Konzert: Mina Tindle
Ort: L'International, Paris
Datum: 14.04.2009
Zuschauer: hmm, ca. 150? Es war brechend voll, wen wundert's?
Konzertdauer: ca. 35 Minuten + 15 Minuten JP Nataf und 30 Minuten Sidi Ali
Mina Tindle ist sensationell toll, das habe ich hier auf dem Konzerttagebuch ja schon mehrfach gesagt! Allerdings schwärme ich ja gerne mal, wenn mir etwas sehr gefällt und meine Vorliebe für Folk und Pop aus Frankreich ist nicht zu leugnen. Deshalb möchte ich mal drei andere Belege ins Feld führen, die untermauern, daß Mina Tindle und ihre Begleitband wirklich außergewöhnlich ist:
1: Mina Tindle spielt in Kürze im Vorprogramm von Beirut (!) und zwar in Brüssel (6. Mai, Cirque Royale) und in Paris (12. Mai, Bataclan). Gerade in Brüssel wäre es für die Veranstalter ein Leichtes gewesen, irgendeine belgische Band zu verpflichten.
2: Toyfight, die Band in der Mina auch mitspielt-und singt, sind beim renommierten Berliner Label City Slang (Arcade Fire, Lambchop, Get Well Soon und so viele andere Granaten) gesignt und werden bald in Deutschland auftreten und eine Charmeoffensive starten. Maxime, ihr Pianist, ist ebenfalls Mitglied von Toyfight.
3: Eine der besten Konzertfotografinen im Netz, Kirstiecat (eine Dame) aus Chicago ist riesiger Fan von Mina Tindle, Toy Fight, The Limes, Orouni und all den anderen Gruppen, die im Kollektiv zusammenarbeiten. Sie geht fast täglich auf Konzerte und sieht ständig interessante Acts. Aber die Franzosen haben es ihr ganz besonders angetan!
Reicht das? Nein? Dann muß ich wohl noch einmal so richtig schwärmen! Auf geht's!:
Der Konzertabend begann recht zäh. Als ich gegen 21 Uhr in der Bar L' International eintraf, war der Zugang zum Keller, wo die Konzerte stattfinden, noch mittels einer Kette versperrt. Ich vertrat mir deshalb im Viertel die Füße und flanierte ein wenig durch das quirlige und multikulturelle Oberkampf. Eine halbe Stunde später hatte ich meinen Spaziergang beendet, aber die Kette war immer noch gespannt. Man fragte mich, wann es denn hier losgehe. Witzig, daß Leute immer mich fragen, als wüßte ich mehr als die anderen! Das erinnerte mich an das verrückte Konzert von Peter Doherty im Truskel, als mich permanent Leute fragten, wann Peter denn nun endlich eintreffe. Dabei hatte ich genau wie alle anderen (bis vielleicht auf den Tourmanager) keinen blassen Schimmer...
Gegen 21 Uhr 45 tat sich dann endlich was und den Besuchern wurde Zugang zum Keller gewährt. Sidi Ali legte mit einer kanadischen Militärweste bekleidet, alleine an der Gitarre los. Ich kannte ihn nicht und war auch viel zu müde, um seinen sehr ruhigen Songs Aufmerksamkeit zu schenken. Onwohl er keineswegs schlecht war, war das die falsche Musik zur falschen Zeit. Ich dämmerte dahin und wurde erst etwas wacher, als er zum letzten Lied, As A Song eine junge Frau auf die Bühne bat und mit ihr zusammen den Abschlußsong intonierte. Er spielte hierbei Banjo.
Am Banjo verdingte sich im Anschluß auch das Pariser Original JP Nataf. Der umtriebige Musiker und Schauspieler mit dem Rauschebart und dem chlochardhaften Look ist immer bei Konzerten von Mina Tindle dabei. Er ist väterlicher Ratgeber, Fan und sehr oft Begleitmusiker. Heute trug er aber auch vier auf französisch gesungene Eigenkompositionen vor. Das war musikalisch ansprechend, aber ich war jetzt ganz heiß auf den Auftriit von Mina Tindle. und konnte kaum warten. Die Süße, sie ließ das immer zahlreicher werdende Publikum, darunter Pariser Bands und Musiker wie Nelson, The Rodeo und Red, ganz schön zappeln!
