Konzert: Polarkreis 18 (unplugged)
Ort: Konzerthaus Dortmund
Datum: 29.03.2008
Zuschauer: etwa 500
Dauer: etwa 90 Minuten
Polarkreis 18 in einem Konzertsaal, also in einem echten, klang im Vorfeld schon aufregend. Allerdings reichte meine Phantasie nicht aus, mir vorzustellen, wie herausragend solch ein Abend werden könnte. Aber von Anfang an - der liegt jedoch ziemlich genau ein Jahr zurück.
Im vergangenen März spielten Karpatenhund und ein paar mir unbekannte Bands bei einem Intro intim Abend im Gebäude 9. Polarkreis 18 hatten eigentlich keine Chance, mir zu gefallen, weil ihr Musikstil, wie ich dachte, gar nicht meiner ist. Auch wenn mein Bericht von diesem Konzert noch sehr deutlich meine Skepsis widerspiegelt (scheußlich, was ich da für einen Unsinn über Nervstimmen geschrieben habe), bin ich seitdem ganz großer Fan der Dresdner (und habe sie in den folgenden Monate noch dreimal gesehen).
Im vergangenen März spielten Karpatenhund und ein paar mir unbekannte Bands bei einem Intro intim Abend im Gebäude 9. Polarkreis 18 hatten eigentlich keine Chance, mir zu gefallen, weil ihr Musikstil, wie ich dachte, gar nicht meiner ist. Auch wenn mein Bericht von diesem Konzert noch sehr deutlich meine Skepsis widerspiegelt (scheußlich, was ich da für einen Unsinn über Nervstimmen geschrieben habe), bin ich seitdem ganz großer Fan der Dresdner (und habe sie in den folgenden Monate noch dreimal gesehen).
Als Oliver und ich Bernd von Polarkreis 18 in Haldern interviewt haben, verriet er uns, daß sie wahnsinnig gerne einmal in der Semperoper auftreten würden. Ein klassisches Konzerthaus ist schon einmal eine gute Zwischenstation auf dem Weg dahin.
Als wir ankamen, war es im Vorraum des Dortmunder Konzerthauses noch recht leer. Zwei städtische Angestellte fortgeschrittenen Alters verkauften am Stand PK 18 T-Shirts und Platten, in sandfarbene Uniformen gekleidete Garderobenmitarbeiter standen in kleinen Boxen und warteten auf Jobs, es wirkte feierlich. Es füllte sich dann doch recht schnell, und als um fünf vor neun der Theatergong zeigte, daß es gleich losginge, strömten erfreulich viele Zuschauer in den Saal. Bis sehr weit hinten waren nur ganz vereinzelt Lücken in den Reihen zu sehen.
Auf der Bühne war auch schon recht viel los, in Form von ganz vielen und vor allem ganz aufregenden Instrumenten. Neben eher unspektakulären Geräten wie Schlagzeug und Flügel (den hat schließlich Elton John auch), standen da ein Metallrad neben dem Schlagzeug, mehrere Glockenspiele, ein Kinderklavier, ein Akkordeon, eine Trompete und viel kleiner Schnickschnack rum.
Sänger Felix Räuber erschien aber zunächst ohne Kollegen, die die spannenderen Dinge bedienten. Er setzte sich an den Flügel und spielte zum Start ein Instrumentalstück. Dank der phänomenalen Akustik traute sich niemand zu husten, zu kramen oder sonst wie unangenehm aufzufallen, es war sagenhaft leise. Als Felix dann zum zweiten Stück kam, gab es auch noch keinen Applaus. Erst nach dem Lied, das das schon im Underground von ihm gespielte Zugabestück war, das die Band wie man mir damals sagte "Felix solo" nennt, folgte der erste starke Beifall.
Erst danach erschien die restliche Band, fünf weitere Musiker, Bassist Uwe, der ein herrliches Spiel hat, er wippt beim Bedienen seines (unpluggten) Bass' ununterbrochen mit, Schlagzeuger Christian, Bernd, der auch Klavier, vor allem aber eines der Glockenspiele bediente, Trompeter Ludwig (der wie die meisten auch noch zig andere Instrumente spielte) und Philipp (Akkordeon, Klavier, Gitarre). Ich habe schnell den Überblick verloren, wer wann wohin wechselte. Das zu Beobachten war aber auch schwer, weil ich (fürchte ich) von Beginn an mit offenem Mund da saß und genoß, was da an fabelhaften Melodien und Geräuschen erzeugt wurden.
