Konzert: Patti Smith and her band perform Horses
Ort: Tollhaus in Karlsruhe im Rahmen des Zeltivals
Datum: 21. Juli 2014
Dauer: 90 min
Zuschauer: etwa 1400 (ausverkauft)
Zeit ist ein seltsames Medium. Sie ist uns tief eingeschrieben erzählen wir uns doch die Geschichte unseres Lebens sortiert in vorher und nachher. Aber verstehen kann ich sie nicht. Vor allem nicht die Gleichzeitigkeiten. Denn ich bin heute die Frau mit vielen Lebenserfahrungen aber in meinem Kern bin ich noch immer noch das junge Ding, das ins Leben hinaus drängte - oder doch fast. Mit dem Plan, ihr Debüt Horses nach vierzig Jahren 1:1 die Bühnen zu bringen, hat Patti Smith u.a. auch diese Zeitklammer mutwillig sichtbar gemacht. Ihr sperriges Debüt im Licht einer ganz anderen Zeit zum scheinen zu bringen, zumal in der Kompromisslosigkeit, die wir nur der Jugend zubilligen - dazu gehört wohl etwas Übermut, auch wenn man Patti Smith ist.
Unserer Zeit wird ja nachgesagt, sie sei besessen von Jugendlichkeit und so schnellebig. Aber das ist wahrscheinlich nur ein Teil der Wahrheit, denn dieses Konzert war schon lange ausverkauft und man konnte vom ersten Ton an spüren, wie sehr der überwiegende Teil des Publikums hier mit Patti Smith die gar nicht gealterten Songs und deren nicht gealterte Wahrheiten feiern wollte. Sie wurde getragen von Applaus, tanzenden und mitsingenden Menschen und einer entspannten Freundlichkeit, die so wunderbar an diesen Ort an einem herrlichen Sommerabend passte. Das schienen sowohl Patti als auch ihre Musiker Lenny Kaye (Gitarre), Jay Dee Daugherty (Schlagzeug)(beide auch bei den Original-Aufnahmen dabei), Tony Shanahan (Bass und Keyboards und inzwischen auch schon 20 Jahre Teil der Band) sowie Jack Petruzzeli (Gitarre, Bass und Keyboards) sichtlich zu genießen, denn sie spielten in Bestform auf und besonders Patti Smith nahm ich jeden Moment ab, dass die poetischen Texte und die zum Teil ausufernden musikalischen Exkursionen für sie jetzt so wahr und sie selbst sind wie vor 40 Jahren.
Dabei wirkte sie nicht wie eine entrückte Ikone. Sie spuckte mehrfach im hohen Bogen auf die Bühne und wischte sich den Schweiß ins T-Shirt.
Mit dem Namen des Programms war die Setlist für die erste Stunde allen klar. Es begann mit der Hymne Gloria (ein Klassiker von Van Morrison), dem sommerlichen fast poppigen Redondo Beach und hatte in dem sprechgesanglichen Birdland einen ersten intensiven Knaller. Mit dem populären Klassiker Free Money war schließlich die erste Seite des Albums schon aufgeführt. Für Break up gab es von der Bühne den Wunsch, doch kräftig mit zu singen. Anschließend war Land ein wilder Traumtrip, in dem sie sich nicht genau an die vor 40 Jahren gebannte Version hielt und die schließlich durch das wieder aufnehmen von Gloria "erlöst" wurde. Nach diesem Kraftakt nahm sich Patti Smith in Elegie Zeit für das Gedenken an verstorbene Freunde und Weggefährten. Immer wieder brandete hier spontan Applaus bei bestimmten Namen auf.
Nach etwa einer Stunde war schließlich die versprochene Aufführung von Horses wunderbar gelungen und im Publikum war die Erwartung gespannt, was für den Abend noch vorbereitet worden war. Zunächst war dies Ghost dance, für das Patti auch erstmals zur Gitarre griff. Anschließend wurde bis zum Finale ordentlich Druck und Stimmung gemacht - fast ein bisschen Anarchie verbreitet, wobei Patti eine kleine Pause bekam, bevor sie beschwörend für Because the night und People have the power zeigte, was nach wie vor in ihr steckt. Mit der Zugabe My Generation machte die Klammer des Albums Horses endgültig zu (es war die B-Seite von Gloria und ist auf meiner Horses-CD-Fassung ein Bonustrack).
Sie entließ ihre 1400 Zuschauer aufgeputscht und glücklich in die Sommernacht: You are fucking free!
Setlist:
01: Gloria (Them-cover)
02: Redondo Beach
03: Birdland
04: Free Money
05: Kimberly
06: Break it up
07: Land/Gloria
08: Elegie
09: Ghost Dance
10: Rock&Roll/Waiting for the Man/
White Light/White Heat (Velvet Underground cover)
11: Because the night
12: People have the power
13: My Generation (The Who cover, Z)
Tourdaten:
12.07.2015 Lörrach, Stimmen Festival
13.07.2015 München, Tollwood Festival
16.07.2015 Singen, Hohentwiel Festival
21.07.2015 Karlsruhe, Zeltival
22.07.2015 Winterbach, Zeltspektakel
07.08.2015 Luhmühlen, A Summer's Tale Festival
08.08.2015 Dresden, Junge Garde
11.08.2015 Berlin, Tempodrom
Aus unserem Archiv:
Patti Smith and her Band, Haldern, 09.08.14
Patti Smith and her Band, Stuttgart, 05.08.14
Patti Smith and her Band, Breitenbach am Herzberg, 01.08.14
Andere Berichte:
Ankündigung vom Tollhaus
Daniel Nagel/Johannes Rehorst für Regioaktive & Fotostrecke
Peter Disch über den Abend in Lörrach
Jens im gig-blog über das Konzert in Winterbach
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