Sonntag, 30. März 2008

Polarkreis 18, Dortmund, 29.03.08

3 Kommentare

Konzert: Polarkreis 18 (unplugged)
Ort: Konzerthaus Dortmund
Datum: 29.03.2008
Zuschauer: etwa 500
Dauer: etwa 90 Minuten

Polarkreis 18 in einem Konzertsaal, also in einem echten, klang im Vorfeld schon aufregend. Allerdings reichte meine Phantasie nicht aus, mir vorzustellen, wie herausragend solch ein Abend werden könnte. Aber von Anfang an - der liegt jedoch ziemlich genau ein Jahr zurück.

Im vergangenen März spielten Karpatenhund und ein paar mir unbekannte Bands bei einem Intro intim Abend im Gebäude 9. Polarkreis 18 hatten eigentlich keine Chance, mir zu gefallen, weil ihr Musikstil, wie ich dachte, gar nicht meiner ist. Auch wenn mein Bericht von diesem Konzert noch sehr deutlich meine Skepsis widerspiegelt (scheußlich, was ich da für einen Unsinn über Nervstimmen geschrieben habe), bin ich seitdem ganz großer Fan der Dresdner (und habe sie in den folgenden Monate noch dreimal gesehen).

Als Oliver und ich Bernd von Polarkreis 18 in Haldern interviewt haben, verriet er uns, daß sie wahnsinnig gerne einmal in der Semperoper auftreten würden. Ein klassisches Konzerthaus ist schon einmal eine gute Zwischenstation auf dem Weg dahin.

Als wir ankamen, war es im Vorraum des Dortmunder Konzerthauses noch recht leer. Zwei städtische Angestellte fortgeschrittenen Alters verkauften am Stand PK 18 T-Shirts und Platten, in sandfarbene Uniformen gekleidete Garderobenmitarbeiter standen in kleinen Boxen und warteten auf Jobs, es wirkte feierlich. Es füllte sich dann doch recht schnell, und als um fünf vor neun der Theatergong zeigte, daß es gleich losginge, strömten erfreulich viele Zuschauer in den Saal. Bis sehr weit hinten waren nur ganz vereinzelt Lücken in den Reihen zu sehen.

Auf der Bühne war auch schon recht viel los, in Form von ganz vielen und vor allem ganz aufregenden Instrumenten. Neben eher unspektakulären Geräten wie Schlagzeug und Flügel (den hat schließlich Elton John auch), standen da ein Metallrad neben dem Schlagzeug, mehrere Glockenspiele, ein Kinderklavier, ein Akkordeon, eine Trompete und viel kleiner Schnickschnack rum.

Sänger Felix Räuber erschien aber zunächst ohne Kollegen, die die spannenderen Dinge bedienten. Er setzte sich an den Flügel und spielte zum Start ein Instrumentalstück. Dank der phänomenalen Akustik traute sich niemand zu husten, zu kramen oder sonst wie unangenehm aufzufallen, es war sagenhaft leise. Als Felix dann zum zweiten Stück kam, gab es auch noch keinen Applaus. Erst nach dem Lied, das das schon im Underground von ihm gespielte Zugabestück war, das die Band wie man mir damals sagte "Felix solo" nennt, folgte der erste starke Beifall.

Erst danach erschien die restliche Band, fünf weitere Musiker, Bassist Uwe, der ein herrliches Spiel hat, er wippt beim Bedienen seines
(unpluggten) Bass' ununterbrochen mit, Schlagzeuger Christian, Bernd, der auch Klavier, vor allem aber eines der Glockenspiele bediente, Trompeter Ludwig (der wie die meisten auch noch zig andere Instrumente spielte) und Philipp (Akkordeon, Klavier, Gitarre). Ich habe schnell den Überblick verloren, wer wann wohin wechselte. Das zu Beobachten war aber auch schwer, weil ich (fürchte ich) von Beginn an mit offenem Mund da saß und genoß, was da an fabelhaften Melodien und Geräuschen erzeugt wurden.

Ein Beispiel: Neben Schlagzeuger Christian stand ja dieses Metallrad. Als Intro zum dritten Lied (es sollte sich als "Stellaris" herausstellen),
drehte der Trommler dieses Rad, was schleifende metallische Geräusche erzeugte, die wie kleine Rückkopplungen klangen. Diese eigentlich unerträglichen Geräusche gingen dann in ein wahnsinnig sattes Einsteigen der anderen Instrumente über. Dazu Felix' klare und laute Stimme machten schon ein wahnsinniges Klangerlebnis aus. Daß die sechs sicher seit frühester Jugend musikalisch ausgebildet wurden, bezweifele ich nicht, sie beherrschen all die verschiedenen Instrumente blind (auch wenn Felix erwähnte, daß sie einige noch nie vorher gespielt hätten), die wahre Kunst für mich als Laien war aber, dies alles so perfekt miteinander zu kombinieren, daß bekannte Lieder auf einmal ganz neu klangen. Es war nichts zu laut, die Arrangements überzeugten alle vollkommen. Die einzigen "Mißtöne", wie das Rad, waren gewünscht und effektvoll.

Nach einem mir unbekannten Lied kam etwas Sensationelles, nämlich "Comes around" in der weltschönsten Version. Anfangs war es eigentlich nicht viel anders als bei den anderen Konzerten. Die Mehrstimmigkeit, die bei vielen Stücken des Abends vorkommen sollte,
war allerdings schon einmal grandios. Dann nach dem ersten Refrain, ging Felix vom Mikro weg, stieg von der Bühne, sang unverstärkt und ging durch den Gang vor der ersten Reihe. Seine Kollegen stiegen in den Refrain ein, nur von einer sehr zurückgenommenen Gitarre begleitet. Als Felix seinen Spaziergang beendet hatte und auf der anderen Seite wieder nach oben ging, wieder ins Mikro sang, wurde es laut, denn auch Schlagzeug und Bass stiegen wieder ein - sensationelle acht Minuten, die jede müde Stunde heute rechtfertigten. Einen solchen Auftritt hätte Arcade Fire nicht besser hinbekommen.

Der überraschende Effekt beim nächste Stück, dem neuen "
Happy go lucky", waren Atemgeräusche des Frontmanns der Dresdner, aus denen sich dann sein Gesang entwickelte. Das Lied selbst war wundervoll, es wird es auch sein, wenn das Atemintro auf Platte fehlen wird.

Tja, und so ging es weiter. Bei jedem Lied neue Klangeffekte, aber nicht der Effekte wegen, es ging um den Klang, das merkte man deutlich. Die Band ist auch so sympathisch, daß musikalisches Gepose einfach nicht zu ihr paßt, Nerdtum im besten Sinne, wenn es darum geht, Geräusche zu erzeugen, aber keine Angeberei im Sinne von "wir brauchen dringend mehrere Exoten, um cool zu sein, laß' uns mit Violinenbögen auf Glockenspielen experimentieren." Nein, sie wußten ganz genau, was sie taten - und wir, was wir zu tun hatten, staunen und anschließend begeistert losklatschen.

