Donnerstag, 19. Januar 2012

Laura Gibson & Dear Reader, Paris, 18.01.12


Konzert: Laura Gibson & Dear Reader
Ort: LePoint Ephémère, Paris

Datum: 18.01.12

Zuschauer: nicht ausverkaufte, aber gut besuchte Veranstaltung, etwa 200



Was für ein wundervolles Line-Up im am idyllischen Canal Saint Martin gelegenen Club Le Point Ephémère! Dear Reader aus Südafrika und Laura Gibson aus Portland, Oregon, USA standen im Rahmen von "en attendant les femmes mêlent"* auf dem Programm und zogen etwa 200 Musikfans an.


Für mich war es eine ganz besondere Veranstaltung, hatte ich doch Ende 2009 Laura Gibson zu einer Oliver Peel Session in mein Wohnzimmer geladen, die mir und meinen Gästen unvergesslich bleiben wird. Seitdem ist etwas Zeit ins Land gegangen und die gute Laura hat inzwischen ihr drittes, unglaublich gut rezensiertes Album La Grande auf den Markt gebracht. Zum ersten Mal auf City Slang aus Berlin im Übrigen und zur Feier des Tages war Chef Cristof Ellinghaus persönlich von der Spree an die Seine gekommen. Er und die anderen Besucher erlebten ein sehr charmantes und erlesenes Konzert der großgewachsen rötlich-blonden Dame aus Portland.



Laura erschien mit hübschen hellbraunen Cowboy Boots und zwei Begleitmusikern an Gitarre bzw. Piano (Brian J Perez) und Schlagzeug (Matthew Rubin Berger), die, wenn mich nicht alles täuscht, zu Musée Mécanique gehören. Die drei Sympathen harmonierten sehr gut zusammen und schufen einen Wild West Sound, der einen interessanten Kontrast zur Kühle und Schlichtheit der Location (eine alte Fabrikhalle) bildete. Oft fühlte man sich an Ennio Morricone und die mystische, heiße Wüstenstimmung seiner Soundtracks erinnert, aber auch an die 20 er und 30 er Jahre und alte Grammofonaufnahmen musste man denken, denn Laura Gibson setzte ihre Stimme sehr retrohaft ein und bediente sich dazu gleich zweier Mikrofone, die jeweils unterschiedlich den irreal schönen Gesang wiedergaben. Gespielt wurden fast auschließlich Titel des neuen Albums La Grande. Ein Werk, daß ich vor dem Konzert noch nicht besaß, so daß ich wirklich unbedarft und neugierig in diese Show ging. Aber ich wurde nicht enttäuscht, die Neulinge entwickelten sehr spontan ihren (im guten Sinne) altmodischen Reiz und vor allem Skin, Warming Skin ging mit seinem Singalong direkt ins Ohr. Tanzbar im eigentlichen Sinne waren die Stücke dennoch nicht, was eine recht große Gruppe lesbischer Pärchen in der Mitte des Saales nicht davon abhielt, sich im Wiegeschritt über das Parkett zu drollen. Das war zwar anfänglich relativ lustig, aber auch ein wenig irritierend, weil man das Gefühl hatte, daß sich die Mädels ein wenig über Laura Gibsons Musik lustig machten. Aber sei's drum, etwas Lockerheit und Ausgelassenheit kann bei Konzerten der Amerikanerin gar nicht schaden, weil sie damals doch immer so traurig und bedrückt wirkte. Neuerdings geriert sie sich energischer, beweglicher, einsatzfreudiger und lächelt auch mehr zwischen den Songs. Die gute Presse scheint ihr Auftrieb gegeben, ihr Selbstbewußtsein gestärkt zu haben, was aber nichts an ihrer Natürlichkeit und Bescheidenheit im Auftritt änderte. Und wer wie Eike vom klienicum die Besorgnis äußerte, Laura werde nun Sektglashalter und oberflächliche Zuschauer anziehen, konnte beruhigt werden. Nach wie vor war das Publikum sehr fachkundig und wenn überhaupt (Franzosen sind keine großen Schluckspechte) dann wurde nicht Sekt, sondern Bier aus Bechern getrunken.

