Dienstag, 4. August 2015

Luna, Brighton, 30.07.15


Konzert: Luna (& Flowers)
Ort: Sticky Mike's Frog Bar, Brighton
Datum: 30.07.2015
Dauer: Luna knapp 85 min, Flowers gut 30 min
Zuschauer: vielleicht 80



Als im Teatro Lara Ende April die letzten Töne von Time to quit verklangen, war mein Entschluß eigentlich schon gemacht, daß das nicht mein letztes Luna Konzert gewesen sein konnte. Daß die andere Band von Galaxie 500 Sänger Dean Wareham live gut sein würde, hatte ich geahnt - sonst wären wir nicht nach Madrid gefahren. Daß Luna so viel besser als meine hohen Erwartungen sein würden, aber nicht. 


Das Brighton-Konzert der kurzen UK-Tour wurde mit "Luna farewell tour" beworben. Das machte es nicht leichter, auf eine der Gelegenheiten, die Band noch einmal zu sehen, zu verzichten. Außerdem war das Indietracks am Wochenende vorher ein schöner Vorwand, gleich in Großbritannien zu bleiben und Luna noch einmal zu sehen. Die einzigen später noch angekündigten Konzerte finden in Australien, Neuseeland und Nordamerika statt und sind damit unerreichbar.


Ursprünglich sollte das Konzert im Old Market in Brighton stattfinden. Das Label habe gewünscht, daß Luna stattdessen in Sticky Mike's Frog Bar auftreten sollten, sagte der Mann am Einlaß. Der Vorverkauf lief also nicht gut. In der Stadt war nichts von einem Luna-Konzert zu lesen. Am nachfolgenden Wochenende fand der Brighton Pride statt, die meisten Häuser und Geschäfte waren mit Regenbogenfahnen geschmückt. Wenn schon Konzertplakate, dann welche, die für eine David Bowie Nacht warben. Wegen einer amerikanischen (Kritiker-) Lieblingsband, die einer anderen amerikanischen (Kritiker-) Lieblingsband nach deren Auflösung nachgefolgt war, waren die Leute nicht in die Küstenstadt im Süden gekommen. Zumindest nicht mehr als die vielleicht 80, die während des Luna-Teils des Abends in Sticky Mike's Keller standen. Von denen schienen die wenigsten aus Brighton zu stammen (wenn überhaupt). Dean Wareham erkannte einige Besucher wieder, die aus Schweden oder Australien angereist waren. 

Das Sticky Mike's ist eine (Frog) Bar mit kleinem Konzertraum im Keller. Der Soundmann des Abends war aber offenbar vom großen Saal des Kurhauses ausgegangen, als er die Lautstärke festgelegt hatte - schon bei der Vorgruppe war es höllisch laut! Dabei sind Flowers keine Band, die Lautstärke braucht. Das Schlagzeug spielt Drummer Jordan Hockley so zurückhaltend, wie dies zum Beispiel bei Daughter auch Stilmittel ist.


Neben Jordan sind Gitarrist Sam Ayres und Sängerin und Bassistin Rachel Kenedy Flowers. Das Debütalbum der Londoner Do what you want to, it's what you should do (produziert von ehemaligen Suede Gitarristen Bernard Butler) ist im September vergangenen Jahres erschienen. Die Band scheint aber bereits viel neues Material geschrieben zu haben. Obwohl ich die Platte oft gehört habe und auch die Singles besitze, kannte ich die wenigsten Stücke.


Das prägende Instrument der Musik der jungen Briten ist Rachels Stimme, die live noch einmal um Nummern eindrucksvoller als auf Platte ist. Rachels Gesang hört sich "erwachsen" an (das Wort ist doof, die Anführungszeichen auch), dabei ist die Band blutjung und schüchtern. Die Sängerin hatte ihre Augen fast immer geschlossen und machte keine Ansagen. Gitarrist Sam stand nicht frontal sondern seitlich zur Bühne und guckte seine Frontfrau an, mit gekreuzten Füßen, ein tolles Bild!



Die besten Stücke des halbstündigen Konzerts waren My only friend, Joanna, Bitter pill und Drag me down vom Album, das aber in einer viel roheren Version gespielt wurde. Zweimal wichen Flowers von der üblichen Instrumentierung ab. Bei I don't mind sang Rachel nur zu elektronischen Klängen, beim abschließenden Stuck, begleitete sie sich selbst mit ein, zwei Basstönen, abwechselnd mit Klopfen auf ihrem Instrument. Für die beiden anderen war da Pause bzw. schon Schluß.



