Konzert: Deichkind
Ort: Mönchengladbach
Datum: 28.08.15
Dauer: 95 min
Zuschauer: 15.000
Die deutsche Musik, die einem heute aus dem Formatradio entgegenschallt, ist schon erstaunlich nichtssagend. Lauter unverbindliche Absichtserklärungen. Mal wird ein wenig geliebt, ein wenig gelitten, ein wenig entliebt, nur echte Emotionen findet man meist vergeblich. Die Rührseligkeit von "Sing meinen Song" aber ist das schlimmste, alle Künstler finden sich jetzt sogar Genre übergreifend toll, könnte ja sein, dass mal ein Remix ansteht. Bourani und Foster, Joris und Namika alle scheinen einer Generation anzugehören, die für und gegen nichts mehr kämpfen und rebellieren muss.
Vielleicht erklärt sich so ein Gegentrend der letzten Jahre. Bands die schon ewig im Geschäft sind, aber mit klaren Ansagen und auch politischen Texten antreten, erfahren ein Comeback oder ihre erste echte Erfolgswelle. So ist die Entwicklung von Deichkind in den letzten Jahren nicht verwunderlich. Diese Bands sich nie haben verbiegen lassen. Deichkind machen nichts anderes als zu Beginn ihrer Karriere, nur damals wollten es einfach sehr viel weniger Leute hören.
Der Hang zu Parolen, der satte Sound, die lustige Art die deutsche Sprache in Teile zu zerlegen und neu zu ordnen ist ihr Markenzeichen. Nie war ich echter Fan der Band, die letzten beiden CD`s jedoch verfehlten ihre Wirkung nicht.
Nach fast 20 Jahren als Bandkollektiv klangen die neuen Songs wie "Mehr als Lebensgefährlich" oder "Was habt Ihr..?", die es noch nicht einmal zu Singles geschafft haben, frisch wie nie. Alles passte und fügte sich zum vielleicht besten Album der Dreieckshüte.
Somit fiel die Entscheidung leicht, als die Konzertankündigung für meine Heimatstadt ausgerufen wurde. Lobenswerter Weise wurden vorab direkte "Front of Stage" Tickets ohne größeren Aufpreis angeboten. Ich konnte ich mir den Abend mit vier ! ! Supports besser enteilen (man könnte auch sagen "sparen") um Deichkind trotzdem aus der Nähe sehen zu können.
Durch das spontan tolle Wetter bildeten sich an der Abendkasse noch lange Schlangen und am Ende zählte man fast 15.000, meist bunt verkleidete Besucher. Nachdem "Zugezogen Maskulin" als letzte Vorgruppe überraschenderweise vom Publikum völlig ignoriert worden waren, und der unsichtbare VJ Wasted seinen Mix beendete, begann unter stimmungsvoller Vollmondbeleuchtung der wohl größte Kindergeburtstag Deutschlands.
Im ersten Teil des Sets fand sich fast die komplette neue Platte wieder, also auch alle Hits. Dazu noch "Leider geil.." und "Bück dich hoch" vom Vorgängeralbum. Ein mutiger Start, waren doch unter den Zuschauern sehr viele, die Deichkind erst vor kurzem kennengelernt haben dürften.
Wie immer präsentiert sich die Show als ein wilder Mix aus skurrilen Kostümen, wandernden Monolithen und grellen Farben. Das muss man mögen, ist aber ohne Zweifel wesentlich unterhaltsamer als ein USB-DJ a la Guetta. Einziger Kritikpunkt dürfte die fehlende Spontanität auf der Bühne sein. Es bleibt kaum Zeit zum Luftholen, für beide Seiten.
Nach der kurzen Pause dann viele alte Kracher in neuem Gewand, hier wird endlich variiert. Diverse Songs werden mit neuen Samples versehen. Das funktioniert meistens gut ,nur die "Power of Love" Einlage wirkt fehl am Platz.
Wer immer noch nicht genug hatte, für den gibt es in der letzten halben Stunde gar kein Halten mehr. Jetzt zeigt sich, dass unbändige Party und politischer Anspruch kein Gegensatz sein müssen.
In den Texten sind die Botschaften zwar subtiler verborgen als bei anderen, aber z.B. das Thema Flüchtlinge hatten Deichkind schon auf der Liste als viele andere noch schliefen. Und so rollen sie das Fass rein, tragen dazu aber ihre Refugee-Welcome Anzüge. Auch wenn die Botschaft erst nach dem Kater ankommt, immer noch besser als gar keine eigene Meinung.
Dann geht das Licht an und es ist klar, Deichkind funktionieren auch ohne Festival. Die Hit-dichte ist enorm, die Show extrem kurzweilig und das Publikum auch ohne 3-Tages rausch voll bei der Sache.
Wohin die Reise geht bleibt abzuwarten, viele würden sich die Band vielleicht wieder in einen kleineren, intimeren Rahmen zurücksehnen, wo der direkte Kontakt wieder mehr im Mittelpunkt steht. Für 2016 wird das aber erstmal nichts werden Die größten Hallen sind vorgebucht und alle freuen sich wieder auf "So`ne Musik".
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