Einer dieser ungeposten Effekte war das Schlagen auf das Metallrad von Christian bei dem instrumentalen "Triosong". Dabei passierte auch die einzige kleine Panne des Abends. Der Schlagzeuger traf das ungewohnte Gerät ein paarmal nacheinander an einer anderen Stelle, was leisere Töne machte und einen sorgenvollen Blick von Bassist Uwe auslöste. Die Sorge war unbegründet, es klang alles wieder herrlich und wurde abgeschlossen mit wild klatschenden Felix und (?, ich glaube) Bernd.

Vor "
Somedays, sundays" entschuldige Felix sich, daß das Lied eine E-Gitarre erfordere. Dem unplugged-Konzept folgend, sie diese aber nicht an Strom angeschlossen sondern habe eine Batterie und eine Box eingebaut. "Das klingt warm und satt." So warm uns satt etwas wie eine CD, die auf den Boden fällt, aber auch dieses Plastikgeräusch war so, als hätte "Somedays, sundays" immer so klingen sollen.

Es folgten anschließend "Under this big moon" und "
Crystal lake", bei dem Felix vorher warnte, er benutze dabei ein Gerät, das mit Autobatterie betrieben werde. Das Instrument stellte sich als Bohrhammer heraus, der wirklich passende Töne beisteuerte. In all diesen Dingen steckte wahnsinnig viel Liebe zum Detail, zu Verspieltheit.

Die sechs gingen danach erstmals von der Bühne und der Saal stand und klatschte begeistert!

Die zweite Zugabe, der Überhit "Dreamdancer", der einem Instrumentalstück folgte, wirke erst weitestgehend normal. Also großartig. Zur Mitte änderten sich jedoch Tempo und Rhythmus, es kamen Percussions zum Einsatz, der Ht wurde langsamer, mehrstimmig - und blieb irre gut.

Die Band verließ wieder die Bühne und Felix erschien irgendwann zu einer weiteren Zugabe, "
Chiropody". Dabei gefiel mir, daß der Sänger sich selbst am Ende quasi ausfadete. Die Band kam wieder und zum Abschluß bediente einer so eine kleine Kinderdrehorgel (ich weiß nicht, wie diese Dinger richtig heißen). Es erklange zwei, drei Takte von "Guten Abend, gute Nacht", und sicherlich nicht nur ich hatte eines der besten Konzerte meines Lebens gesehen.

Setlist Polarkreis 18 unplugged, Konzerthaus Dortmund:

01: Herbstlied (instrumental)
02: Felix Solo
03: Stellaris
04: Philsong
05: Comes around
06: Happy go lucky (neu)
07: Triosong (instrumental)
08: After all he was sad
09: Somedays, sundays
10: Under this big moon
11: Crystal lake

12: Duschwein (instrumental) (Z)
13: Dreamdancer (Z)

14: Chiropody (Z)

Links:

- Polarkreis 18 bei intro intim im März 07
- im Mai 07 im Underground in Köln
- auf dem Haldern-Festival 2007
- und auf dem Highfield Festival im gleichen Jahr
- mehr Fotos - allerdings meist von den älteren Konzerten

Konzertbesucher von Polarkreis 18 könnten auch mögen:

- Arcade Fire (diverse Konzerte)
- The Kissaway Trail in London



Samstag, 29. März 2008

The Wombats, Luxemburg, 28.03.08

9 Kommentare

Konzert: The Wombats
Ort: Den Atelier, Luxemburg
Datum: 28.03.2008
Zuschauer: ca. 800 (ausverkauft)
Dauer: etwa 55 Minuten


Als ich zum ersten Mal die Chance hatte, die Wombats zu sehen, im November vergangenen Jahres, entschied ich mich für das parallele Editors-Konzert in der Live Music Hall in Köln, eine äußerst gute Idee, weil das eines der besten Konzerte des Jahres für mich war. Die Wombats wollte ich aber nun doch einmal sehen. Einige Monate später bot sich diese Chance jetzt, verbunden mit der Gelegenheit, einen neuen Club kennenzulernen - in Luxemburg.

Das Großherzugtum ist für mich schneller zu erreichen als beispielsweise Dortmund oder Münster und bietet ein ganz ausgezeichnetes Konzertprogramm für die Art von Musik, die wir mögen. Sehr fahrlässig also, abgesehen von einem Besuch beim letztjährigen Rock A Field Festival, bisher noch nichts in Luxemburg gesehen zu haben.

Der Club, Den Atelier, liegt in der Nähe des Bahnhofs. Man fährt (von Deutschland aus kommend) über die Umgehungsautobahn rund um die Stadt und ist trotzdem furchtbar schnell da. Ein weiterer sofort offensichtlicher Pluspunkt: in der Straße vor Den Atelier befinden sich eine Menge Kneipen und Bistros, in denen man vor Konzertbeginn noch gut und günstig essen kann. Wir entschieden uns für ein kleines Restaurant, in dem es hauptsächlich Pitta (wie ist da wohl der Plural? Pittas, Pitten?) gab, die so schöne Namen wie "very fat pig" oder "Flipper" (die - natürlich - Thunfischvariante) hatten und köstlich waren. Nächster Pluspunkt.

In Den Atelier wurde ich dann schlagartig melancholisch. Der Raum, der auf der einen Seite eine große Bar und an zwei Raumkanten eine rundlaufende Galerie hat, erinnerte mich auf Anhieb an das Londoner King's College, in dem ich meine allerliebsten The Organ kurz vor Ihrer (schnief) Auflösung gesehen habe. Eine harte Prüfung... Die Laune wurde aber gleich wieder gut, als wir fünf kleine Jungs entdeckten, die alle einheitliche nagelneue Wombats T-Shirts trugen und höchstens 13 waren. Die fünf waren - trotz vieler offensichtlicher Indieleute und einer Gruppe ManU-Trikots tragender Typen (einer mit Gary Neville Shirt) - mit Abstand die coolsten Besucher des Abends. Vielleicht mal abgesehen von ihren englischen Eltern, die ihre Jungs in dem Alter zu einem Konzert gehen ließen. Wir waren mächtig neidisch und versuchten zu verdrängen, zu was wir mit 13 gegangen wären, wenn wir gedurft hätten.

Zu der Vorgruppe wären wir sicher nicht gegangen. Das erste Lied fand ich noch gut und lobte Sulivan aus Luxemburg schon als guten Support. Allerdings wurde es ganz schnell immer belangloser und Sänger Johnnys Stimme immer mehr zu einem Bono Voicedouble, daß ich sehr froh war, daß sich meine Befürchtung, Sulivan spielten länger als die Wombats, nicht bewahrheitete. Aber ich fand etwas Schönes, um mich in der Sulivan-Halben-Stunde zu beschäftigen. Hinter dem Mischpult hing nämlich ein Display, das die aktuelle Lautstärke anzeigte. Das zu beobachten war deutlich spannender als die Vorgruppe.