Flowers sind nicht bei Dean Warehams Label Sonic Cathedral. Daß sie nach der Spanien-Tour auch wieder in England und Glasgow Support waren, hat wohl ausschließlich musikalische Gründe. Und die kann ich zu gut nachvollziehen! 

Setlist Flowers, Sticky Mike's Frog Bar, Brighton:

01: Be with you
02: Pull my arm
03: Bitter pill
04: Ego loss
05: My only friend
06: Intrusive thoughts
07: Drag me down
08: I don't mind
09: Joanna
10: I love you
11: Stuck

Vielleicht hatten Luna aber Flowers auch mitgenommen, weil man sie ähnlich schlecht googlen kann.


Luna hatten lange Zeit einen Platz in der Motzecke meiner Musiksammlung. Nach dem Ende meiner großen Lieblinge Galaxie 500 (dazu - nicht nur dazu - empfehle ich Dean Warehams Biographie Black Postcards) habe ich die Nachfolgeband erst einmal vollkommen mißachtet. Erst nach und nach änderte ich meine fundamentalistische Haltung und entdeckte, wie brillant auch diese Warehamsche Band ist. Im Gegensatz zu Galaxie 500 (die nicht als gute Liveband galten) habe ich Luna damals, also in ihrer aktiven Zeit nicht live gesehen. Ich musste auf die Reunion-Tour warten, um Luna fast genau zehn Jahre nach der Auflösung in Madrid sehen zu können. 


Luna spielen heute in der letzten Aufstellung vor der Auflösung. Neben Dean Wareham und seiner Frau Britta Phillips sind das Gitarrist Sean Eden und Schlagzeuger Lee Wall. Auch wenn der Sänger und die Bassistin im Fokus stehen, sind die beiden anderen mindestens genauso sehenswert, ich glaube ich habe noch nie bessere Musiker an ihren Instrumenten gesehen als Lee und Sean. Während der kahlköpfige Lee während der Konzert nichts sagt, ist Sean nicht nur brillanter Musiker sondern auch im Team mit Dean Wareham urkomisch. Die beiden spielten sich die Bälle zu oder reagierten auf Zurufe aus dem Publikum. Irgendwie kam Sean auf Tennis (wenn man nach Brighton reinfährt, liegen an der Straße einige Rasenplätze). Er habe noch nie auf Gras gespielt, würde aber gerne, sagte der Gitarrist. Nach einer kurzen Anstandspause antwortete Dean lachend "oh, you played on grass!" 


Aber trotz aller Unterhaltung zwischen den Songs war die Musik natürlich noch besser. Luna haben bis zu ihrer Auflösung sieben Studio-Alben veröffentlicht (und damit nichts verdient!). Auf den Platten sind unzählige Hits! Viel mehr als in ein knapp anderthalbstündiges Konzert passen. Natürlich müssen da Lieblinge fehlen. Die Frau hinter mir rief irgendwann rein, sie wünsche sich California (all the way). "We didn't practice this!" - "But we could play it!" Also wurde die Setlist geändert und California gespielt. Toll!

Mein Liebling des Abends war wohl Malibu love nest. Chinatown, das ich ganz besonders mag, hatten Luna (wie schon ein Madrid) ein wenig verpatzt. Aber Bewitched, Moon palace... ach, es sind so viele!

Und obwohl Luna nur Knüller im Repertoire haben, spielten sie als Zugaben zwei Cover. Naja, halbe Cover. Blue thunder von Galaxie 500 ist nur für Britta, Sean und Lee eines und Indian summer erschien bereits auf der Luna Cover-Platte Lunafied.

Es war einen Ticken zu laut, es gab Rückkopplungen und komische Geräusche, ein oder zwei Einsätze holperten, Brittas Gesang war meist zu leise, trotzdem war es ein wundervolles Konzert. Was für eine Schande, daß Luna im Vergleich zu ihrer Brillanz viel zu unbekannt sind! Und was für eine Schande, daß man diese großartige Band bald nicht mehr sehen kann. Einmal Luna hatte ich noch - am folgenden Tag in der Garage in London. Aber das erzähle ich später.

Setlist Luna, Sticky Mike's Frog Bar, Brighton:

01: Slide
02: Chinatown
03: Sideshow by the seashore
04: Malibu love nest
05: Going home
06: Tiger Lily
07: Tracy I love you
08: Bewitched
09: Lost in space
10: California (all the way)
11: Moon palace
12: Friendly advice
13: 23 minutes in Brussels

14: Blue thunder (Galaxie 500) (Z)
15: Indian summer (Beat Happening Cover) (Z)


Links:

- aus unserem Archiv:
- Luna, Madrid, 20.04.15

- Flowers, Madrid, 20.04.15 
- mehr Fotos





 

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