Heiß war das richtige Stichwort, denn die Temperaturen waren tropisch und kletterten durch den regen Besucheranstrom noch einmal ein paar Grad in die Höhe. Man hatte das Gefühl, daß ganz Paris Mina Tindle sehen wollte, was ich nur zu gut nachempfinden kann!
Obwohl die Blondine mit dem Pagenkopf und dem entzückenden Lächeln noch keinerlei Tonträger auf den Markt gebracht hat, ist das Interesse an ihr schon ziemlich groß. Auftritte in der Flèche d'Or und im Motel haben Indie-Fans hellhörig werden lassen und die Fangemeinde wächst stetig. Wir Pariser können froh sein, daß wir sie hier noch so nah und gratis erleben können, das wird schon bald nicht mehr möglich sein! Die Frau kommt noch groß raus, darauf würde ich wetten!
Zum einen liegt das an ihrer außergewöhnlichen Stimme, in der es einen (recht großen!) Schuß Jazz und Soul gibt und zum anderen an ihren hochcharmanten , melancholischen Liedern, die in der Regel sanft und getragen beginnen, aber teilweise im weiteren Verlaufe eine flottere Gangart einschlagen, wo dann auch der tolle Drummer Thomas Pivot mal etwa zu tun bekommt. Jaulende E-Gitarren wie bei PJ Harvey gibt es allerdings bei Mina nicht. Stattdessen werden dezent Kastagneten (beim Opener Lone Rider), Melodica, Glockenspiel, Piano und Banjo eingesetzt und lassen so noch genug Luft zum Atmen für Minas begeisternde Stimme. Allein ihrer Mimik beim Singen zuzusehen ist ein Genuß! Manchmal verzieht sie das Gesicht als hätte sie in eine Zitrone gebissen, ein anderes Mal wirkt sie veträumt und versunken und ab und zu lacht sie auch einfach vor purer Spielfreude und guter Laune.
Schade bloß, daß es im Netz noch nicht allzuviele Lieder der jungen Dame zu finden gibt, die es ermöglichen, den heutigen Konzertabend nachzuerleben. Vom Set des Abends ist lediglich The Kingdom auf MySpace zu finden und da klingt sie wie eine französische Feist, nur besser. Und Humor hat sie auch! Als Leute aus Übermut und aufgrund der unerträglichen Hitze riefen: "a poil! ", also "zieh dich aus" , reagierte sie ganz gelassen und sagte: "Stimmt, das nächste Lied heißt so ähnlich: Apple !"(man bedenke die französiche Aussprache bei englischen Wörtern, die sich aber beim Gesang kaum bemerkbar machen, weil Pauline, wie Mina bürgerlich heißt, eine Zeitlang in Amerika gelebt hat).
Kurzum: A Lovely Day, so auch der Name des letzten Liedes vor der Zugabe. Und : A great talent!
Setlist Mina Tindle, L'International, Paris:
01: Lone Rider
02: To Carry
03: The Kingdom
04: The Good
05: Apple
06: Too Loud
07: Lovely Day
08: Austin (Z)
Pour nos lecteurs français:
La traduction de ce texte va suivre très bientôt! J'ai besoin de ma feme française pour la faire :)
Sinon, quoi dire: Mina Tindle est splendide! Quelle voix! Quelle talent!
Plus de photos de Mina Tindle ici:
3 Kommentare :
Wie sehen denn kanadische Militärwesten aus? Sind da bunte Ahornblätter statt Flecken drauf?
Ausziehen-Rufe sind ja sehr schlimm. Das hat kein Künstler verdient, besonders dann nicht, wenn er so gut ist, wie Du Mina schilderst. Bin sehr gespannt, mal Musik von ihr zu hören!
So shen die kanadischen Westen aus:
http://www.flickr.com/photos/oliverpeel/sets/72157616816045716/
Ausziehen-Rufe gibt es bei jedem Konzert in Frankreich. Immer wenn ein Künstler zwischen zwei Liedern das Mikro ergreift, ertönen sie. Sogar bei den Fleet Foxes. Ein running gag. Franzosen sind manchmal sehr albern...
Ach, die hatte ich im Artikel gesehen. Aber ich hatte als Militärweste so ein Tarnding vor Augen, die auch bei Zivilisten extrem beliebt sind.
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