Sonntag, 2. März 2008

Luke Temple, Jim Noir,u.a., Paris, 01.03.08


Konzert: Luke Temple, Jim Noir (Alban Dereyer, Fugu, David Mead) - Festival Minimum

Datum: 01.03.2008
Ort: La Maroquinerie, Paris
Zuschauer: recht gut besucht

"Alles Pussies!" (Weicheier, Muttersöhnchen) - So, oder so ähnlich würde Josh "Queens Of The Stone Age" Homme mit Sicherheit über die fünf jungen Singer/Songwriter urteilen, die heute abend beim Minimum Festival in der Pariser Maroquinerie auftraten.

Josh, den hartgesottenen Macho an der Spitze von QOTSA hatte ich gestern im Zénith verfolgt und von seinen brachialen Gitarrenriffs dröhnten mir immer noch die Ohren. Da traf es sich eigentlich gut, daß heute die Dezibelzahl deutlich gedrosselt wurde. Künstler aus dem Bereich Folk/Pop sind nun einmal von Haus aus eher Leisetreter.

Der erste Musiker, der auf der Bühne erschien, der Franzose Alban Dereyer, machte da keine Ausnahme. Aufgrund der frühen Uhrzeit (kurz nach 19 Uhr) war es noch recht leer in der Maroquinerie und diejenigen, die sich bereits eingefunden hatten, saßen allesamt auf den Stufen und verfolgten von dort aus auch das erste Konzert. Alban Dereyer, wer ist das? - Nun, das wußte ich vorher auch nicht, aber in der Zeitschrift "Les Inrockuptibles" wurde er schon einmal als vielversprechendes Talent angekündigt. Und das ist er mit Sicherheit auch. Zudem ein ausgeprochen höflicher junger Mann mit guten Manieren ("Bonsoir, bienvenue au Festival Minimum"), akuratem Kurzhaaarschnitt und gebügeltem Hemd. Jemand, den man seinen Eltern als perfekten Schwiegersohn anbieten könnte, nicht so ein tätowierter Draufgänger wie Josh Homme.

Aber stille Wasser sind bekanntlich tief und wer weiß was der Bursche so anstellt, wenn Mami nicht da ist. Ob seiner Mutter heute da war, weiß ich nicht, aber auf jeden Fall war Alban nicht alleine gekommen. Mit ihm auf der Bühne Vincent von der Band Kids Are Dead, ein langer hagerer Kerl, der abwechselnd Gitarre, Harmonika und Piano spielte. Abwechseln ist sowieso das richtige Stichwort, denn Alban und Vincent übten munter die Rochade, mal spielte der eine das Piano (Alban beim Opener "Someday") und der andere die Gitarre, ein anderes Mal tauschten sie wieder Instrumente und Plätzchen.

Der zweite Titel des Sets war interessanterweise eine Cover-Version von "Fill Your Heart", ein Stück, das auf David Bowie's Kultalbum "Hunky Dory" erschienen ist, aber eigentlich von Biff Rose stammt. Das wußte ich vorher auch nicht und somit hatte ich wieder was für meine musikalische Allgemeinbildung getan.

Bei Lied Nummer drei gab es die lustigste Szene dieses ersten Konzertes des Festivals. Alban und Vincent hatten sich ziemlich mühsam unter lauten Quietschgeräuschen des Mikros zusammen hinter's Piano gesetzt und saßen dann lächelnd da wie zwei brave Kommunionskinder.

Was die Kompositionen anbelangt, waren die meisten Pianostücke sehr flott vorgetragen, nur ab und an gab es die klassische Ballade und in dem Fall war das Ganze von einer zarten Melancholie getragen. Als Einflüsse nennt Alban, der gerade seine erste EP herausgegeben hat, John Cale Und Van Dyke Parks, ich persönlich fühlte mich ein wenig an Duke Special, Rufus Wainwright und Antony And The Johnsons erinnert.

Nach 27 Minuten und sieben Titeln ("Big Ben" am Ende) war dann Schluß und Interessierte können Alban Dereyer auf dem bekannten Festival Printemps de Bourges im April wiedersehen, wo er neben Chris Garneau auftreten wird.