Aber noch mal ein paar Sätze zu den einzelnen Liedern. Neben Skin stach auch der für Gibsonsche Verhältnisse recht flotte Titeltrack La Grande heraus, der hinsichtlich der Instrumentierung an den Arizona- Sound von Calexico denken ließ, was aber nicht weiter verwunderlich war, wenn man weiß daß Joey Burns bei den Aufnahmen zu dem Album aktiv mitgwirkt hat. Und die schönste Ballade war zweifelsohne Crow/ Swallow, die in einen kurzen akustischen Teil einleitete, den Laura Gibson ganz allein bestritt. Sie gab den Klasiker In The Pines (bekannt geworden durch Nirvana) und Time Is Not zum Besten, bevor die beiden Musiker wieder aus der Kabine geklettert kamen * und gemeinsam noch The Fire und das nebelverhangene The Rushing Dark gespielt wurde.

Das Publikum applaudierte eifrig und zum Glück führte diese Aufmunterung noch dazu, daß der stimmungsvolle alte Klassiker Hands In Pockets gebracht wurde. Zwar versemmelte Brain Perez ein wenig den Melodica Part (was Laura heimlich schmunzeln ließ), aber der Song war dennoch eine ganz besondere Gaumenfreude, die ich nicht hätte missen wollen. Gleiches gilt im Übrigen für den alten Hit Spirited, der mitsamt seiner ohrwurmigen Singalong- Passage im Mittelteil zelebriert worden war.

Setlist Laura Gibson, Point Ephémère, Paris

01: La Grande
02: Milk-Heavy, Pollen Eyed
03: Lion/Lamb
04: Skin, Warming Skin
05: Feather Lungs
06: Red Moon
07: Spirited
08: Crow/Swallow
09: In The Pines (Leadbelly)
10: Time Is Not
11: The Fire
12: The Rushing Dark

13: Hands in Pockets

Vor Laura Gibson war bereits eine andere junge Dame an den Start gegangen, die am Ende des Sets von Laura auch noch einen gefeierten Gastauftritt hatte. Die Rede ist natürlich von der Südafrikanerin Cherilyn MacNeil alias Dear Reader, die mit insgesamt 5 köpfiger Band auflief. Neben ihr gab es mit der hübschen Geigerin (bzw. Mulitinstrumenstalistin) auch noch eine weitere Dame anzuhimmeln. Und himmlisch war der Hör (und Seh)-Genuß in der Tat. Mit ihrem gewohnt umwerfenden Charme zelebrierte Cherilyn ihre fragilen Folkpop-Songs und brachte etliche Zuschauer schon nach ein paar Minuten zum Schmelzen. Bereits der Opener Fox (Take Your Chances) war hochfein und erlesen und hätte nicht schöner in den Abend einführen können.

Ziemlich schnell fiel mir auf, daß mich McNeil an die junge Amerikanerin Maia Vidal erinnerte, sowohl optisch (die kurzen Hare, das niedliche Lächeln) als auch stimmlich. Beiden Künstlerinnen wird ab und an vorgeworfen, es mit der Lieblichkeit und dem Zartschmelz zu übertreiben, aber im rauen und stressigen Paris (eine romantische Stadt? Nö!) kann ein wenig Schmalz gar nicht schaden. Zumal Dear Reader wirklich geschliffene Kompositionen haben, die sie auch äußerst harmonisch rüberbringen. Das Zusammenspiel der fünf Musiker, die aus verschiedenen Ländern udn Kontinenten stammen, klappte jedenfalls hervorragend und die Stimmung war gelöst und feierlich. Da wurde oft gelächelt, Anekdötchen erzählt und auch im Französischen versuchte sich Cherilyn, mit durchaus ordentlichen Ergebnissen. Allzu gerne hätte ich natürlich getestet, wie ihre Deutschkenntnisse inzwischen sind- schließlich wohnt die Gute ja nun in Berlin- aber das ließ ich lieber, schließlich wollten wir hier ja Musik hören und kein verspätetes Kaffeekränzchen abhalten.



Dear Reader besannen sich weitestgehend auf ihr neues Album Idealistic Animals, das in Frankreich erst in diesem Januar 2012 erschienen ist. Man findet darauf etliche einschmeichelnde Balladen, die zwar ab und zu knapp an der Bombastgrenze vorbeischlittern, aber live so emotional und aufrichtig gespielt wurden, daß nur ewige Nörgler meckern konnten. Toll auch, daß mit Dearheart und Great White Bear auch ein paar alte Favoriten eingestreut wurden. Das Ende war besonders gelungen und vor allem Mole hatte ein stark anziehendes, sehr inniges Moment.



