Mittwoch, 25. Juni 2008

Laura Marling, Paris, 24.06.08


Konzert: Laura Marling

Ort: Le Pop In, Paris
Datum: 24.06.2008
Zuschauer: 80-100
Konzertdauer: 27 Minuten


Gestern erhalte ich folgende e-mail: "Oliver, Laura Marling spielt morgen im Truskel" - Philippe weiss mal wieder alles! Der definitiv grösste Konzertfreak von Paris, der seit zwanzig (!) Jahren keinen guten Gig ausfallen lässt, würde sogar erfahren, wenn Jim "The Doors" Morrison - von den Toten auferstanden - auf seinem Grab in Père Lachaise für ein paar Fans auf der Gitarre kratzen würde!

Eine Legende wie Jim ist Laura Marling noch nicht, aber auch sie scheint sich zu Paris hingezogen zu fühlen. "I love Paris, I'm gonna live here; so I see you guys around", wird sie später sagen. Allerdings äusserte sie diese Liebesbekundungen an die französische Metropole nicht in der Bar Truskel, sondern in dem nicht wirklich grösseren Pub namens Pop In. Laurent, der Patron vom Truskel, hatte sich wohl zu früh gefreut und auf einen weiteren Coup gehofft, nachdem er vor ein paar Wochen Pete Doherty himself in seinem Laden hatte und später ein Foto, das ich von dem Babyshamble geschossen hatte, an das Reissbrett am Eingang heftete.

Schade, ich hätte mir liebend gern Laura im Truskel gesehen, dann wäre ihr vielleicht sogar mein Foto von einem die Gitarre in die Höhe reissenden Pete aufgefallen. Schliesslich sollte Laura ja ursprünglich Herrn Doherty beim Konzert im Grand Rex supporten und da hatte ich mich damals extrem drauf gefreut. Aber es kam anders, Pete wanderte statt auf die Bühne des Grand Rex in den Knast und beim Nachholtermin
(der diesmal bekanntlich wegen der Pannen im Eurostar ausfiel) war der Franzose Daniel Darc support.

Um 21 Uhr 30 stehe ich also mit meiner Frau, (die ich ein wenig hierhin genötigt habe) und Michaël, einem französischen Folk-und Laura Marling Fan, in dem hübschen Pub und warte darauf, dass wir in den Keller hinabsteigen dürfen, in dem Laura später spielen wird.

Engländer die am Geländer lehnen (sind die extra hierfür aus London angereist??), weisen uns darauf hin, dass der Saal noch nicht geöffnet ist.

Hups! Da rauscht plötzlich die zierliche Laura an uns vorbei! Sie trägt eine gestreifte Bluse und - wie immer- enganliegende Jeans und will noch schnell raus, eine Zigarette rauchen.

Dieses Laster sollte sie sich besser abgewöhnen, denn später hustet sie während des Konzertes nach jedem gespielten Lied! Aber von den Eskapaden einer Amy Winehouse ist sie weit entfernt, sie wirkt eher wie das nette, schüchterne Mädchen von nebenan.

Völlig ohne Show schnappt sie sich -nachdem die kleine Besucherschar endlich Zugang zu der herrlich kühlen Kellergruft erhält- ihre Gitarre und legt los. Ihr üblicher Begleiter Marcus Mumford ist nicht dabei, heute gibt es eine reine Soloshow, die zudem akustisch ist.

An dem Vergnügen ändert das aber gar nichts!
Die Magie von Lauras wundervoller Stimme und ihrem reduzierten, aber hocheffizienten Gitarrespiel kommt pur noch besser zur Geltung. Die kleine Blondine mit den himmlischen blauen Augen singt mit 18 Jahren schon wie eine Grosse! Diese Reife bei einem solch jungen Ding ist völlig verblüffend, ja fast irritierend! Wo holt sie die Töne her? Ohne irgendetwas zu forcieren, lässt sie die Noten einfach durch ihr kleines Gold-Kehlchen gleiten und erzeugt damit einen wahren Wohlklang! Laura Marling singt genau so wie Roger Federer Tennis spielt. Mühelos, technisch brilliant, harmonisch, präzise.

Sie kann mit ihrer Stimme machen, was sie will, ob sie nun haucht, trällert wie ein Vogel, oder ein wenig jugendliche Wut und Rage durchschimmern lässt.

Ihrem Alter scheint sie zudem deutlich voraus zu sein und auch ihre ersten beiden Lieder sind so neu, dass sie es nicht mehr auf das Album "Alas I Cannot Swim" geschafft haben, dass in Deutschland noch nicht einmal offiziell erschienen ist.

Das erste heisst "Made A Maid" und hätte auch von Folklegenden wie Joni Mitchell oder Sandy Denny nicht besser geschrieben werden können. "Forgive me I'm only a maid, singt Laura und die Sentimentalität und Melancholie, die von dem Stück ausgeht ist enorm. Warum ist ein solch junges Mädchen so traurig?
Manchmal hätte ich glatt Lust, sie fest zu drücken und zu trösten, die Kleine weckt Beschützerinstinkte!