In der darauffolgenden Umbaupause erkannte ich dann schon ein bekanntes Gesicht auf der Bühne, in Form eines jungen Mannes, der gerade seine Gitarre stimmte. Es handelte sich um ein Mitglied der Pariser Band Housse de Racket (zu deutsch: Schlägerhülle), die ich auf dem letztjährigen Festival Rock en Seine kennengelernt hatte. Die drei Tennisfans von Housse de Racket sollten den Solokünstler Fugu bei seiner Performance unterstützen.

Auch im Publikum gab es etliche bekannte Gesichter aus der lokalen Musikszene: Jérémie von Dorian Pimpernel war da, aber auch der Schlagzeuger von Hopper und vor allem Axe Riverboy, der Ex-Sänger von Tahiti 80. Genau wie Fugu selbst spielt Axe einen sonnigen, runden und auf den Punkt gespielten Seventies Retro- Pop, der auch aus Kalifornien stammen könnte. Referenzen sind in beiden Fällen die Beach Boys, aber auch Paul McCartney.

Hinter dem Pseudonym Fugu verbirgt sich der fast ausschließlich englisch singende Mehdi Zannad und der schlanke dunkelhaarige Mann brachte mit den drei Kerlen von Housse de Racket endlich mal ein wenig Schwung in die Maroquinerie. Gleich den zweiten Titel, "Blackwall" kannte ich, der Hit ist auf dem 2005 er Album "As Found" enthalten, welches mit erheblicher Verspätung auch in Deutschland erschienen ist. Wirklich ein launemachendes, beschwingtes Stück dieses "Blackwall", man sollte sich das auf der MySpace- Seite des Künstlers auf jeden Fall einmal anhören. Auch "Here Today" ("Oh, I'm In Love") war hervorzuheben, auch dies keine schwere Kost, sondern Musik, die man auch schon zum Frühstück hören könnte, um beschwingt in den Tag zu starten.

Gegen Ende gab es dann sogar noch eine französische Ballade, amüsanterweise mit dem Titel "l'Allemagne" (Deutschland), ohne daß das Wort l'Allemagne allerdings in dem Text vorkam (dafür allerdings die Zeile "Est-ce qu'il viendrait vers moi"), zumindest habe ich es nicht herausgehört. Ob sie das Lied extra für mich gespielt hatten? Wohl kaum!

Wie auch immer, Fugu hatte 35 kurzweilige Minuten geboten und für Stimmung gesorgt.

Setlist Fugu, La Maroquinerie, Paris:

01: You Pick Me Up
02: Blackwall
03: I Give Up
04: Hold It Tight
05: Civil Rights
06: People
07: The Flow
08: Here Today
09: Morning Sun
10: L'Allemagne
11: Vibravox

Die Geschichte des im Anschluß auftretenden New Yorkers David Mead ist auch meiner Sicht schnell erzählt. Was der huttragende und alleine erschienene Typ vortrug, gefiel mir nämlich nicht sonderlich. Zu viel Falsett, zu manikürt, zu viel Piano. War ich etwa bei Elton John gelandet? (ein anderes Mädchen nannte Lionel Richie!) Die Assoziation ging mir nicht mehr aus dem Kopf und ich konnte dem Set in der Folge nicht mehr allzuviel abgwinnen. Jetzt mal ein fieses, gemeines Gitarrenriff von Josh Queens Of The Stone Age, das wär's! So dachte ich etwas zynisch vor mich hin und stellte mir vor wie ein aufbrausender Josh dem kleinen David Mead seine schwarze Gitarre mit seinen tätowierten Fingern auf dem Kopf zertrümmert.

Aber ich bin unfair, der Mann hat natürlich zweifelsohne Talent und eine schöne Stimme, er drückte bei mir nur halt eben nicht die richtigen Knöpfchen. Und Humor bewies er auch, als er irgendwann in die Runde rief: "Raucht da etwa jemand?"; "ich hätte jetzt auch gerne eine Zigarette, obwohl das ja jetzt sogar in Paris verboten ist. Tröstet Euch, in New York darf man auch nicht rauchen!"