Etwa 45 Minuten erfreuten Dear Reader die Pariser Zuschauer und am Ende flogen ihnen regelrecht die Herzen zu. Auch der Absatz am Merch-Stand schien mir sehr gut gewesen zu sein. Verdient!

Setlist Dear Reader, Point Ephémère, Paris

01: Fox (Take Your Chances)
02: Bear (Young's Done In)
03: Dearheart
04: Earthworm (All Hail Our Ailing Mother)
05: Elephant (Hearter)
06: Whale (Boohoo)
07: Camel (Not Black Or White But Camel)
08: Release Me
09: Great White Bear
10: Man (Idealistic Animals)
11: She's Her's he's His I'm Mine
12: Mole
13: Go Home Now

* eine Aufwärmveranstaltung für das im März stattfinden Festival Les femmes s'en mêlent
* eigentlich kamen die Herren zu früh zurück und verschwanden dann- die Türe laut zuknallend-, noch einmal. Alle lachten!

Fotos Dear Reader in Kürze!






Tourtermine Laura Gibson:

02.01.2012: Botanique, Brüssel
21.01.2012: Paradiso, Amsterdam

danach Tour durch die USA und dann:

03.04.2012: Ekko, Utrecht
05.04.2012: Cultureel Podium, Ottersum
18.04.2012: BeatPol, Dresden
19.04.2012: Grüner Salon, Berlin
24.04.2012: zakk, Düsseldorf
25.04.2012: Das Bett, Frankfurt
28.04.2012: Dachauer Kultur-Schranne
29.04.2012: El Lokal, Zürich

Berichte aus unserem Archiv:

Dear Reader, Weinheim, 15.09.11
Dear Reader, Frankfurt, 11.09.11
Dear Reader, Wien, 08.10.09
Dear Reader, Marburg, 06.10.09
Dear Reader, Düsseldorf, 28.09.09
Dear Reader, Haldern, 15.08.09
Dear Reader, Berlin, 07.08.09
Dear Reader, Paris, 06.05.09
Dear Reader, Nijmegen, 25.04.09
Dear Reader, Köln, 18.04.09
Dear Reader, Paris, 19.02.09
Dear Reader, Köln, 12.02.09

Laura Gibson, Paris, 20.04.10
Laura Gibson, Paris, 12.12.09

Anmerkung: die hübschen Fotos (Ausnahme pic 1 by Oliver Peel) stammen von David von starsareunderground.Merci!!



4 Kommentare :

E. hat gesagt…

meine befürchtungen hast du noch nicht komplett vom tisch gewischt. ich harre der dinge.

etwas mehr enthusiasmus hätte ich mir deinerseits schon gewünscht. wie stand es um die verstiegenheit, das innige moment, was laura so auszeichnet. oder breitete sie ihre gefühlgemengelage vor allen aus? wie verbunden schien sie mit den neuen songs? unterscheiden sie sich gegenüber älterem songwerk live sehr?

das neue album höre ich sehr gemischt, hier songs, die ich nicht mehr missen mag, dort fast schon vernachlässigbares (zu derb ausgedrückt.).

Oliver Peel hat gesagt…

Jetzt verstehe ich aber nur noch Bahnhof, Eike! Du hörst das neue Album sehr gemischt? Auf Facebook hattest du dich diesbzgl noch folgendermaßen geäußert:

"das neue album ist sehr gut. wenige tracks, die ich nur halben herzens goutiere. der zuspruch, den laura aktuell erhält, ist völlig verdient"

Was gilt denn jetzt?

Hinsichtlich der Livedarbietung der neuen Songs kann ich nur sagen, daß der Vergleich zu früheren Auftritten nicht leicht fällt. Damals hatte sie Micah und Sean, also andere Begleitmusiker, dabei und es gab kein Schlagzeug. Deshalb klang es früher akustischer, folkiger.Die Grundstimmung hat sich aber nicht geändert, das innige Moment gibt es weiterhin und Laura ist nach wie vor eher introvertiert.

Und ich war doch enthusiastisch. Laura war famos!!!

E. hat gesagt…

ja, du hast recht, oliver. es ist zudem ein wenig zeit ins land gezogen, sodass ich meine meinung etwas anpassen musste.

E. hat gesagt…

ja, du hast recht, oliver. es ist zudem ein wenig zeit ins land gezogen, sodass ich meine meinung etwas anpassen musste.

 

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