Während wir auf den Hauptact warteten, faszinierte besonders der Ordner gleich neben uns, der offenbar Mentalist war. Sobald irgendwo eine Zigarette anging, machte er sie auf Distanz nur mit Gedankenkraft und einer Taschenlampe aus. Den Trick habe ich noch nicht durchschaut, er stand aber auf einer Cola-Kiste (doppelter Boden?), seine Erfolgsquote war jedoch eindrucksvoll. Es rauchte niemand, zumindest nicht lange. Und der Ordner ist natürlich Favorit für die Luxemburger Ausgabe von "The Next Uri Geller!"

Als dann alles Zubehör (Stofftiere, Instrumente) aufgebaut war, erklang plötzlich "Karma Chameleon" in Konzertlautstärke durch den Saal. Von unseren Plätzen aus konnte man die Garderobe einsehen, in der die Wombats schon warteten. Der Schlagzeuger der Band, Dan Haggis, tanzte wild zu diesem 80er Klassiker. Wie Boxer gingen die Drei dann am Publikum vorbei in ihren Ring, nicht ohne vorher aber die fünf Hardcore Fans abzuklatschen.

Mit den ersten Takten von "
Lost in the post" begannen dann 55 Minuten wilder Party. Egal, ob man die Wombats für originell oder nicht hält, muß man feststellen, daß die drei Engländer (nunja, fast: Bassist Tord Øverland Knudsen stammt aus Norwegen) den Saal ruckzuck im Griff hatten und eine Stimmung erzeugten, die selbst besser war als bei Bands wie den Arctic Monkeys oder den Kaiser Chiefs. Wahrscheinlich war das Luxemburger Publikum schon ein guter Nährboden, die Band ist aber ganz sicher eine top Liveband, unfassbar! Selbst bei dem neuen "How to pack your bags and leave" tobte der Laden.

Richtig großartig wurde es bei den diversen Hits der Wombats. Das tollste Erlebnis war dabei "
Let's dance to Joy Division", wir waren uns hinterher einig, daß diese Liveversion ein absolutes Konzerthighlight des Jahres ist und sein wird. Ganz klar der musikalisch größte Moment des Abends. Danach war kurz Schluß, bevor "My first wedding" und das grandiose "Backfire at the disco" als Zugaben den Abend beendeten.

Eine neue Band, ein neuer Konzertsaal und viele neue Erkenntnisse brachte dieser Ausflug: 1) eine sehr gute Band kann mit dem richtigen Talent dafür live noch einmal ein paar Nummern besser sein, 2) Döner schmecken in Luxemburg noch mehr Nummern besser und 3) 13 kann ein cooles Alter sein.

Setlist The Wombats, den Atelier, Luxemburg:

01: Lost in the post
02: School uniforms
03: Party in a forest (Where's Laura?)
04: Here comes the anxiety
05: Kill the director
06: How to pack your bags and leave (neu)
07: Moving to New York
08: Patricia the stripper
09: Little Miss Pipe Dream
10: Let's dance to Joy Division

11: My first wedding (Z)
12: Backfire at the disco (Z)

Links:

- The Wombats in Paris im November 2007
- ein paar weitere Fotos



Noah And The Whale, Paris, 28.03.2008

1 Kommentare

Konzert: Noah And The Whale und Thomas Tantrum

Ort: La Flèche d'or, Paris
Datum: 28.03.2008
Zuschauer: ca. 300



"In Paris ist es doof, die Musikszene ist bei weitem nicht so spannend wie in England!"

Solche Klagen höre ich öfter von unzufriedenen französischen Indie-Konzertgängern. Vor allem diejenigen, die britischen Indie-Rock bevorzugen, beschweren sich über den Standortnachteil. Dabei ist Paris eigentlich gar nicht so schlecht, wenn es darum geht, aufstrebende englische Bands früh an die Seine zu holen. Man schaue sich nur an, wer alles bein im letzten November stattfindenden Festival des Inrocks auftrat: Lightspeed Champion, Foals, The Twang, Cajun Dance Party, Joe Lean And The Jing Jang Jong, Teenagers, These New Puritans, Blood Red Shoes und vor allem Johnny Flynn and The Sussex Wit.

Johnny Flynn hebe ich deshalb besonders hervor, weil er die neue britische Generation des Indie -Folks hervorragend verkörpert. Er hat zwar mit Sicherheit Bob Dylan und Neil Young gehört, wurde aber aufgrund seines jungen Alters ebenso von US-Indie Bands wie den Pixies und den Talking Heads beeinflusst, genau wie Arcade Fire und Clap Your Hands Say Yeah auch.

Noah And The Whale nun, sind nicht zufällig Top- Freunde von Johnny Flynn bei MySpace. Musikalische Vorlieben schweißen eben zusammen. Interessant auch: Laura Marling, die erst siebzehnjährige britische Folk-Sängerin findet sich auch unter den Top-Friends. Und diese Laura Marling hatte beim Festival des Inrocks einen Kurzauftritt. Drei Lieder durfte sie vor dem roten Vorhang in der Pause vortragen. Eigentlich sollte die junge Frau auch heute bei Noah And The Whale dabei sein, sie gehört nämlich zur Band.

Auf der Bühne gab es aber zunächst keine Dame, die Männer waren erst einmal unter sich. Als da wären: Der kappetragende Sänger und Gitarrist Charlie Fink, sein smarter Bruder Doug am Schlagzeug, der mit einer seltsamen Clownhose erschienene Bassist Matt und der sehr jung wirkende Geiger Tom. Allesamt nette Typen, im Falle des Sängers etwas verrückt und zerstreut, was ihn allein dadurch schon in eine gewisse Nähe zu Adam Green brachte. Und auch die Stimme von Charlie war derjenigen von Adam nicht unähnlich, kein Wunder also, daß Noah And The Whale den New Yorker auf der anstehenden UK-Tour supporten werden.

Toll an dem Stil der jungen Engländer waren die plötzlichen Tempobeschleunigen , die aus heiterem Himmel kamen. Tom fiedelte in diesen Fällen wie ein Wilder los, der hütchentragende Matt, der neben dem Bass auch noch unter anderem das Glockenspiel betätigte, wippte im Takt und Charlie (der auch Ukulele spielte) ging mit seiner Gitarre in die Knie. Den Drummer Doug sah man logischerweise etwas weniger, aber er stand in einer Szene im Mittelpunkt des Interesses. "Doug spielt hier gerade sein vorerst letztes Konzert für uns, er muß bald seine Medizinprüfungen absolvieren. Aber gleichzeitig Arzt und Schlagzeuger zu sein, ist das nicht sexy?" Derjenige, der die Frage in den Raum stellte, war der drollige Matt, der dies alles in einem nicht schlechten französisch vortrug.

Eine sympathische Band also, die etliche flotte und beschwingte Lieder zu bieten hatte. Und am Ende gab es sogar noch den vielumjubelten Gastauftritt von Stéphanie "Soko" Sokolinski, die bei den letzten beiden Liedern im Background mitsang, über beide Ohren grinste und munter im Takt mitklatschte.

Noah and The Whale, dies Band muß man im Auge behalten!

