Mittwoch, 26. August 2015

Interpol, Wiesbaden, 25.08.15


Konzert: Interpol
Ort: Schlachthof, Wiesbaden
Datum: 25.08.2015
Dauer: Interpol gut 75 min, Abay knapp 40 min
Zuschauer: rund 1.200



Mit Interpol und mir ist das so eine Sache. Die ersten beiden Platten sind Teil des Weltkulturerbes und werden immer Lieblingsalben bleiben. Aber einige der Konzerte der New Yorker, die ich in den letzten Jahren gesehen habe, hatten nicht annähernd die Wirkung, die ihre Musik auf Platte auf mich hat. Mir geht das sonst immer nur umgekehrt. Ich habe es schon oft erlebt, daß mich Konzerte enorm begeistert haben, die Studioaufnahmen aber viel schwächer waren. 


Vor dem Konzert habe ich überlegt, wie oft ich Interpol schon live gesehen habe. So genau fiel mir das nicht ein. Als ich im Kopf recherchiert habe, kam dabei raus, daß mich ausgerechnet die drei Festival-Auftritte der Amerikaner richtig begeistert haben. Die Shows in großen Hallen (Köln, Dortmund) waren mau. Eigentlich hätte ich also wieder fahren müssen, ich stand schließlich gerade vor einer recht großen Halle. Als das Konzert drei Stunden später vorbei war, war die neuentdeckte Regel wieder futsch. Interpol hatten ein fantastisches Konzert gespielt, sie können das also auch jenseits von Festivals.

Die aktuell eingeschobenen Club-Konzerte gehören noch zur El Pintor Tour, also zur Tour zum aktuellen Album. Das Cover der Platte war auch riesig im Bühnenhintergrund zu sehen, bevor die Band erschien, danach verschwand es im Nebel. Das war durchaus sinnbildlich. Normalerweise ist es ja so, daß eine Band, die eine aktuelle Veröffentlichung promotet, viele Lieder davon spielt. Wenn das Album schwach ist, muß man als Fan da durch und auf die nächste Tour warten, bei der nur noch ganz wenige der Stücke im Programm geblieben sind. El Pintor ist nicht schwach. Daß Interpol auf ihrer El Pintor Tour nur vier Lieder der Platte spielen bedeutet also.. ich weiß es nicht. Vom vierten Album Interpol stand kein Lied auf der Setlist, elf der siebzehn Songs kamen von den ersten beiden Platten. Von den überragenden also. Aus Marketing-Gesichtspunkten sicher eine Katastrophe, aus meiner Sicht wundervoll! Daß das El Pintor Cover hinter der Bühne während des Konzerts also ausgeblendet war, war offenbar Teil des Konzepts.


Bei meinem letzten großen Interpol-Konzert im Januar im Kölner Palladium hatte die Band lustlos gewirkt. Einzig der mir damals neue Bassist war aktiv. Nur war auch das leider genau falsch. Er poste wie ein Luftgitarren-Weltmeister (oder Bon Jovi-Mitglied) und wirkte wie ein Fremdkörper in der stylishen Band, die die Kühle ihrer Musik auch so gut auf die Bühnenpräsenz überträgt. Ein Bass-Hampelmann passt da wirklich nicht ins Bild. In Wiesbaden gab es nichts an ihm auszusetzen. Er scheint, auch wenn das eine widerliche Floskel ist, angekommen zu sein. Oder man hat ihn entsprechend geführt.

Spätestens ab Evil war das Konzert perfekt. Die Songauswahl stimmte, der Ton war hervorragend, die Stimmung in der Halle perfekt. Vielleicht waren das auch die Gründe, warum Sänger Paul Banks so redselig war. Er sprach fast nach jedem Lied mindestens ein "thank you". Von routinierter Lustlosigkeit war nichts zu spüren. Daß das Konzert für eines dieser Größenordnung so angenehm war, liegt auch stark an der fabelhaften großen Halle des Schlachthofs. Außer der Rockhal in Luxemburg kenne ich keine Konzertsaal dieser Deimension, der so angenehm für Konzerte ist. Mir graut vor zweimal Morrissey in den Pest- und Cholera-Sälen Palladium und Hugenottenhalle. Veranstaltet alles in Wiesbaden, dann machen Großkonzerte auch Spaß!


