Mittwoch, 12. August 2015

Calexico, Karlsruhe, 10.08.15


Konzert: Calexico
Ort:  Tollhaus in Karlsruhe im Rahmen des Zeltivals
Datum:  10. August 2015
Dauer: 120 min
Zuschauer: etwa 1200

  
Verrückt, wie man sich auf ein Konzert freuen kann, nur weil die bisher einzige Livebegegnung so beglückend war... Calexico setzten dieses Jahr den musikalischen Schlusspunkt des Zeltivals und waren nach zwei Jahren mit ihrem neuen Album Edge of the sun zurück in Karlsruhe. Aber vielleicht noch verrückter ist es, dass mir die Musiker schon wie gute Bekannte - fast Freunde vorkamen, nur weil ich ihnen schon einmal zwei Stunden ganz fasziniert zugeschaut hat: Joey Burns mit seiner Akustikgitarre und DER Stimme, Jairo Zavala der Mann links außen für E-Gitarre und Pedal Steel und den unnachahmlichen Hüftschwung, Jacob Valenzuela und Martin Wenk an den Trompeten und Vibraphon (und je einmal auch Akkordeon), Ryan Alfred ganz weit rechts am Bass, Sergio Mendoza zwischen den ganzen Tasteninstrumenten und der überragend coole Mann am Schlagzeug John Convertino


Und anscheinend ging es nicht nur mir so, denn noch bevor das Konzert überhaupt begann, war die Stimmung hervorragend und nicht einmal die tropischen Temperaturen konnten dem Abbruch tun. Das musikalische Programm würde wohl ohnehin zu unseren verschwitzten Gesichtern passen und es zeigte sich: auch auf der Bühne floss der Schweiß für die nächsten zwei Stunden in Strömen. Die eigentliche Faszination der Livepräsenz von Calexico finde ich schwer in Worte zu fassen. Aber in unserer kleinen Gruppe vor der Bühne waren wir uns einig: Calexico sind live überragend gut und mitreißend und bekehren auch jeden, der nicht auf Mexiko-Trompeten und Wüstenrock steht für die Dauer des Konzertes, dass er etwas wunderbares geboten bekommt.


Sicher ist eine Zutat hierfür die Meisterschaft jedes einzelnen Musikers, die auch gezeigt werden darf - meist an vielen verschiedenen Instrumenten und beim Satzgesang. Dann die kongeniale Zusammenführung von nord- und südamerikanischem Weltgefühl (mit einer Prise Europa gewürzt) und die dabei in jeder einzelnen Note mitschwingende Wahrhaftigkeit. Dazu die sympatische Präsenz von Joey als Primus inter Pares, der obendrein dem Publikum das Gefühl gibt, eigentlich das überhaupt wichtigste zu sein an diesem Abend - und man glaubt ihm tatsächlich, dass er das wirklich so meint.


Für diesen Abend im Tollhaus durfte ein seltener gespieltes (aber ehrwürdiges) Lied den etwas nachdenklichen und passend heißen Anfangspunkt setzen: Frontera/Trigger - der Blick ging hier ins Weite, so wie ich das an Calexicos Musik so schätze. Anschließend wechselte die Stimmung souverän auf Indiepop mit einem neuen Song: Falling from the Sky und das ebenfalls brandneue Cumbia de Donde schlug den dritten Pflock im Genrespektrum ein mit einem Sprung nach Mexiko. Eine hitzige Rumba mit Trompeten und betörendem Wechselgesang - auch das in bewährter und eigener Calexico-Manier. Immer wieder ein Höhepunkt für mich der Klassiker Roka, der mit sehnsuchtsvollem Bogen für mich Gänsehaut pur verursachte und ein großes warmes Glücksgefühl. Dieser Bogen wurde mit dem neuen Miles from the Sea fortgeführt, im Dreiertakt und mit dem Akkordeon in Martin Wenks Armen.

Das ist aber nicht Martin Wenk :)
Im Dreiertakt wiegend und träumerisch ging es weiter: Sonic Wind rief wieder wunderbar sehnsuchtsvoll mit gedämpften Trompete und Pedal Steel in die Ferne. Hingegen mitreißend tänzerisch präsentierte sich das rein instrumentale Coyoacán zum rotem Mond am Bühnenhintergrund. Aber melancholisch sehnsuchtsvoll war anschließend Moon Never Rises (beide Titel vom aktuellen Album).  Nun war es Zeit für einen Tempowechsel und ordentlich mitklatschen. Splitter präsentierte sich als Pop mit Vibraphon und machte dann wieder Raum für Wüstenrock Drenched. Ein wirklicher Höhepunkt im hervorragenden Programm war für mich Bullets & Rocks. Die flirrende Stimmung  bot die Gelegenheit für eine einmalig inniges Trompetensolo, das immer wieder ins eigene Echo spielte und sich tief in meine Erinnerung einbrannte.