Setlist Noah And The Whale, La Flèche d'or, Paris:

01. Give A Little Love
02. Peaceful, The World Lays Me Down
03. Mary
04. Jocasta
05. 5 Years Time
06. Rocks And Daggers


Thomas Tantrum waren im Anschluß dann etwas weniger überzeugend, auch wenn ihre blonde Frontfrau Megan Thomas zweifellos ein Hingucker war. Ihr mitunter recht düsterer Garagen-Punk Pop in der Tradition von Siouxie and The Banshees hat man so ähnlich in den lezten Jahren schon von beispielsweise Be Your Own Pet gehört. Dennoch sollte man auch diese aufstrebende englische Band nicht ohne weiteres übergehen, denn die charmante Note, die sie ihrem Punk-Pop beimischen, ist nicht zu leugnen. Ich bleibe auch hier am Ball.

Setlist Thomas Tantrum, La Flèche d'or, Paris:

01: What What What
02: Rage Against The T...
03: Shake It! Shake It!
04: Swan Lake
05: Warm Horse
06: Work-It
07: Zig A Zig
08: Why The English
09: Are...
10: Pshandy

Zuschauer von Noah And The Whale könnten ebenfalls mögen:

- Johnny Flynn in Paris
- Jeremy Warmsley in Paris



Freitag, 28. März 2008

I Am Kloot, Paris, 27.03.08

6 Kommentare

Konzert: I Am Kloot

Ort: Le Nouveau Casino, Paris
Datum: 27.03.2008
Zuschauer: ausverkauft!
Konzertdauer: 80 Minuten



"Unfortunately I lost my ticket" (Oliver Peel) - "And I almost lost my house!" (John Bramwell)

Herrlich dieser Dialog! Er fand nach dem vorzüglichen Konzert von I Am Kloot zwischen mir und dem Sänger der englischen Band im Café Charbon statt, das gleich neben dem Nouveau Casino liegt. Ich hatte Johnny erklärt, daß ich leider mein Dezember-Ticket verloren hatte und somit erneut für das Konzert bezahlen mußte. Bereits Ende vergangenen Jahres waren I Am Kloot im Nouveau Casino angekündigt, mußten aber leider kurzfristig absagen, weil Mister Bramwell Probleme mit seiner Reibeisen-Stimme hatte. Zum Glück ist der kurzgewachsene Mann mit dem Wuschelkopf inzwischen genesen und trifft wieder jeden Ton.

Vielleicht sollte er nicht so viel rauchen, oder weniger saufen? Dann würde dem hartgesottenen Burschen aber sicherlich was fehlen und ihm würde es erst recht schlecht gehen, die Stimme würde eventuell sogar seinen wunderbar rauen Klang verlieren. Das Bier und die Zigarette passt nämlich einfach perfekt zu diesem duften Typen. Diese Vergnügen läßt er sich nicht nehmen, Recht hat er!

"Do you mind, if I smoke a cigarette too?", fragte ein Zuschauer während des Zugabenteils Johnny, der sich demonstrativ ein Kippchen angezündet hatte und genüßlich daran paffte. - "Of course not, we are in France, man, they don't give a shit about the law here!"
Herr Bramwell scheint die Mentalität der Franzosen gut zu kennen. Es stimmt, der Franzose hält sich nicht gerne an von oben verordnete Gesetze. Hat sich Johnny wirklich als Straßenmusiker in Paris verdingt, wie Blogger-Freund Eike zu berichten weiß? Und kennt er daher so gut die Marotten der Frenchies?

Die Story würde zu dem Typen passen, ich könnte mir John Harold Arnold Bramwell, wie er mit vollständigem Namen heißt, gut als Straßenmusiker vorstellen. Fluppe im Mund, Gitarre unterm Arm und mit Reibeisenstimme vorgetragene,
äußerst zynische und bisweilen depressive Texte. Der Mann, der wie eine Kreuzung aus Peter Maffay, Thomas Gottschalk und Luke "The Kooks" Pritchard (in zwanzig Jahren) aussieht, hat mit Sicherheit viel erlebt. Nicht nur Gutes, kann ich mir vorstellen, aber seine trotzige Lebensfreude hat er dennoch nicht verloren. Seine blauen Augen sehen wach aus, in ihnen steckt aber auch jede Menge Melancholie. Wenn er den Mund öffnet, um sich seine Geschichten aus der Seele zu schreien, wird sein löchriges Zahnwerk erkennbar.
"He needs dental surgery", sagt mir eine circa. 50 jährige Freundin der Band, mit der ich mich anschließend im Café Charbon,
bei einem Bier, daß Norman McLeod, der Schotte und Pedal Steel Gitarrist der Band spendiert hat, unterhalte. Sie lacht sich halb tot, nachdem sie das gesagt hat. Johnny ist in diesem Moment nicht sehr weit, er sieht meine Kamera um meinen Hals baumeln und will die Bilder sehen, die ich während des Konzerts geschossen habe. "I'm old and ugly", sagt er und wendet sich wieder einer jungen Frau zu, mit der er ein wenig flirtet. Und die Zahne müßten gemacht werden...

Aber Mister Bramwell ist halt eben ein wilder Hund, der bestimmt nicht gerne zum Zahnarzt geht. Harte Burschen wie er haben meistens Angst vor den Gebiss-Klempnern. Auch vor dem Leben hat er Angst, aber dann schreibt er einfach Songs und singt solch gänzende Lieder wie "Storm Warning". Dort heißt es : "hell for leather, lathered, drunk, you're soused, you're pissed, you're sunk, he juke box now is drunk." Und etwas später: Is there a storm coming or are we just another shower, is this a storm warning, has someone just cut the power, is there a storm coming or are we just another shower". Als er die Zeilen intoniert, läuft mir ein Schauer über den Rücken, soviel Herz legt er in das Lied. "You're pissed" - Du bist völlig besoffen, was für ein Ausdruck!

Ähnlich nahegehend ist "Twist". Auch hier wieder diese Texte, die das Leben schrieb: "We fuck an we fight someone else does the dishes" und der Refrain: "There's blood on your legs, I love you".

I" love you", ja das passt, ich liebe I Am Kloot! Für ihre Natürlichkeit, Bescheidenheit, Geradlinigkeit. Aber vor allem natürlich für ihre Songs, die mir schon so viel Freude bereitet haben. "Morning Rain" ("i've never seen so many people smoke so many cigarettes") zum Beispiel könnte ich zehnmal hintereinander hören, genau wie "Over My Shoulder". Aber auch die zahlreichen neuen Stücke vom aktuellen Output "I Am Kloot play Moolah Rouge" sind vielversprechend, die CD habe ich mir gleich im Anschluß an das famose Konzert zugelegt.

I Am Kloot sind übrigens eine Band, zum Stammpersonal gehören auch der Bassist Peter Hobson und der eine Bierruhe austrahlende Drummer Andy Hargreaves. Heute mit dabei waren aber auch die beiden schottischen Mc Leod-Brüder, der Keyboarder und Produzent Colin Mcleod und Norman McLeod, der glatzköpfige Pedal Steel Gitarrist. Mit Norman habe ich mich nach dem Konzert noch auf amüsante Weise unterhalten. Er erzählte mir von dem hervorragenden Wasser, daß in seiner Heimatregion - der Speyside, fließt und daß er zu Hochzeiten und Beerdigungen gerne mal einen Kilt trägt. Seine Tartan-Farben seien grün und schwarz. Und unter dem Kilt trägt er natürlich...nichts!