In Köln mochte ich zwei meiner Lieblinge (Leif Erikson und Stella...) gar nicht, weil sie lustlos runtergerotzt waren. Im Schlachthof bekamen sie die Aufmerksamkeit der Band, die sie verdient haben. Beide Stücke gehörten zu den Highlights! Aber auch Slow hands, Untitled, Narc und wie sie alle heißen waren überwältigend gut. Daß My blue supreme von El Pintor dagegen abfiel und The new zwar ein großartiges aber nicht unbedingt konzerttaugliches Lied ist... geschenkt! 

Vor dem Konzert hatte der Roadie die Becken des Interpol-Schlagzeugs noch mit einem Staubtuch gesäubert. Interpol sind Perfektionisten, folgt daraus wohl. Das Wiesbaden-Konzert war nah dran an einem perfekten Auftritt der Band!

Setlist Interpol, Schlachthof, Wiesbaden:

01: Say hello to the angels
02: Anywhere
03: C'mere
04: My blue supreme
05: Evil
06: Leif Erikson
07: My chemistry
08: Everything is wrong
09: The new
10: Take you on a cruise
11: Length of love
12: Pioneer to the falls
13: Narc
14: Slow hands

15: Untitled (Z)
16: Stella was a diver and she was always down (Z)
17: All the rage back home (Z)


Vor Interpol spielte Aydo Abay mit seiner neuen Band Abay. Ich muß gestehen, daß Aydos frühere Gruppen Blackmail und Ken zu meinen irrwitzig vielen Musiklücken zählen. Abays Musik (die der Band) ist Post Pop, sagt der Sänger. Sie ist aber vor allem alles andere als langweilig oder schlecht. Mir gefielen die vierzig Minuten sehr gut. Aydos tolle Stimme prägt die Musik, die lebt aber nicht nur von ihr. Das taugte sehr viel und hatte immer mal wieder Interpol-Momente, wenn vor allem bei den ersten Stücken schnell gespielte Gitarren zum Einsatz kamen. Gucke ich mir wieder an! 

Links:


- aus unserem Archiv:
- Interpol, Barcelona, 28.05.15
- Interpol, Köln, 25.01.15
- Interpol, Hilvarenbeek, 20.06.14
- Interpol, Saint Cloud, 28.08.11
- Interpol, Barcelona, 26.05.11
- Interpol, Paris, 15.03.11
- Interpol, München, 12.03.11
- Interpol, Dortmund, 22.11.10
- Interpol, Paris, 17.09.10
- Interpol, Montreux, 16.07.08
- Interpol, Brüssel, 23.11.07
- Interpol, Paris, 21.11.07
- Interpol, Köln, 19.11.07
- Interpol, Hohenfelden, 17.08.07
- Interpol, Köln, 11.05.07
- Interpol, Paris, 10.05.07



2 Kommentare :

Oliver Peel hat gesagt…

The New halte ich für einen der stärksten Songs auf der aktuellen Tour, unglaublich was sie aus dem Stück live rausholen. My Blue Supreme ist ebenfalls ein guter Song, auch live. Ansonsten stimme ich dir natürlich zu.

1000sachenmuell hat gesagt…

Vielen Dank für den tollen Artikel. Es war erst mein drittes Interpol-Konzert und ich fand es großartig. Setlist wunderbar, Paul sehr gut gelaunt. Das Publikum war nach meinem Geschmack zu ruhig, störte sich aber nicht an meinem Rumgehopse.

 

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