Konzert: Gossip und The Kills (Pete & The Pirates, The Blakes)
Ort: L'Olympia, Paris
Datum: 18.03.2008
Zuschauer: ausverkauft
Gossip und The Kills in der Stadt der Liebe?! - Ein Pflichttermin für alle, die es laut, wild und sexy lieben. Da war ich also genau richtig!
Was für eine Kombi, die gertenschlanke Alison "VV" Mosshart von den Kills und die wuchtbrummige Beth "Gossip" Ditto sollten sich also heute in Paris die Klinke (das Mikro) in die Hand geben. Wow! Beides Sexbomben, bloß eben jede auf ihre Weise. Da war für jeden Geschmack etwas dabei. Und für die Frauen gab es unter anderem den neuen "Mister Kate Moss" zu bewundern und zwar Jamie "Hotel" Hince, der bei den Kills den männlichen Part gibt. Vor diesem Cocktail aus Sex, Schweiß, Gitarren und heißen Posen ging es aber zunächst jugendfrei los.
Die eher braven Engländer Pete & The Pirates hatten die Ehre diesen Konzertabend auf charmante Weise einzuläuten. Es war noch recht früh, ungefähr 19 Uhr, als die 5 jungen Kerle auf die hellerleuchtete Bühne traten. Die grelle Beleuchtung gab es deshalb, weil heute alles gefilmt wurde , das komplette Konzert soll nämlich bald bei dem Privatsender Canal + zu sehen sein. Und die Piraten gaben sich auch trotz dieses medialen Drucks keine Blöße. Äußerst frisch und flott ließen sie ihren melodiösen Gitarren freien Lauf und gefielen mir auf Anhieb. Meine Befürchtung von der x-ten Gitarrenpop-Band aus Großbritannien gepflegt gelangweilt zu werden, stellte sich schnell als unbegründet heraus. Klar, den Sound hat man in den letzten Jahren so, oder so ähnlich, von den Strokes, den Futureheads und etlichen anderen Gruppen bereits gehört, aber dennoch waren einzelen Lieder so ohrwurmig, daß dies weniger ins Gewicht fiel.. Besonders toll fand ich, daß der Sänger manchmal nach Stuart "Belle & The Sebastian" Murdoch klang, bloß daß das Ganze hier wesentlich schneller gebracht wurde. Insgesamt also eine bunte Mischung aus persönlichen Lieblingsgruppen, die gut durchgeschüttelt einen wohlschmeckenden Cocktail ergab. Das Publikum interessierte sich allerdings kaum für die Briten, bloß am Ende klatschten ein paar Hände mit. Schade, aber irgendwie passte der Power Pop von Pete & The Pirates auch nicht so recht zum bluesig-punkigen Garagenrock der darauffolgenden Bands.
Setlist Pete & The Pirates, Paris, Olympia:
01. Bright Lights
02. This Thyme
03. Lost In The Woods
04. Knife
05. Bears
06. The Wrong Man
07. Cold Black Kitty
08. Knots
09. She Doesn't Belong To Me
10. Mr Understanding
11. Come On feet
Warum man allerdings die drei Typen von den Blakes für den heutigen Abend engagiert hatte, bleibt mir ein Rätsel. Schon rein optisch (die seitlich ausgefransten Haare) erinnerten sie an Bands wie Jet und Oasis und genau wie diese machten sie auch auf dicke Hose, bloß daß sie keinen einzigen gekonnten Song zu bieten hatten. Dabei durften sie sogar 12 Lieder lang zeigen, daß sie außer den üblichen Rockstar- Posen und den engen Lederjacken nicht viel drauf hatten. Ihr äußest banaler Garagen-Rock in der Tradition von Iggy & The Stooges (eigentlich eine Beleidung für Herrn Pop, dieser Vergleich!), langweilte mich gräßlich und machte mir noch einmal deutlich wie gut eigentlich die Kings Of Leon sind, die ebenfalls im Hinblick auf den Gesang weitgehend talentfrei imitiert wurden. Mit dem abschließenden "Streets" hatte es sich aber zum Glück irgendwann ausgeblakt.