I Am Kloot - No Bullshit, just good music!

Setlist I Am Kloot, Nouveau Casino, Paris:

01: One Man Brawl
02: Fave Sky
03: Hey Little Bird
04: Because
05: Ferris Wheels
06: Twist
07: The Runaways
08: Here For The World
09: Over My Shoulder
10: Someone Like You
11:
Fear Of Falling
12: Suddenly Strange
13: Same Deep Water
14: Even The Stars
15: Morning Rain
16: To You
17: Storm Warning
18: I Believe
19: Proof
20: Life In A Day

21: Astray (Z)
22: Dark Star (Z)

Links:

-
mehr Fotos von I Am Kloot hier

Ausgewählte Konzerttermine von I Am Kloot:

29.03.2008: Groningen (Niederlande): Vera
30.03.2008: Amsterdam (Niederlande): Melkweg
31.03.2008: Eindhoven (Niederlande): Effenaar
09.04.2008: Moskau (Russland) : B2
22.04.2008: London (UK) : Koko

Konzertbesucher von I Am Kloot könnten auch mögen:

- Paul Weller in Frankfurt
- Electric Soft Parade in Paris
- Badly Drawn Boy in Paris
- Morrissey in Lille
- The Coral in Paris
- Malcolm Middleton in Köln

Für unseren Leser Harald als kleine Aufmerksamkeit: Ein Livemitschnitt von Titanic



Mittwoch, 26. März 2008

This Is The Kit, Paris, 26.03.08

2 Kommentare

Konzert: This Is The Kit
Ort: Le Divan Du Monde, Paris
Datum: 26.03.2008
Zuschauer: recht gut besuchte Veranstaltung



Heißen eigentlich in England alle Frauen, die in der Musik-und Showbranche tätig sind, Kate?


Kate Moss, Kate Nash, Kate "The Long Blondes" Jackson, die Liste könnte man wahrscheinlich beliebig weiterführen. Ich persönlich habe aber in diesem Jahr eine neue Kate zu meinem Liebling auserkoren. Kate Stables heißt die charmante junge Frau und wenn sie mit dem Banjo oder der Gitarre auf der Bühne steht, nennt sie sich This Is The Kit. Zugegebenermaßen ein etwas seltsamer Name, aber immer wenn mir etwas unverständlich ist, frage ich einfach meine Frau. "Cecile, weißt Du was Kit bedeutet?" - "Kit ist ein Spitzname für Christopher, erklärt sie mir. Der englische Schriftsteller Christopher Marlowe wurde so genannt. Kit Marlowe, einer der Begründer des klassischen englischen Theaters, zusammen mit Shakespeare. Ein erbitterter Gegner und Konkurrent von Shakespeare übrigens, man munkelt gar, Shakespeare habe Marlowe umbringen lassen." - Wow, ich bin verblüfft, was meine Frau schon wieder alles weiß! Cécile ist meistens besser als Wikipedia! Ich komme mir in solchen Situationen immer schrecklich ungebildet vor und frage mich, ob ich bei der Pisa-Studie den Durchschnitt für Deutschland nach unten gezogen hätte, oder ob die Franzosen einfach eine bessere Allgemeinbildung haben...

Ob sich Kate Stables nach Christopher "Kit" Marlowe benannt hat, weiß ich nicht. Sicher sagen kann ich aber, daß sie eine wunderschöne Stimme hat und gerade ihr erstes Album "Krulle Bol" erschienen ist. Ein traumhaft gutes Album übrigens, das seit Tagen auf meinem I-pod dauerrotiert. Angeblich ist das heute sogar eine Art Release-Party, aber eigentlich ist die CD schon seit circa. zwei Wochen in den Läden zu finden. So gehe ich also gut vorbereitet in das Konzert, das merkwürdigerweise kostenlos ist (oder hatten die einfach niemanden für die Abendkasse?).

Als ich den hübschen Saal betrete, musizieren gerade noch Domingo, ein gemischtes französisches Duo, das von Kate persönlich eingeladen wurde und demnächst auch in der Maroquinerie im Vorprogramm von Cocosuma spielen wird. Der bärtige Kerl und die schüchtern wirkende junge Frau, machen ihre Sache gut, wenngleich auch heute wieder seitens einiger Zuschauer laut geschwatzt wurde. In der Mitte des Raumes sind überall hölzerne Kaffehaus-Tischen aufgebaut, das verleitet anscheinend zum geselligen Plausch.

Nach recht kurzer Zeit, verabschieden sich Domingo dann auch schon und wünschen allen noch ein schönes Konzert. Aber wer würde als nächstes auftreten? Die schieferne Tafel vor dem Divan Du Monde listet drei Namen auf: Domingo, Morningstar und This Is The Kit. Ich erwarte also Jesse D Vernon aka Morningstar erst einmal solo auf der Bühne, die noch verwaist ist. Lediglich ein paar Instrumente stehen einsam rum. Dann kommen aber überraschenderweise Kate und Jesse gemeinsam auf die Bühne. Daß Jesse D Vernon Kate bei dem Projekt This Is The Kit begleitet, wußte ich schon. Ich habe die beiden vor ein paar Wochen in der Maroquinerie nämlich bereits einmal zusammen auftreten sehen. Morningstar hat aber auch eigene Lieder und ein paar Alben zu bieten und insofern dachte ich, heute in den Genuß seiner Kompositionen zu kommen. Daraus wird aber nichts.

Nicht schlimm, ich bin ja auch in allererster Linie wegen Kate, sprich This Is The Kit, hier. Und die macht es sich auch gleich gemütlich, nachdem sie unter verhaltenem, aber aufrichtigem Applaus die Bühne betreten hat: Sie zieht ganz spontan ihre Schuhe aus und steht kurze Zeit später mit ihren Ringelsöckchen da. Ein bißchen Öko ist das ja schon und ich muß innerlich lachen, weil meine französische Frau immer sagt, das sei eine typisch deutsche Unsitte, diese Schuhauszieherei. Nun, anscheinend mögen das also auch ein paar Engländer (Eddy "Art Brut" Argos macht das ja auch). Zumindest die alternative Szene und dazu gehört Kate ohne Zweifel. Auf der Rückseite ihrer Setlist finde ich später übrigens auch ein paar lustige Notizen, die dies belegen: "Number of people: 7, number of vegetarian/vegan: 3".

Macht fleischlose Kost hübsch? Wenn man sich Kate so anschaut, scheint das wohl so zu sein. Sie ist auf natürliche Weise hübsch und hat wunderbar ebenmäßige Züge. Sie sieht auch ohne Schminke niedlich aus. Und wenn sie lächelt, geht die Sonne auf!