Oh, meine Güte, dann nauch noch diese hinreissende Ballade "Rebecca", das Mädel macht mich fertig! Mit der Singleauskopplung "Ghosts" geht es weiter und das Tempo wird etwas erhöht. Flink gleiten die schönen Finger von Laura durch ihre Gitarre:
"Lover please do not fall to your knees it's not like I believe in everlasting love", trällert sie herzallerliebst dazu, bevor sie "The Ghost, The Ghost The Ghost" schnell und repetitiv intoniert.

"I'm desperately searching to remember some words in french " sagt sie in der kurzen Pause fast entschuldigend, bevor ihr einfällt: "J'aime Paris!"

Mit "My Manic And I" schiesst sie danach musikalisch den Vogel ab. Diese tieftraurige Ballade treibt mich fast immer zu Tränen. Der Text geht mir einfach zu Herzen:

- And I hardly know you I think I can tell, these are the reasons I think we are ill
- And the gods that he believes never fail to disappoint me
- And birds a singing to calm us down (ihre Stimme hat in der Tat etwas Beruhigendes, als sie das singt)

Wieder frage ich mich: warum ist diese niedliche kleine Ding so traurig? Ich würde sie jetzt am liebsten knuddeln, aber meine Frau steht gleich neben mir und ausserdem will ich ja auch noch ein paar Lieder geniessen.

Unter den in der Folge gespielten Songs ist erneut ein wunderbarer Non-Album Track vertreten, aber besonders gut gefällt mir auch ein Cover-Song eines ebenfalls blutjungen und hochtalentierten englischen Folksängers: Johnny Flynn! Wow!

"Cross your fingers" zeigt dann noch einmal die gesamte Bandbreite der Stimme der jungen Engländerin und auch der Text ist wieder bitter süss: cross your fingers, we all gonna die when the building blows! Wie auf dem Album geht das Lied über in das beherzte "Crawled Out Of The Sea" ("straight into my arms") und Laura geht zum ersten Mal richtig aus sich heraus. Eine Wonne!

Das fast fröhlich beschwingte "Alas I Cannot Swim" (der Hidden Track auf dem Album) beendet den schönen Traum und auch textlich macht die junge Frau noch einmal ihre bescheiden-sympathische Haltung deutlich: "there is gold across the river, but I don't want none"...

Recht hat sie! Trotz des riesigen Talents immer schön auf dem Teppich bleiben! Dann wird es auch etwas mit einer langen Karriere, die ich ihr von Herzen gönne. Eine Pariserin wünscht ihr übrigens nach dem Konzert für die Zukunft einen Auftritt im riesigen Stadion von Bercy. Ich hingegen hoffe eher, sie einmal in der Cigale oder im Olympia zu erleben. Ihre wundervoll intime Musik verträgt sich nämlich nicht mit riesigen Hallen...

Setlist Laura Marling, Pop In, Paris:


01: Made A Maid
02: Rebecca
03: Ghosts
04: My Manic And I
05: Your Only Doll (Dora)
06: neu
07: The Wrote And The Writ (Johnny Flynn Cover)
08: Cross Your Fingers
09: Crawled Out Of The Sea
10: Alas I Cannot Swim


Links:

- Made A Maid live in einer englischen Kirche (St Stephens Church)
- Cross Your Fingers live in der gleichen Kirche
- Ghosts live ebenda
- My Manic And I live
- Rebecca live (leider falschrum gefilmt, aber das Lied bleibt traumhaft!)
- Ghosts, Original Videoclip
- My Manic And I, Original Videoclip

- Laura Marling, meine Konzertreview aus dem Pariser Baron
- Konzertreview, Maroquinerie, Paris






7 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

...wohnt Laura eigentlich in Paris, oder warum schreibst du gefühlte 3x die Woche über sie?

Oliver Peel hat gesagt…

Haha, super Kommentar, Christina!
Laura will wirklich nach Paris ziehen! Hat sie zumindest gesagt. Später mehr dazu...

E. hat gesagt…

1.) hihi!

2.) ich würde auch nach paris ziehen, wenn ich wollte.

3.) außerdem bin ich noch immer kein laura marling fan.

Christoph hat gesagt…

Ich wollte nicht nach Paris ziehen, auch wenn ich die Stadt mag.

Ob ich Laura-Marling-Fan bin, weiß ich noch nicht, ihre Frisur mag ich aber.

Anonym hat gesagt…

Ich würde nie nach Paris ziehen wollen, und auch nie eine Frisur wie Laura haben wollen würden. (musikalisch kann ich mich mal wieder nicht dazu äußern)

Anonym hat gesagt…

...was aber meine ursprüngliche Frage nicht beantwortet. Hat sie dann vielleicht eine Dauerkarte für l'Eurostar?

Oliver Peel hat gesagt…

@ Eike:

Du wirst auch noch zum Fan! Sei nicht so stur :)

@ Christoph:

Du beweist guten Geschmack, wenn Du Laura's zauberhaften Kurzhaarschnitt magst!

@ Christina:

Laura spielte anschliessend noch einen privaten Gig im Museum Centre Pompidou. Die Herrschaften, die sie dahin eingeladen haben, dürften sicherlich auch das Zugticket oder den Flug bezahlt haben...

 

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