatte nicht das Feuer eines Simon Rattle oder das Charisma eines Herbert von Karajan und die Berliner Philharmoniker waren nicht gerade enthousiasmiert von der Arbeit des Italieners, der war einfach zu kühl, zu unnahbar. Bei Andrew Bird ist es ähnlich, der musiziert abgekapselt vom Rest und vergibt so die Möglichkeit, Stimmung, die jeweils zu Beginn der fast allesamt guten Lieder aufkam, mitzunehmen und durch das ganze Stück zu transportieren. Schade, denn mit Klassikern wie Imitosis oder dem famosen Fake Plaindromes ist eigentlich das Songmaterial vorhanden, einen äußerst dankbaren Saal wie die Cigale - hier ist das Publikum immer entgegenkommend, wenig kritisch und in den jeweiligen Künstler verliebt- so richtig zum Beben zu bringen. So reichte es leider nur für langanhaltenden Applaus, der dem riesigen Talent, der Innovationskraft und Musikalität des Amerikaners galt und auch der Tatsache, daß er bei einem Lied auf französisch sang (das Theme von der Muppetshow!), was bei den patriotischen Franzosen, die ihre Sprache für die schönste der Welt halten, immer zieht.
Ansonsten hatte er während des Konzertes einmal versucht, etwas Smalltalk zu betreiben, aber er wirkte dabei ein wenig, wie wenn ein steifer Kerl wie Ex-Finanzminister Eichel versucht, das Tanzbein zu schwingen oder so grobmotorisch wie Angela Merkel wenn sie mit ausgebreiteten Handflächen klatscht. Andrew erzählte, das er sein Fahrrad heute zu Schrott gefahren hatte und wunderte sich darüber, daß es in Paris überall diese Leihfahrräder gibt. Einige Leute schmunzelten darüber, so wie man das von fleißigen und etwas schleimigen Studenten her kennt, wenn der Professor mal einen Witz gemacht hat. Ich hatte schon mal heftiger gelacht, zum Beispiel bei den köstlichen Anekdoten von Billy Bragg ("Don't watch YouPorn, you will regret it and get nightmares!"), aber ganz humorlos ist Andrew Bird natürlich auch nicht.
Ein hochtalentierter Virtuose, dieser Ami, ein brillianter, im wahrsten Sinne des Wortes pfiffiger Musiker, aber kein Entertainer...
Setlist Andrew Bird, La Cigale, Paris:
01: Dark Matter
02: Waterjet
03: Masterswarm
04: Opposite Day
05: A Nervous Tic Motion Of The Head to The Left
06: Oh No!
07: Effigy
08: Fitz & Dizzyspells
09: Natural Disaster
10: Tenuousness
11: Not A Robot, But A Ghost
12: Cataract
13: Anonanimal
14: Imitosis
15: Not Easy Being Green
16: Fake Palindromes
17: Why?
18: Tables And Chairs
19: Don't Be Scared
Zunächst performte der Mann aus Chicago drei Lieder alleine auf seiner Fiedel und gab erste Kostproben seiner verblüffenden Pfeifkünste. Er trällerte im wahrsten Sinne des Wortes schön wie ein Vogel (Bird) und man fragte sich fasziniert, wo er diese Töne rausholte. Auch seine Stimme war perfekt geölt und glasklar.