Zunächst einmal wird aber musiziert, der ziemlich verschlafen wirkende Jesse D. Vernon kommt hinzugeschlurft und los geht's mit "Shared Out". Sofort bin ich von der zarten und naturreinen Stimme gepackt, obwohl es um mich herum recht laut ist. Aber ich schalte ab und konzentriere mich nur auf das Konzert. Und das ist wundervoll. Die beiden Musiker wechseln immer mal wieder die Instrumente, er spielt Geige, Percussions, (mit dem Fuß!) Gitarre und trommelt auch, sie greift in Banjo und Gitarre. Der Großteil des Sets besteht natürlich aus Albumtiteln von "Krulle Bol", aber nicht ausschließlich. "Sleeping Some" und "Waterproof" sind Neuheiten und auch "White... Cut (ich kann die Handschrift nicht lesen) ist mir unbekannt. Im Gegenzug habe ich aber vor allem "Two Woden Spoons" und das abschließende "Birchwood Beaker" schon verinnerlicht und fest in mein Herz geschloßen. Schönere und herzerweichendere Stücke sind dieses Jahr kaum geschrieben worden, die Intimität und Reinheit, die von ihnen ausgehen, ist atemberaubend. Leider ging heute alles viel zu schnell vorbei, auch wenn es wenigstens noch zwei Zugaben gab. Die erste davon heißt "Oh My Stars" und ist eine Coverversion. Leider habe ich nicht verstanden, von wem sie im Original stammt, lediglich, daß der Songwriter mit Vornamen Michael heißt, habe ich mitbekommen. "Oh My Stars", das hat eine andere vorzügliche Folksängerin auch schon einmal gesungen und zwar Nina Nastasia. Kate Stables ist fast schon ähnlich gut wie die famose Nina. Und sie ist "meine" Kate des Jahres. Wer war noch einmal Kate Moss?...

Setlist This Is The Kit, Divan du Monde, Paris:

01: Shared Out
02: Creeping Up Our Shins
03: We Need Our Knees
04: Greasy Goose
05: Our Socks For Evermore
06: White ... Cut
07: Two Wooden Spoons
08: Sleeping Some
09: Water Proof
10: With Her Wheels Again
11: Birchwood Beaker

12: Oh My Stars (Cover Michael Hurley) (Z)
13: Daning/Wednesday (Z)

Links:

-
This Is The Kit im Vorprogramm von Findlay Brown
- mehr Fotos von Domingo hier
- mehr Fotos von Kate Stables aka This Is The Kit hier

Konzertbesucher von This Is The Kit könnten auch mögen:

- Alela Diane in Paris
- Nina Nastasia in Paris
- Marissa Nadler in Paris



Molly's, Kumisolo, Paris, 25.03.08

0 Kommentare

Konzert: Molly's, Kumisolo
Ort: La Flèche d'or, Paris
Datum: 25.03.2008
Zuschauer: in der Spitze etwa 150



Ostern ist vorbei. Gott sei Dank! Mann, was hab' ich mich gelangweilt und wenn man mich fragt, was ich denn Schönes gemacht habe, kann ich eigentlich nur antworten: nix!


Das Wetter war aber auch wirklich mies, kalt und ungemütlich (noch nicht einmal Schnee wie in Deutschland). Da bin ich lieber gleich zu Hause geblieben und habe auf dem Bett mit meiner Katze geschmust und Comics (aber nicht Asterix, oder so einen Kram, sondern anpsruchsvollen Stoff, da gibt es auf dem französischen Markt alles, was das Herz begehrt) gelesen. Die Schokolade, die ich genascht habe, war auch nicht übel (um nicht zu sagen: extrem köstlich!), aber auch in diesem Bereich ist Frankreich Deutschland um Lichtjahre voraus. Während der Germane diese billigen Milka-Schokohasen in sich reinstopft, genießt der französische Feinschmecker die ausgefallensten Kreationen der Patisserie-Kunst und die Schokolade ist natürlich dunkel und mit hohem Kakaogehalt, wie es sich gehört!

Aber ein Konzert-Junkie wie ich, braucht irgendwann richtigen Stoff, also weder Comics noch Schokolade, sondern M-U-S-I-K! J'ai besoin d'un C-O-N-C-E-R-T!!!

Und abhängig, wie ich nunmal bin, nehme ich was kommt. Eigentlich sollte das ja eigentlich heute auch ziemlich interessant werden in der Flèche d'or, denn die ausgezeichneten und sehr originellen Dorian Pimpernel standen ursrünglich auf dem Termin-Kalender. Ich hatte mir das extra dick in mein rotes Büchlein eingetragen. Aber als ich nachmittags noch einmal einen Blick auf den Zeitplan der Flèche d'or schaute, waren die Pariser plötzlich nicht mehr auf der Liste! Weg, einfach verschwunden!

Schade, schade, aber ich wollte trotzdem raus aus meiner Bude. Auf dem Programm standen immerhin Revolver - schon mal gesehen und für gut befunden - Sammy Decoster - schon einmal gesehen und für mittelmäßig befunden und zum Abschluß die Garagenrocker Molly's, gefolgt von der Japanerin Kumisolo.

Molly's wollte ich eh' immer schon mal begutachten, die Musikzeitschrift Rock & Folk hat schon oft recht euphorisch von der Band, die aus der Picardie in Frankreich stammt, berichtet. Allerdings muß man bei Rock & Folk vorsichtig sein, das Blatt hat sich nämlich offensichtlich zum Ziel gesetzt, alles was in Frankreich Garagenrock macht und eine Gitarre halten kann, zu pushen.

Als ich an den bulligen Ordnern vorbei, die schwere Tür zu dem Konzertraum aufstoßen wollte, bemerkte ich zufällig Olivier Jourdain, den charismatischen Sänger der Hushpuppies, in ein angeregtes Gespräch mit der Top-Konzertfotografin Sophie Jarry verstrickt. Überall wo junge, sexy, garagenrockige Musiker unterwegs sind, ist Sophie nicht weit. Die hübsche Frau hat schon exklusiv mit Razorlight gearbeitet und auch schon CD-Cover für die Band um Johnny Borell gemacht. Ansonsten knipst sie regelmäßig Pete "Babyshambles" Doherty ab und natürlich die junge französische Szene (BB Brunes, Second Sex, etc.), die sogenannten Baby (bébé)-Rocker. Heute "schoß" sie also die Molly's. Na dann müssen die ja angesagt sein! Und über 200 000 Profilaufrufe bei MySpace sind ja auch 'ne Hausnumer...

Sophie erkannte mich übrigens nicht, obwohl ich mich ihr schon ein paar mal vorgestellt habe, vielleicht fehlt mir einfach die Gitarre und die Zugehörigkeit zu einer Band, um aus ihrer Sicht erinnerungswürdig zu sein?! Dafür wollte mich allerdings ein forscher junger Mann erkannt haben, der auf den verschlossenen roten Vorhang starrte. "Hey, Dich kenn' ich, wie heißt Du?" Mir sagte der Bursche nichts, deshalb blieb ich skeptisch und fragte ihn, wieso er das denn wissen wolle. "Du hast mich doch auch schon abfotografiert, stimmt's?" - "Äh, ich glaube Du verwechselt mich jetzt, ich kann mich nicht daran erinnern, Dich schon einmal "geschossen" zu haben; wie heißt Du und in welcher Band spielst Du denn?" - "Nicolas und ich spiele bei den Brats, sagte er ziemlich stolz." Die Brats kannte ich in allerdings in der Tat, ich hatte schon mehrfach von ihnen gelesen, natürlich in der Rock & Folk. Wir verabredeten, daß ich mir seine Band mal live ansehen und sie natürlich "schießen" würde...