Ein Beispiel: Neben Schlagzeuger Christian stand ja dieses Metallrad. Als Intro zum dritten Lied (es sollte sich als "Stellaris" herausstellen), drehte der Trommler dieses Rad, was schleifende metallische Geräusche erzeugte, die wie kleine Rückkopplungen klangen. Diese eigentlich unerträglichen Geräusche gingen dann in ein wahnsinnig sattes Einsteigen der anderen Instrumente über. Dazu Felix' klare und laute Stimme machten schon ein wahnsinniges Klangerlebnis aus. Daß die sechs sicher seit frühester Jugend musikalisch ausgebildet wurden, bezweifele ich nicht, sie beherrschen all die verschiedenen Instrumente blind (auch wenn Felix erwähnte, daß sie einige noch nie vorher gespielt hätten), die wahre Kunst für mich als Laien war aber, dies alles so perfekt miteinander zu kombinieren, daß bekannte Lieder auf einmal ganz neu klangen. Es war nichts zu laut, die Arrangements überzeugten alle vollkommen. Die einzigen "Mißtöne", wie das Rad, waren gewünscht und effektvoll.
Nach einem mir unbekannten Lied kam etwas Sensationelles, nämlich "Comes around" in der weltschönsten Version. Anfangs war es eigentlich nicht viel anders als bei den anderen Konzerten. Die Mehrstimmigkeit, die bei vielen Stücken des Abends vorkommen sollte, war allerdings schon einmal grandios. Dann nach dem ersten Refrain, ging Felix vom Mikro weg, stieg von der Bühne, sang unverstärkt und ging durch den Gang vor der ersten Reihe. Seine Kollegen stiegen in den Refrain ein, nur von einer sehr zurückgenommenen Gitarre begleitet. Als Felix seinen Spaziergang beendet hatte und auf der anderen Seite wieder nach oben ging, wieder ins Mikro sang, wurde es laut, denn auch Schlagzeug und Bass stiegen wieder ein - sensationelle acht Minuten, die jede müde Stunde heute rechtfertigten. Einen solchen Auftritt hätte Arcade Fire nicht besser hinbekommen.
Der überraschende Effekt beim nächste Stück, dem neuen "Happy go lucky", waren Atemgeräusche des Frontmanns der Dresdner, aus denen sich dann sein Gesang entwickelte. Das Lied selbst war wundervoll, es wird es auch sein, wenn das Atemintro auf Platte fehlen wird.
Tja, und so ging es weiter. Bei jedem Lied neue Klangeffekte, aber nicht der Effekte wegen, es ging um den Klang, das merkte man deutlich. Die Band ist auch so sympathisch, daß musikalisches Gepose einfach nicht zu ihr paßt, Nerdtum im besten Sinne, wenn es darum geht, Geräusche zu erzeugen, aber keine Angeberei im Sinne von "wir brauchen dringend mehrere Exoten, um cool zu sein, laß' uns mit Violinenbögen auf Glockenspielen experimentieren." Nein, sie wußten ganz genau, was sie taten - und wir, was wir zu tun hatten, staunen und anschließend begeistert losklatschen.
Einer dieser ungeposten Effekte war das Schlagen auf das Metallrad von Christian bei dem instrumentalen "Triosong". Dabei passierte auch die einzige kleine Panne des Abends. Der Schlagzeuger traf das ungewohnte Gerät ein paarmal nacheinander an einer anderen Stelle, was leisere Töne machte und einen sorgenvollen Blick von Bassist Uwe auslöste. Die Sorge war unbegründet, es klang alles wieder herrlich und wurde abgeschlossen mit wild klatschenden Felix und (?, ich glaube) Bernd.
Vor "Somedays, sundays" entschuldige Felix sich, daß das Lied eine E-Gitarre erfordere. Dem unplugged-Konzept folgend, sie diese aber nicht an Strom angeschlossen sondern habe eine Batterie und eine Box eingebaut. "Das klingt warm und satt." So warm uns satt etwas wie eine CD, die auf den Boden fällt, aber auch dieses Plastikgeräusch war so, als hätte "Somedays, sundays" immer so klingen sollen.
Es folgten anschließend "Under this big moon" und "Crystal lake", bei dem Felix vorher warnte, er benutze dabei ein Gerät, das mit Autobatterie betrieben werde. Das Instrument stellte sich als Bohrhammer heraus, der wirklich passende Töne beisteuerte. In all diesen Dingen steckte wahnsinnig viel Liebe zum Detail, zu Verspieltheit.
Die sechs gingen danach erstmals von der Bühne und der Saal stand und klatschte begeistert!
Die zweite Zugabe, der Überhit "Dreamdancer", der einem Instrumentalstück folgte, wirke erst weitestgehend normal. Also großartig. Zur Mitte änderten sich jedoch Tempo und Rhythmus, es kamen Percussions zum Einsatz, der Ht wurde langsamer, mehrstimmig - und blieb irre gut.