Trotzdem war der Beginn etwas verhalten, denn Bird performte Dark Matter, Waterjet und Masterswarm (ein super Lied!) hintereinander weg ohne mit dem Publikum in irgendeiner Form zu kommunizieren. Dann wurde die Atmosphäre etwas aufgelockert, als die mehrköpfige Band einmarschierte und für zusätzlichen Druck sorgte. Unter den Musikern war auch ein Saxofonist, der ab und zu auch Klarinette spielte. Die Jungs hielten sich diskret im Hintergrund und überließen Andrew die Show. Das Problem war bloß, daß der gertenschlanke Mann all seine Emotionen in sich hineinlebt, sie nicht mit dem Publikum teilt. In 95 % der Fälle hat er seine Augen geschlossen und wackelt mit seinem Köpfchen hin und her. Er scheint dann irgendwo anders zu sein, schwebt vermutlich über den Wolken. Leute die ihm außerhalb der Bühne begegnet sind, beschreiben ihn als schüchtern, fast authistisch. Diese Einschätzung trifft sich mit meinen Beobachtungen, auch auf mich wirkt er sehr verschlossen und in sich gekehrt. Es ist keine Schande schüchtern zu sein, im Gegenteil, das ist oft eine Qualität. Bloß für einen Musiker, der einen recht großen Saal wie die Cigale in Paris entertainen soll, stellt sich dieser Wesenzug doch eher als Handicap heraus. Kurzum: Trotz sehr guter Musik und exzellenten Songs kam ich nicht so richtig rein in dieses Konzert. Erst mit A Nervous Tic Motion Of The Head To The Left kam zum ersten Mal mehr Bewegung in die Bude. Und mit Oh No, dem Opener des neuen Albums Noble Beast wurde ein herzerwärmender Titel hinterhergeschickt, der eine unwiderstehliche Pfeifmelodie und auch eine ganz feine Melancholie hat. Das Konzert war in seiner besten Phase, keine Frage, zumal Fitz & Dizzyspells herrlich Dampf unter dem Kessel hatte. Erstaunlich auch die Zupftechnik von Andrew Bird. Er bearbeitet seine Geige wirklich auf alle erdenklichen Weisen und wirkt dabei immer virtuos und elegant. Auch sein Gitarrenspiel ist hervorragend. Er ist ein Dirigent, fast so wie Abbado. Aber auch Abbado hatte nicht das Feuer eines Simon Rattle oder das Charisma eines Herbert von Karajan und die Berliner Philharmoniker waren nicht gerade enthousiasmiert von der Arbeit des Italieners, der war einfach zu kühl, zu unnahbar. Bei Andrew Bird ist es ähnlich, der musiziert abgekapselt vom Rest und vergibt so die Möglichkeit, Stimmung, die jeweils zu Beginn der fast allesamt guten Lieder aufkam, mitzunehmen und durch das ganze Stück zu transportieren. Schade, denn mit Klassikern wie Imitosis oder dem famosen Fake Plaindromes ist eigentlich das Songmaterial vorhanden, einen äußerst dankbaren Saal wie die Cigale - hier ist das Publikum immer entgegenkommend, wenig kritisch und in den jeweiligen Künstler verliebt- so richtig zum Beben zu bringen. So reichte es leider nur für langanhaltenden Applaus, der dem riesigen Talent, der Innovationskraft und Musikalität des Amerikaners galt und auch der Tatsache, daß er bei einem Lied auf französisch sang (das Theme von der Muppetshow!), was bei den patriotischen Franzosen, die ihre Sprache für die schönste der Welt halten, immer zieht.
Ansonsten hatte er während des Konzertes einmal versucht, etwas Smalltalk zu betreiben, aber er wirkte dabei ein wenig, wie wenn ein steifer Kerl wie Ex-Finanzminister Eichel versucht, das Tanzbein zu schwingen oder so grobmotorisch wie Angela Merkel wenn sie mit ausgebreiteten Handflächen klatscht. Andrew erzählte, das er sein Fahrrad heute zu Schrott gefahren hatte und wunderte sich darüber, daß es in Paris überall diese Leihfahrräder gibt. Einige Leute schmunzelten darüber, so wie man das von fleißigen und etwas schleimigen Studenten her kennt, wenn der Professor mal einen Witz gemacht hat. Ich hatte schon mal heftiger gelacht, zum Beispiel bei den köstlichen Anekdoten von Billy Bragg ("Don't watch YouPorn, you will regret it and get nightmares!"), aber ganz humorlos ist Andrew Bird natürlich auch nicht.
Ein hochtalentierter Virtuose, dieser Ami, ein brillianter, im wahrsten Sinne des Wortes pfiffiger Musiker, aber kein Entertainer...
Setlist Andrew Bird, La Cigale, Paris:
01: Dark Matter
02: Waterjet
03: Masterswarm
04: Opposite Day
05: A Nervous Tic Motion Of The Head to The Left
06: Oh No!
07: Effigy
08: Fitz & Dizzyspells
09: Natural Disaster
10: Tenuousness
11: Not A Robot, But A Ghost
12: Cataract
13: Anonanimal
14: Imitosis
15: Not Easy Being Green
16: Fake Palindromes
17: Why?
18: Tables And Chairs
19: Don't Be Scared
Links:
- mehr Pics von Andrew Bird hier
- aus dem Archiv: Andrew Bird im Pariser Olympia Ende 2007 hier
- Laura Marling beim Festival Les femmes s'en mêlent hier und im noblen Le Baron hier- Laura Marling im kleinen Pariser Pop In hier
- mehr Pics von Laura Marling hier- Laura Marling beim Festival Les femmes s'en mêlent hier und im noblen Le Baron hier- Laura Marling im kleinen Pariser Pop In hier
- mehr Pics von Andrew Bird hier
2 Kommentare :
Laura Marling didn't play I'm a fly. Instead she closed the set with Alas, I cannot swim.
Thanks. Do you know the names of the new songs Laura played?
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