Calexicos Stärke als kongeniale Band wurde für Fortune Teller zurückgestellt, wo Joey Burns nur vom Bass begleitet auch solo zeigte, dass es letztlich die Güte des Songwritings ist, was mich so bezaubert - und diese Stimme! Traurig und melancholisch mit Pedal Steel jammernd kam anschließend Inspiracion - Jacob Valenzuela Lied. Und die trockene Wüste zurück mit Beneath the City of Dreams  und Alone Again Or - eine Paradenummer für Jairo Zavala als Gitarrero. Das heizte die Stimmung ordentlich auf und der Wechselgesang für  Puerto wurde vom Klatschen des Publikums angefeuert bevor das offizielle Set derart hitzig zu Ende war.
 


Aber natürlich war das nicht das Ende des Konzertes. Statt dessen gab es noch zweimal Zugaben. Fast schon traditionell wurde Chris Cacavas für den ersten Song auf der Bühne willkommen geheißen - diesmal für Angel of Death (ein Hank Williams cover). Und nach den heißen orientalischen Rhythmen vom aktuellen Roll Tango wurde ebenso fast schon traditionelle ausführlichst Güero Canelo in einer wilde feiernden Rumba mit ordentlich Hüftenkreisen und jeder Menge exzessiver Solos an den Instrumenten zelebriert. Und das Publikum wurde nicht müde beim mitsingen.
 


Zu Beginn der zweiten Zugabe gab es zunächst eine kleine ungeplante Einlage, denn aus der ersten Reihe wurde eine Kinderzeichnung auf die Bühne gereicht und Joey versprach, sie seinen Kindern mitzubringen und eine Brieffreundschaft anzuregen. Musikalisch wurde noch einmal mit Corona auf den Mexikanischer Marktplatz beim Volksfest eingeladen bevor Follow the River  sehr ruhig und verträumt wie ein Versprechen im Abschied auf mich wirkte.


Die Zuschauer im Tollhaus waren glücklich und kühlten in großer Zahl im Garten noch etwas ab. Mir fehlten Para und Minas de Cobre als Lieblingssongs. Aber was soll man machen. Es bleibt die Hoffnung, dass es nach sechs so erfolgreichen Besuchen in Karlsruhe hoffentlich auch ein siebtes Konzert mit den sieben Tausendsassas geben wird!


Setlist:
01: Frontera/Trigger
02: Falling From the Sky
03: Cumbia de donde
04: Maybe on Monday
05: Roka  (Danza De La Muerte)
06: Miles from the Sea
07: Sonic Wind
08: Coyoacán
09: Moon never rises
10: Splitter
11: Drenched
12: Bullets & Rocks
13: Fortune Teller
14: Inspiración
15: Beneath the City of Dreams
16: Alone again or (Love cover)
17: Puerto

18: Angel of Death (Hank Williams cover with Chris Cacavas)
19: Roll Tango
20: Güero Canelo

21: Corona (The Minutemen cover)
22: Follow the river

Calexico Livemitschnitt in Ancienne Belgique Brüssel 27.04. 2015


Tourdaten: 
06.08. Isny
07.08. Jena
08.08. Luhmühlen
10.08. Karlsruhe
19.08. Nürnberg       
22.08. Winterthur

30.10. Brüssel
01.11. Utrecht
02.11. Bastschkapp Frankfurt
03.11. Posthof Linz
04.11. Museumquarter Wien
06.11. Metropop Festival Lausanne
10.11. Werk 2 Leipzig
18.11. Konzerthaus Dortmund
19.11. Columbiahalle Berlin


Alle Fotos:
 

Aus unserem Archiv:
Calexico, Karlsruhe, 10.07.13
Calexico, Stuttgart, 04.07.13
Calexico, Paris, 16.09.12
Calexico, Paris, 14.10.08
Calexico, Paris, 08.09.08



1 Kommentare :

E. hat gesagt…

bewunderswerter fleiß, gudrun, toll!
bei calexico bin ich immer etwas gespalten.
eine zweifelsohne tolle band, die mir live aber
manchmal eine ecke zu viel wird. ich weiß gar nicht
genau warum... vielleicht hätte ich es gern manchmal
etwas konzentrierter. und das südamerikanische... nun ja,
das geht auch nicht immer..

 

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