Dann ging der rote Vorhang auf und die Molly's legten los wie von der Tarantel gestochen. Sie hatten gleich zwei Sänger auf einmal, die auch noch jeweils Gitarre spielten und mir mit ihren harten Riffs fast die Ohren wegbliesen. Insgesamt sind sie als Quartett unterwegs und was sie da boten, war wirklich nicht von schlechten Eltern. Vor allem der Sänger Antoine war ein wilder Hund und er hatte auch schon alles Gesten eines Rock-Stars drauf. Mit ausgetrecktem Arm spielte er seine Gitarre, sang oft mit weitaufgerissenem Mund und heizte so den jungen Girlies im Publikum ein. Insgesamt gefielen mir die Molly's deutlich besser als beispielsweise die Blakes, die im Olympia für Gossip und die Kills eröffnen durften. Da waren wirklich ein paar fetzige Songs dabei und auch eine erste EP "Fast/Slowmotion soll schon im April erscheinen. Den Titeltrack kann man sich auf ihrer MySpace Seite anhören, ich kann Fans der Gattung Garagenrock auf jeden Fall empfehlen, diese Möglichkeit zu nutzen. Ich persönlich bleibe bei den vier Heißspornen auf jeden Fall am Ball!

Setlist Molly's, La Flèche d'or, Paris:

01: Fast/Slow Motion
02: The Opposite
03: YCSYRN
04: Choke Me
05: Take My Head
06: Rodeo Town
07: Wild Bunch
08: Overload
09: Parasite
10: Feeling Satisfied

Dann gab es eine längere Pause und viele Leute verließen auch schon die Flèche d'or.

Diejenigen, die gegangen sind, verpassten allerdings den hochamüsanten und leicht trashigen Auftritt der zierlichen Japanerin Kumisolo. Auf ihrer MySpace Seite bezeichnet sich die Süße, die auch Teil des Konki Duets ist, bereits konsequenterweise als Cheap Pop Queen.

Wie der Name schon sagt, Kumisolo ist das Soloprojekt von Kumi und logischerweise erschien sie dann auch ganz alleine auf der Bühne. Lediglich dabei: Ihr mit zahlreichen Katzen - und Bärchen-Aufklebern verziertes Apple-Notebook. Allein dieses Teil war schon zum Totlachen, aber fast noch witziger waren die Aufdrucke auf ihrem Kleid. Dinosaurier mit Menschenknöpfen! Ich hatte Probleme, meine Kamera gerade zu halten, so grotesk komisch war das Ganze! Hinzu kam noch, daß das zarte Persönchen auf zuckersüße und infantile Weise Elektro-Pop Nummern sang, die die Kitschgrenze oft weit überstiegen. Sie selbst amüsierte sich aber köstlich, kicherte vor sich hin, sang einzelne Zeilen auf französisch und brachte so das Publikum zum Wiehern. Besonders charmant war, wenn sie auf japanisch sang und hierzu auf leicht altmodische Weise tanzte. Ich kam mir vor, wie bei einer Karaoke-Show in einem Touristenhotel in Tokio, irgendwie erinnerte mich das alles aber auch an den Film "Lost In Translation". Wirklich zum Schießen!

Das Publikum wurde immer alberner und klatschte oft laut im Takt der elektronischen Klänge mit. Und um das Ganze noch zu toppen, kam plötzlich ein bärtiger Herr hinzu ("Mec", wie Junge auf französisch) und hielt sich genau wie Kumi eine orangfarbene Maske vor das Gesicht. Ich konnte nicht mehr, mußte mir vor Lachen den Bauch halten!

Selten habe ich so eine absurd komische Show erlebt! Und eine Zugabe gab es auch noch. Kumi hauchte wie durch eine Art Stimmverzerrer "Merci" in die Runde, herrlich!

Bald spielt Kumisolo in Moskau, das Publikum wird sie lieben, die Russen stehen nämlich auf Kitsch!






Freitag, 21. März 2008

The Dø, Paris, 20.03.08

4 Kommentare

Konzert: The Dø
Ort: La Cigale, Paris
Datum: 20.03.2008
Zuschauer: ausverkauft

"Wieviele Minuten pro Konzert guckst Du eigentlich nicht durch die Linse Deiner Kamera?" :)

Diesen Spruch eines Pariser Konzertfotografen bekam ich gestern auf meiner Flickr - Fotoseite, um die Ohren gehauen. Auch mit seinem auf heuchlerische Weise gesetzten Grinsegesicht-Emoticon konnte er nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Kommentar nicht nett gemeint war, sondern Ausdruck von Neid war. Ich hatte gerade circa. das 40. Bild von dem ungemein fotogenen Duo "The Dø" hochgeladen, als dieser oben bezeichnete Spam mich erreichte.

Diese Frage hatte der Bursche sich schon einmal gestellt und zwar auf seiner Musik-Webseite : "Man fragt sich, ob dieser Oliver Peel die Konzerte ausschließlich durch seine Kamera verfolgt; seine Bilder sind unglaublich häßlich und außerdem lädt er immer tonnenweise davon auf seine Seite".
"Stell weniger davon ins Netz, das schadet Dir nur, die meisten sind eh' scheiße", gab er mir "gutgemeinte" Tipps bei Flickr. Ich antwortete ihm, daß ich kein Profi-Fotograf sei und außerdem ausreichend Pics benötigen würde, um meine Berichte für den Blog zu dokumentieren. Interessehalber sah ich mich aber mal bei ihm um und stellte fest, daß er desöfteren wesentlich mehr Fotos pro Konzert ins Netz stellte. Nur mal eine Zahl, um dies zu belegen: The Dø hat der "nette Kollege" im November 2007 abgeknipst und stattliche 72 (!) Fotos auf seine Seite hochgeladen. Und dann meckert er bei mir rum, wenn ich gerade erst bei Bild 40 bin. Aus Trotz habe ich dann entgegen meiner sonstigen Gewohnheiten, alles was ich von The Dø hatte, auf meine Flickr-Seite geknallt! Über 100! So! Ich lass' mir doch nicht auf der Nase rumtanzen!