Die Band verließ wieder die Bühne und Felix erschien irgendwann zu einer weiteren Zugabe, "Chiropody". Dabei gefiel mir, daß der Sänger sich selbst am Ende quasi ausfadete. Die Band kam wieder und zum Abschluß bediente einer so eine kleine Kinderdrehorgel (ich weiß nicht, wie diese Dinger richtig heißen). Es erklange zwei, drei Takte von "Guten Abend, gute Nacht", und sicherlich nicht nur ich hatte eines der besten Konzerte meines Lebens gesehen.
Als wir ankamen, war es im Vorraum des Dortmunder Konzerthauses noch recht leer. Zwei städtische Angestellte fortgeschrittenen Alters verkauften am Stand PK 18 T-Shirts und Platten, in sandfarbene Uniformen gekleidete Garderobenmitarbeiter standen in kleinen Boxen und warteten auf Jobs, es wirkte feierlich. Es füllte sich dann doch recht schnell, und als um fünf vor neun der Theatergong zeigte, daß es gleich losginge, strömten erfreulich viele Zuschauer in den Saal. Bis sehr weit hinten waren nur ganz vereinzelt Lücken in den Reihen zu sehen.
Auf der Bühne war auch schon recht viel los, in Form von ganz vielen und vor allem ganz aufregenden Instrumenten. Neben eher unspektakulären Geräten wie Schlagzeug und Flügel (den hat schließlich Elton John auch), standen da ein Metallrad neben dem Schlagzeug, mehrere Glockenspiele, ein Kinderklavier, ein Akkordeon, eine Trompete und viel kleiner Schnickschnack rum.
Sänger Felix Räuber erschien aber zunächst ohne Kollegen, die die spannenderen Dinge bedienten. Er setzte sich an den Flügel und spielte zum Start ein Instrumentalstück. Dank der phänomenalen Akustik traute sich niemand zu husten, zu kramen oder sonst wie unangenehm aufzufallen, es war sagenhaft leise. Als Felix dann zum zweiten Stück kam, gab es auch noch keinen Applaus. Erst nach dem Lied, das das schon im Underground von ihm gespielte Zugabestück war, das die Band wie man mir damals sagte "Felix solo" nennt, folgte der erste starke Beifall.
Erst danach erschien die restliche Band, fünf weitere Musiker, Bassist Uwe, der ein herrliches Spiel hat, er wippt beim Bedienen seines (unpluggten) Bass' ununterbrochen mit, Schlagzeuger Christian, Bernd, der auch Klavier, vor allem aber eines der Glockenspiele bediente, Trompeter Ludwig (der wie die meisten auch noch zig andere Instrumente spielte) und Philipp (Akkordeon, Klavier, Gitarre). Ich habe schnell den Überblick verloren, wer wann wohin wechselte. Das zu Beobachten war aber auch schwer, weil ich (fürchte ich) von Beginn an mit offenem Mund da saß und genoß, was da an fabelhaften Melodien und Geräuschen erzeugt wurden.
Ein Beispiel: Neben Schlagzeuger Christian stand ja dieses Metallrad. Als Intro zum dritten Lied (es sollte sich als "Stellaris" herausstellen), drehte der Trommler dieses Rad, was schleifende metallische Geräusche erzeugte, die wie kleine Rückkopplungen klangen. Diese eigentlich unerträglichen Geräusche gingen dann in ein wahnsinnig sattes Einsteigen der anderen Instrumente über. Dazu Felix' klare und laute Stimme machten schon ein wahnsinniges Klangerlebnis aus. Daß die sechs sicher seit frühester Jugend musikalisch ausgebildet wurden, bezweifele ich nicht, sie beherrschen all die verschiedenen Instrumente blind (auch wenn Felix erwähnte, daß sie einige noch nie vorher gespielt hätten), die wahre Kunst für mich als Laien war aber, dies alles so perfekt miteinander zu kombinieren, daß bekannte Lieder auf einmal ganz neu klangen. Es war nichts zu laut, die Arrangements überzeugten alle vollkommen. Die einzigen "Mißtöne", wie das Rad, waren gewünscht und effektvoll.
Nach einem mir unbekannten Lied kam etwas Sensationelles, nämlich "Comes around" in der weltschönsten Version. Anfangs war es eigentlich nicht viel anders als bei den anderen Konzerten. Die Mehrstimmigkeit, die bei vielen Stücken des Abends vorkommen sollte, war allerdings schon einmal grandios. Dann nach dem ersten Refrain, ging Felix vom Mikro weg, stieg von der Bühne, sang unverstärkt und ging durch den Gang vor der ersten Reihe. Seine Kollegen stiegen in den Refrain ein, nur von einer sehr zurückgenommenen Gitarre begleitet. Als Felix seinen Spaziergang beendet hatte und auf der anderen Seite wieder nach oben ging, wieder ins Mikro sang, wurde es laut, denn auch Schlagzeug und Bass stiegen wieder ein - sensationelle acht Minuten, die jede müde Stunde heute rechtfertigten. Einen solchen Auftritt hätte Arcade Fire nicht besser hinbekommen.
