Mittwoch, 1. Juni 2011

Interpol, Barcelona, 26.05.11


Konzerte: Interpol

Ort: Primavera Sound Festival, Barcelona
Datum: 26.05.2011
Zuschauer: massig
Dauer: 70 Minuten


Wer aufs Primavera fährt, nimmt mittelfiese bis furchtbare Überschneidungen in Kauf. Die parallelen Slots von Interpol, Caribou und Suicide fielen zwar für mich in keine der beiden Kategorien, spiegeln die qualitative Dichte dieses Festivals aber schön wider. Interpol, das war eine Zeit lang mal meine Lieblingsband, Interpol, das ist so etwas wie der kleinste gemeinsame musikalische Nenner, auf den ich mich mit vielen Freunden einigen kann.

Die neue Llevante-Stage am einen Ende des Geländes, ein Riesenteil, das den Hauptbühnen auf mitteleuropäischen Großfestivals ernsthaft Konkurrenz macht, war auserkoren worden, die New Yorker für ihren Auftritt zu beherbergen. Diese Entscheidung sollte sich in Bezug auf die Zuschauermassen jedenfalls als richtig erweisen, nur mit Mühe bekamen wir einen guten Platz.

Über die Frisör-Wahl des Paul Banks lässt sich dagegen streiten, die Ansätze eines Vokuhila waren nur unschwer zu übersehen. Schon im Nou Camp-Museum hatte man diese modische Fragwürdigkeit bewundern können, Träger war dort aber Zaubermaus Messi gewesen.

Jubel gabs trotzdem nicht zu knapp, ohne große Umschweife eröffneten Interpol das Set mit Success - einem neuen Song. Ein Glück, dass dieser einer von eher wenigen neuen blieb, das aktuelle Album finde ich in etwa so orignell wie seinen Titel. Das genaue Gegenstück zur ewigen Messlatte Interpols: Turn on the bright lights. Genau dieser Erstling steuerte dann Say hello to the Angels bei, welches wesentlich enthusiastischer aufgenommen wurde.

Der Sound der Llevante-Stage, das sollte sich in den nächsten Tagen noch deutlicher herausstellen, ist jedenfalls kein Ruhmesblatt. Völlig konträr zu den anderen Bühnen, die zwar hin und wieder zu leise sind, aber sonst ziemlich schön austariert, ist hier die Akustik wirklich mies, die Stimmen verwaschen und instrumentale Details verschwinden in einem breiigen Gewaber. Dass an diesem Abend der Sound noch einer der besseren dieser Bühne war, spricht stark für den Interpol-Tontechniker.

Nach Narc folgte ein weiterer ganz alter Song, Hands away. Wenig Lyrics, viel Atmosphäre, noch mehr Gänsehaut - eine Ballade kann so reduziert gut sein. In einer Welt, in der schon alles gesagt worden ist, ist der König, der nichts sagt und trotzdem alle(s) verstehen lässt.

Mein Liebling der Setlist war trotzdem ein Song mit langem Text, bei dem man die bis dahin vermisste Aggression erstmals spürte (C'Mere). Ich zumindest. "Trouble is, that you're in love with someone else, that should be me."

Der nicht ganz auf der Höhe wirkende Spanier wirkende hinter mir schien davon nicht allzu viel spüren, er tippte seit 15 Minuten an einer einzigen Sms, währenddessen war sein Rauchutensil (das mit allem, aber sicher nicht mit herkömmlichem Tabak gefüllt war) mehrmals ausgegangen und seine Glatze sank zum wiederholten Mal auf meine Schultern. Trouble is, that there is a head on my shoulders, where there should be another...

Irgendwann vertschüsste er sich zum Glück, hätte er noch eine Antwort-Sms tippen müssen, hätte das ein langer Spaß werden können. Was genau Paul Banks sagte, als er irgendwann auf Spanisch (fließend - der Mensch hat lange in Madrid und Mexiko gelebt, verrät Wikipedia) zu reden begann, weiß man nicht und der Spanier, der das vielleicht übersetzten hätte können, war erstens weg und zweitens sowieso in einer anderen Welt.

Die Setlist setzte mit gutem bis tollem alten Material fort, das neue Lights kam recht gut an, mit Take you on a cruise und The Heinrich Maneuver folgten aber Hits, deren Popularität nichts vom selftitled Album das Wasser reichen kann. Letzterer sollte übrigens der einzige song von Our love to admire bleiben. Auch gut.

Was der Bassist (schon wieder ein neuer übrigens) mti seinem Poser-Gehabe bezwecken wollte, blieb unklar. Mit einem derart weiten Spagat und das noch über fast die gesamte Show hinweg, zeigt man jedenfalls schön, wo das Hirn sitzt.

Obstacle 1, wirklich ein Wahnsinnssong, stellte dann das Ende dar. "And we can top the old times," heißt es da. Ähm: nein. Die alten Interpol kann wenig übertreffen, die aktuellen Interpol jedenfalls nicht. Der Auftritt am Primavera war gut, mehr aber auch nicht. Eine Show unaufgeregt herunterzuspielen und dennoch viele viele Menschen glücklich zu machen, das können allerdings auch nicht viele Bands. Dennoch: Routine ist nicht sexy.

Zum Glück habe ich diesen Sommer wahrscheinlich noch zwei Mal die Chance auf die New Yorker, vielleicht fallen diese Auftritte mehr nach meinem Geschmack aus (u.a. vermutlich wieder Paris, Monsieur Peel!). Wäre doch schade, wenn Interpol so austauschbar würden, wie ihre Basissten!

Setlist Interpol, Barcelona:

01: Success
02: Say hello to the Angels
03: Narc
04: Hands away
05: Barricade
06: C'mere
07: The new
08: Evil
09: Lights
10: Take you on a cruise
11: Summer well
12: The Heinrich Maneuver
13: Length of Love
14: Memory serves
15: Slow Hands
16: Not Even Jail
17: Obstacle 1

Aus unserem Archiv:

Interpol, München, 12.03.11
Interpol, Dortmund, 22.10.10
Interpol, Paris, 17.09.10
Interpol, Montreux, 16.07.08
Interpol, Brüssel, 23.11.07
Interpol, Paris, 21.11.07
Interpol, Köln, 19.11.07
Interpol, Hohenfelden, 17.08.07
Interpol, Köln, 11.05.07
Interpol, Paris, 10.05.07

Die Bilder stammen von Tiago Macedo. ¡Muchas gracias!



1 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

ich war auch an diesem konzert, zudem habe ich interpol im august noch in st.pölten am frequency festival gesehen sowie im frühling in zürich. mich störte das posergehabe vom bassisten an den festivals auch enorm, er zerstörte sowohl in barcelona als auch in st.pölten die magie der musik. hoffentlich verschwindet der wieder von der bildfläche.

 

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