Später griff er dann auch mal zur Ukulele und das gefiel mir dann schon erheblich besser als die seichten Pianoklänge. Zum abschließenden Finale kam dann sogar noch einmal Fugu auf die Bühne. Aber er hatte sich umgezogen und inzwischen nicht mehr seine blütenweiße Jeans von vorhin an, was David Mead zur humorigen Aussage animierte: "Aha, ich bin Dir wohl nicht fein genug, für mich trägst Du kein weißes Höschen!"

Vorgetrugen wurde übrigens der Sixties-Klassiker "Dream Dream Dream" und anschließend entbrannte zwischen mir und ein paar Freunden eine wilde Debatte darüber, wer denn diese Schmonzette geschrieben hat. Ich tippte auf die Everly Brothers. Und ich hatte Recht! Das Lied heißt übrigens ganz genau: "All I Have To Do Is Dream". Es wurde zudem mittags von der berühmt-berüchtigten Blogothèque gefilmt.

Als vorletzter Künstler trat schließlich der mit einem rot-schwarz karierten Holzfällerhemd und einer schwarzen Pelzkappe bekleidete Amerikaner Luke Temple auf. Ich hatte ihn mit dem kleinen, aber feinen Indie-Hit "Someone, Somewhere" kennen-und liebengelernt, der auf dem Vorgängeralbum "Hold A Match To A Gasoline World" enthalten war. Aber mein Lieblingssong wurde leider nicht gespielt und auch nicht meine anderen beiden Favoriten "Private Shipwreck" und die Ballade "To All My Good Friends, Goodbye". Stattdessen jede Menge Neues von dem aktuellen Werk "Snowbeast" und wenn ich ehrlich bin, langweilte ich mich ziemlich. Alles war recht zäh, wenige Stücke konnten auf Anhieb gefallen und die Stimme von Luke, die auf dem Album nach meinem Favoriten Elliott Smith klingt, hörte sich live seltsam gequält an. Die lahme Veranstaltung zog sich über recht mühsame 55 Minuten und lediglich der Instrumentenwechsel von Gitarre zu Banjo sorgte für etwas Kurzweil. Sicher, Luke ist ein netter Kerl und auch sein Pianist war sehr angenehm, aber ein bißchen mehr Dampf hätte man sich doch gewünscht. Zum Schluß kam dann wenigstens noch ein wenig Leben in die Bude, dann nämlich als Alban Dereyer und Vincent hinzustießen und zusammen eine Coverversion Steely Dan intoniert wurde.

Zum Glück hatten sich die Veranstalter aber das Beste für den Schluß aufgehoben. Und das war zweifelsohne der Engländer Jim Noir und seine Band. Zusammen brachten sie endlich mal wieder Dampf in die eingeschläferte Maroquinerie und schmetterten launemachenden Sixties-Pop. Jim war bestens aufgelegt, machte viele Witze und lächelte oft, seine Spielfreude bei seinem ersten Auftritt in Frankreich war ansteckend. Eine der coolsten Szenen ereignete sich beim zweiten Lied "All Right", das man auch auf der MySpace - Seite von Jim anhören kann. Hierzu ging nämlich der ansonsten Gitarre spielende Brite an ein Keyboard und sang durch einen Stimmverzerrer, so daß man glaubte, er sei ein Schlumpf. Köstlich!

Ebenfalls ein Hingucker: Die brünette Keyboarderin Sara Lowes, die auch eigene Projekte verfolgt und mit ihrem charmanten Lächeln verzauberte. Bei einem Lied spielte sie Ukulele und mußte sich halb kaputt lachen. Wie ich hinterher erfahren habe, wird sie bei ihren eigenen Konzerte von Mitgliedern der Band The Earlies begleitet. Interessant!

Bezüglich der gespielten Titel war auch noch der Opener "Eanie Meany", ein psychedelischer Retro-Popsong im Stile der Beach Boys erwähnsenswert, aber größter Abräumer war das abschließende "My Patch", ein Hit, bei dem selbst Leute spontan mitklatschten, die, wie ich, das Werk von Jim Noir noch nicht so gut kannten. Jim Noir, der bei dem Studioalbum "Tower Of Love" alle Instrumente selbst spielte und in der Fachpresse auch mit der Beta Band, Badly Drawn Boy und den Bees verglichen wird, war für mich also die Entdeckung und der herausragende Künstler des Pariser Minum Festivals, das am Sonntag mit Minor Majority und anderen weitergeht.





 

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