Der überraschende Effekt beim nächste Stück, dem neuen "Happy go lucky", waren Atemgeräusche des Frontmanns der Dresdner, aus denen sich dann sein Gesang entwickelte. Das Lied selbst war wundervoll, es wird es auch sein, wenn das Atemintro auf Platte fehlen wird.
Tja, und so ging es weiter. Bei jedem Lied neue Klangeffekte, aber nicht der Effekte wegen, es ging um den Klang, das merkte man deutlich. Die Band ist auch so sympathisch, daß musikalisches Gepose einfach nicht zu ihr paßt, Nerdtum im besten Sinne, wenn es darum geht, Geräusche zu erzeugen, aber keine Angeberei im Sinne von "wir brauchen dringend mehrere Exoten, um cool zu sein, laß' uns mit Violinenbögen auf Glockenspielen experimentieren." Nein, sie wußten ganz genau, was sie taten - und wir, was wir zu tun hatten, staunen und anschließend begeistert losklatschen.
Einer dieser ungeposten Effekte war das Schlagen auf das Metallrad von Christian bei dem instrumentalen "Triosong". Dabei passierte auch die einzige kleine Panne des Abends. Der Schlagzeuger traf das ungewohnte Gerät ein paarmal nacheinander an einer anderen Stelle, was leisere Töne machte und einen sorgenvollen Blick von Bassist Uwe auslöste. Die Sorge war unbegründet, es klang alles wieder herrlich und wurde abgeschlossen mit wild klatschenden Felix und (?, ich glaube) Bernd.
Vor "Somedays, sundays" entschuldige Felix sich, daß das Lied eine E-Gitarre erfordere. Dem unplugged-Konzept folgend, sie diese aber nicht an Strom angeschlossen sondern habe eine Batterie und eine Box eingebaut. "Das klingt warm und satt." So warm uns satt etwas wie eine CD, die auf den Boden fällt, aber auch dieses Plastikgeräusch war so, als hätte "Somedays, sundays" immer so klingen sollen.
Es folgten anschließend "Under this big moon" und "Crystal lake", bei dem Felix vorher warnte, er benutze dabei ein Gerät, das mit Autobatterie betrieben werde. Das Instrument stellte sich als Bohrhammer heraus, der wirklich passende Töne beisteuerte. In all diesen Dingen steckte wahnsinnig viel Liebe zum Detail, zu Verspieltheit.
Die sechs gingen danach erstmals von der Bühne und der Saal stand und klatschte begeistert!
Die zweite Zugabe, der Überhit "Dreamdancer", der einem Instrumentalstück folgte, wirke erst weitestgehend normal. Also großartig. Zur Mitte änderten sich jedoch Tempo und Rhythmus, es kamen Percussions zum Einsatz, der Ht wurde langsamer, mehrstimmig - und blieb irre gut.
Die Band verließ wieder die Bühne und Felix erschien irgendwann zu einer weiteren Zugabe, "Chiropody". Dabei gefiel mir, daß der Sänger sich selbst am Ende quasi ausfadete. Die Band kam wieder und zum Abschluß bediente einer so eine kleine Kinderdrehorgel (ich weiß nicht, wie diese Dinger richtig heißen). Es erklange zwei, drei Takte von "Guten Abend, gute Nacht", und sicherlich nicht nur ich hatte eines der besten Konzerte meines Lebens gesehen.
Setlist Polarkreis 18 unplugged, Konzerthaus Dortmund:
01: Herbstlied (instrumental)
02: Felix Solo
03: Stellaris
04: Philsong
05: Comes around
06: Happy go lucky (neu)
07: Triosong (instrumental)
08: After all he was sad
09: Somedays, sundays
10: Under this big moon
11: Crystal lake
12: Duschwein (instrumental) (Z)
13: Dreamdancer (Z)
14: Chiropody (Z)
Links:
- Polarkreis 18 bei intro intim im März 07
- im Mai 07 im Underground in Köln
- auf dem Haldern-Festival 2007
- und auf dem Highfield Festival im gleichen Jahr
- mehr Fotos - allerdings meist von den älteren Konzerten
Konzertbesucher von Polarkreis 18 könnten auch mögen:
- Arcade Fire (diverse Konzerte)
- The Kissaway Trail in London