Donnerstag, 1. September 2011

Interpol, Festival Rock en Seine, 28.08.11


Konzert: Interpol

Ort: Grande Scène, Domaine National de Saint Cloud bei Paris, Festival Rock en Seine
Datum: 28.08.2011, 20-21Uhr
Zuschauer: viele
Konzertdauer: eine Stunde


Ich bin riesiger Fan von Interpol, unsere Stammleser wissen das. Umso erfreuter war ich, als ich vor ein paar Monaten erfuhr, daß die Band aus New York beim diesjährigen Fetsival Rock en Seine vor den Toren von Paris antreten sollte.

Meine Vorfreude wurde noch mehr angeheizt, nachdem ich mit meiner Frau im Urlaub im Mietwagen unentwegt das vierte, selbstbetitelte Album gehört habe. Ein subtiles Meisterwerk, das seine Stärken erst nach dem x-ten Hördurchgang voll entfaltet. Wer es als enttäuschend bezeichnet, hat es einfach nicht oft genug gehört. Die Suchtwirkung ist auf lange Sicht jedenfalls immens.

Bei Rock en Seine wurde selbstverständlich auch Material vom aktuellen Opus gespielt und schon gleich zu Beginn Success angestimmt. Leider verpuffte der Song ziemlich wirkungslos und selbst beim postpunkigen und extrem schnellen Uraltsong Say Hello To The Angels blieb es bei einzelnen Zuckungen im Publikum, viel mehr ging nicht ab. Mir schwante Böses, ich stellte mich vorsorglich schon einmal auf einen recht ernüchternden Festivalauftritt ein. Schuld an der anfänglich relativ mauen Stimmung war sicherlich der Sound. Er war einfach zu leise, um Adrenalinausstöße zu befördern und auch das Mikro von Paul Banks war zu niedrig eingestellt, um die Meute durcheinanderzuwirbeln. Möglich aber auch, daß die Band selbst noch nicht richtig warm war. Interpol sind keine klassischen Frühstarter und brauchen immer eine Weile, um auf Betriebstemperaturen zu kommen. Die smarten, durchgestylten Schwarzträger sind einfach zu unterkühlt, um auf Knopfdruck aus sich raus zu gehen. Auch heute standen sie zunächst wieder cool as fuck in der Gegend rum und ließen sich wie eitle Pfaue für ihr gutes Aussehen bewundern. Paul Banks trug eine schwarze Sonnenbrille (die ihm eine Ähnlichkeit mit Heino verlieh!) und ein schwarzes Jacket über einer engen hochgeschlossenen Sportweste, Daniel Kessler erschien wie immer piekfein in Anzug und Krawatte und der langhaarige Basser Brad Truax trug ein weit geöffnetes weißes Hemd zum dunklen Jacket. Nur Drummer Sam Fogarino kam lediglich mit hellblauem Hemd und wirkte dadurch etwas lockerer als die anderen.

Dann aber ging plötzlich ein Ruck durch die Band und fast symptomatisch dafür war, daß Paul Banks Sunglasses und Jacket fallen ließ und sich "unverkleidet" den Fans offenbarte. Sein Gitarrenspiel wurde nun energischer und schneller, seine Mimik aggressiver und angriffslustiger und seine Stimme fester und lauter. Das Konzert hatte deutlich an Fahrt aufgenommen, die Aufwärmphase war nun vorbei. Crowdsurfer ließen sich über die Köpfe der Festivalbesucher heben und wurden vorne von der Security rausgehievt, die jungen Mädchen tanzten und auch mein Puls schlug nun heftiger.

Spätestens mit dem treibenden Barricade war der Knoten geplatzt und Oldie C'mere heizte noch weiter ein. Jetzt war sie da, die gute Stimmung, die ich mir erhofft hatte und auch das Wetter trug zum stimmungsvollen Ambiente bei! Inzwischen war die Sonne fast untergegangen und am Horizont wurde es rosafarben und heimelig. Das Konzert nahm magische Züge an, wurde immer dichter, immer emotionaler. Atmosphärischer Höhepunkt war dann ohne jeden Zweifel Take You On A Cruise vom zweiten Album Antics. "I'm timlesse like a broken watch and make money like Fred Astaire" croonte Paul und meine Nackenhaare richteten sich auf. Seine einmalige Grabesstimme klang so elegant und heroisch wie dereinst bei David Bowie, es war eine pure Wonne. Als er dann den ruhigen, melancholischen Part "Baby won't you try to find me, baby there is no need to fight" mit leicht brüchiger Kehle intonierte, war es wieder einmal um mich geschehen. Ich glühte vor Verehrung, war völlig hin und weg und bebte am ganzen Körper. Erneut hatte mich die beste Band der Welt waidwund geschossen und machte von nun an mit mir, was sie wollte. Slow Hands (ein paradoxer Titel, wenn man bedenkt, wie rasant die Hand von Paul bei diesem Knaller durch die Saiten fegt!) rollte wie ein Panzer über mich drüber und peitschte die Leute nach vorne.

In diesem Moment wünschte ich mir, daß das Konzert noch Stunden dauere, aber es gab leider nur noch zwei Lieder. Aber was für welche! Mit Not Even Jail (schon immer einer meiner absoluten Lieblinge) und dem Klasisker Obstacle 1 setzten mich die New Yorker endgültig schachmatt.

"Incroyable" stammelte Banks zum Abschied und winkte gerührt Richtung Publikum. Er hatte ja so recht, dieses Konzert war in der Tat incroyable, sprich unglaublich! Unglaublich allerdings auch, daß eine Sensationsband wie Interpol nicht Headliner an diesem Abend war, sondern den Grünspechten von den Artic Monkeys diese Rolle zu Teil wurde.

Setlist Interpol, Festival Rock en Seine 2011:

01: Success
02: Say Hello To The Angels
03: Narc
04: Hands Away
05: Barricade
06: C'mere
07: Evil
08: Lights
09: The Heinrich Maneuver
10: Take You On A Cruise
11: Slow Hands
12: Not Even Jail
13: Obstacle 1


Aus unserem Archiv:

Interpol, Primavera, 26.05.11
Interpol, Paris, 15.03.11 (chronique en français)
Interpol, Paris, 15.03.11
Interpol, München, 12.03.11
Interpol, Paris, 17.09.10
Interpol, Montreux, 16.07.08
Interpol, Brüssel, 23.11.07
Interpol, Paris, 21.11.07
Interpol, Köln, 19.11.07
Interpol, Hohenfelden, 17.08.07
Interpol, Köln, 11.05.07
Interpol, Paris, 10.05.07



 

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