Aber diese Kindergarten-Nummer verdeutlicht ziemlich gut, wie sich Fotografen (ich bezeichne mich selbst nicht so, ich mach' nur Bilder, das ist alles!) um das glamouröse finnisch-französische Duo "The Dø" (D wie Dan und O wie Olivia, die Anfangsbuchstaben der beiden Musiker) reißen. "Wer hat sie zuerst abgeknipst?" - solche Fragen stellen sich ernsthaft erwachsene Menschen, kaum zu glauben diese Kinder-Kacke, oder? Aber auch in dieser Hinsicht war ich schneller als mein "Kollege", ohne es darauf angelegt zu haben. Ich war zufälligerweise beim ersten Konzert, das The Dø überhaupt gegeben haben, dabei. Und das fand ebenfalls in der Pariser Cigale statt und zwar vor ziemlich genau einem Jahr, nämlich am 26.03.2007, im Vorprogramm von den Scherzkeksen "I'm From Barcelona". Damals interessierte sich kaum ein Profi-Konzertfotograf für diese Band, was daran lag, daß sie einfach niemand kannte.

Innerhalb von nur zwölf Monaten hat sich das schlagartig geändert, The Dø sind von einer kaum beachteten Vorgruppe zum Headliner geworden und sie verkaufen überall wo sie auftreten ihre Konzerte in Rekordzeit aus. Ihr Album war bei den Downloadcharts bereits Nummer 1 (!) in Frankreich und lag damit vor Radiohead! Ein märchenhafter Aufstieg, stimmt's?

"Damals haben wir hier in der Cigale unser erstes Konzert gegeben und wir hatten eine solche Angst! - "Wir haben immer noch Angst!"

An der Aufrichtigkeit dieser Worte des Bassisten Dan Levy hatte ich keinerlei Zweifel, sie kamen wirklich von Herzen. Zu dem Zeitpunkt, da dieser Satz geäußert wurde, war das Konzert fast schon gelaufen, der Druck hatte sich deutlich gelegt und die beiden stylishen Musiker tanzten zusammen mit ihrer Vorgruppe "Ziveliorkestar" ausgelassen zu dem marschmusikähnlichen Lied "Queen Dot Kong". Das Ziveliorkestar war im wahrsten Sinne des Wortes mit Pauken und Trompeten (Und Tubas und Saxofon etc.) gekommen und unterstützte The Dø tatkräftig bei dem letzten Titel des regulären Sets. Die Spiel-und Lebensfreunde gerade von der bildhübschen Olivia B. Merilahti war absolut ansteckend und kompensierte auch die Tatsache, daß ich das Ziveliorkestar mit ihren Balkanklängen absolut käsig und scheußlich fand. Auf der Bühne wimmelte es nur so vor tanzenden, trompetenden und johlenden Menschen und natürlich habe ich diese spektakulären Szenen komplett abgelichtet.

Der Freund meines "netten Kollegen", der zu dem Konzert entsendet worden war, schien zu diesem Zeitpunkt tief geschlafen zu haben. Auf seiner Flickr-Seite befindet sich nämlich kein einziges Foto der Tanz-Szenen, vielleicht waren die Burschen deshalb so angefressen und neidisch auf mich?!

Wie auch immer, zuvor ging jedenfalls auch schon eine ganze Menge ab. Oliva war mit einem Leoparden-Ganzkörperanzug erschienen, über den sie ein goldenes Kleidchen gestreift hatte. An den Füßen trug sie schwere Biker-Boots, was einen interessanten Kontrast zu ihrem sehr schmalen und filigranen Körper ergab. Dan für seinen Teil kam hütchentragend daher und spielte ansonsten Baß und Keyboard, Olivia Gitarre und bei der ersten Zugabe, der Ballade "When Was I Last Home", auch Klavier. Dritter Musiker im Bunde war ein Drummer, der mich an den Tenniscrack Marat Safin erinnerte, aber eigentlich weniger hart auf sein Gerät einprügelte als der hünenhafte Russe. Stattdessen besann er sich eher auf ein abwechslunsgreiches Schlagzeugspiel, das er in einem seltsam aussehenden Käfig bestritt, der von Kupfertellern umsäumt war. Dies ein anschauliches Beispiel dafür, daß viel Wert auf den Show-Aspekt gelegt wurde. Aber auch Musikalisches wußte zu begeistern. In erster Linie muß da natürlich der Riesen-Hit "On My Shoulders" genannt werden, der wesentlich zu dem kometenhaften Aufstieg von The Dø beigetragen hatte. Auch heute zog dieser Smasher wieder unglaublich gut und hielt auch die letzte Schnarchnase nicht auf den Sitzen am Balkon. Die ganze Cigale tanzte ausgelassen und wippte euphorisch im Takt. Olivia hauchte: "Why should I carry such a weight on my shoulders"" und wenn man ihre schmalen Schultern betrachtete, wurde einem deutlich, daß man da nicht zuviel Gewicht draufpacken sollte. Aber dem Druck, eine ausverkaufte Cigale, zum Vibrieren zu bringen, war sie allemal gewachsen. Mit ihrer süßen und infantilen, teilweise an Björk erinnernden Stimme (allerdings nicht bei erwähntem Lied), heizte sie mächtig ein und mit ihrer unglaublichen sinnlichen Art, die Gitarre zu halten, brachte sie auch mich regelrecht um den Verstand. Wenn sie da so winselte, hatte man aber wirklich manchmal den Eindruck, sie würde gerade zum Orgasmus kommen! (vor allem bei "Aha").

Musikalisch gut fand' ich auch den Schunkler "Tammie" und das frühgebrachte "At Last". Wer The Dø noch nicht kennt: Ihre Bandbreite ist sehr weit, sie reicht von Indie-Rock über Hip Hop im Stile von Gwen Stefani bis hin zum süßlichen Sixties-Pop, "Stay (Just a little bit more). Dieses "Stay" war dann auch passenderweise das allerletzte Lied des Abends und einige Zuschauer wären in der Tat auch noch gerne länger geblieben um weiteren Songs von The Dø zu lauschen. Wahrscheinlich hatten die Musiker aber einfach noch nicht mehr im Repertoire, zu dem allerdings witzigerweise eine Cover-Version von Gnarls Barkley ("Crazy") gehörte. Ein weiterer Beleg für die Vielfältigkeit der Band.

Und wer hat sie zuerst gesehen? Und wer hat sie zuerst abgeknipst :) Achso: Auf die ganz oben aufgeworfene Frage habe ich trocken geantwortet: "Ich habe ständig durch die Linse meines Apparates geguckt und keine Minute das Ding abgesetzt". Dafür waren die Menschen auf der Bühne einfach zu schön!




Setlist The Dø,
La Cigale, Paris:

01: Playground Hustle
02: Unissassi Laulelet
03: The Bridge Is Broken
04: At Last
05: How Could I?
06: On My Shoulders
07: Travel Light

08: Crazy (Gnarls Barkley Cover)
09: Tammie
10: Aha
11: Queen Dot Kong

12: When Was I Last Home
13: Bohemian Dances
14: Stay (Just A Little Bit More)

Links:

- The Dø als Vorgruppe von I'm From Barcelona
- mehr Fotos von The Dø

Konzertbesucher von The D
ø könnten ebenfalls mögen:

- Coco Rosie in Paris (Olympia)
- PJ Harvey in Paris (Grand Rex)
- Gwen Stefani in Paris (Bercy)
- Bat For Lashes in Paris (Trabendo)



 

Konzerttagebuch © 2010

Blogger Templates by Splashy Templates