Setlist The Blakes, Paris, Olympia:
01: Picture
02: Don't Want That Now
03: Don't Bother Me
04: Basket
05: Vampire
06: Pistol Grip
07: Run
08: Magoo
09: Two Times
10: Lie Next To Me
11: Little Whispers
12: Streets
Danach war ein 20-minütiges Päuschen angesagt. Zahlreiche Konzertbesucher nutzten die Gelegenheit, skrupellos ihre Zigarettchen rauszuholen und loszuqualmen. Rauchverbot in allen öffentlichen Räumen seit dem 1. Januar 2008? War da was? Ach was, Gesetze werden in Frankreich im Gegensatz zu Deutschland einfach nicht sklavisch befolgt! Einerseits bewunderswert, andererseits aber auch störend, dann nämlich, wenn man wie ich Nichtraucher ist. Hinzu kam, daß das rauchende Arschloch vor mir auch noch 2 Meter groß war! Wie kann man so ein Pech haben? Der normale Franzose ist selten länger als 1,75 m und ich habe ausgerechnet den größten Hünen vor mir. Das half nur ein Platzwechsel, schließlich wollte ich das wilde Biest Alisson Mosshart in voller Pracht sehen. Und dann kam die Raubkatze auch und zwar in einem Leopardenmantel! Allerdings trat zunächst der neue Macker von Kate Moss, Mister Jamie Hince auf die Bühne. Er schien gut gelaunt zu sein und winkte den johlenden Zuschauern spontan zu. Die Kills sind aber auch wirklich ein stylishes Pärchen, die Klamotten, die sie tragen, sind so ziemlich der heißeste und angesagteste Fummel, den man finden kann! Aber ich war in erster Linie wegen der Musik hier, wenngleich ich gegen den Anblick hübscher Menschen überhaupt nichts einzuwenden habe.
Gestartet wurde mit einer neuen Single "U.R.A. Fever", die auf dem neuen Album "Midnight Boom" vertreten ist. Von Beginn aber wummerte, krachte und schepperte es. Häufig waren die Rhythmen leicht monoton, langsam und repetitiv, aber diese einfache Formel stellte sich als sehr effektiv heraus, sie unterstrich die lasziven Gesten der beiden Musiker. Diese lieferten sich heiße, erotische Szenen, man hätte sie für ein Paar halten können, daß um den jeweils anderen mit provokativen Gesten wirbt. Besonders heiß: Das gemeinsame Benutzen des gleichen Mikros, ein Zungenkuß lag in der Luft! Nach solchen Annäherungen entfernten sie sich aber wieder voneinander und zogen in ihrer jeweiligen Ecke ihre Show ab. Natürlich war das klischeebeladen bis zum geht nicht mehr, aber sie hatten dieses eigentlich abgedroschene Spielchen so perfekt drauf, daß es wirklich knisterte. Die Atmosphäre war schwül und heiß, Jamie schwitzte wie ein Schwein und verblüffte mich mit so manchen irren Blicken. Alison wiederum zog alle Register des Anmachlehrbuchs, sie fuhr sich erotisch durch die Haare, bückte sich nach vorne, ließ ihre Hüften kreisen und heizte den Leuten in den ersten Reihen mit ihrer keifenden Stimme ein. Ein paar Zuschauern in meiner unmittelbaren Nähe wurde das Gepose jedoch schnell zu bunt. "Aux chiottes" - in den Abfluß damit, schrie ein Typ wie ein Gestörter nach jedem Lied herein. "Ihr seid Scheiße, haut ab, Sonic Youth bitte!", machte er ständig weiter. Das empfand nicht jeder im Olympia so, viele gingen ab wie Schmidt's Katze, aber The Kills polarisieren halt eben.
Auch ich war nicht von jedem Lied gleichermaßen begeistert, aber "No Wow" hatte schon was, das kam wirklich gut. "The Good Ones" war ebenfalls herausragend und räumte ab, aber nicht nur Stücke vom Vorgängeralbum zogen. Auch das neue "Cheap And Cheerful" hatte Hitqualitäten. So schwitzten, keiften und räkelten sich die Kills schließlich durch ein circa. einstündiges Set und wurde unter tosendem Applaus verabschiedet.
Setlist The Kills, Olympia, Paris:
01: U.R.A Fever
02: Pull Au
03: Sour Cherry
04: Tape Song
05: No Wow
06: Alphabet
07: Wait
08: Last Day Of Magic
09: Kissy Kissy
10: The Good Ones
11: What N.Y. Used To Be
12: Cheap + Cheerful
13: Fried My Littel Brains
14: Good Night Bad Morning
Und dann hatten Beth Ditto und Gossip ihren großen Auftritt. "Hello, we are Gossip", stellte die Wuchtbrumme sich und ihre Band überflüssigerweise vor. Vielen Leuten im Publikum war der unfassbar explosive Auftritt des amerikanischen Trios vom letzten November in der Pariser Cigale noch in bester Erinnerung. Da hatte Beth Ditto sprichwörtlich alles platt gemacht, was ihr in den Weg kam und die Sympathien der Pariser im Sturm erobert. Würde sie heute wieder so triumphieren?
Daran bestand für mich kein Zweifel, schließlich hat Beth eine solche Energie und Wucht, daß sie glatt den Eifelturm zum Einstürzen bringen könnte. Gleich beim Opener "Eyes Open" bebte der Boden im altehrwürdigen Olympia. Genau wie in der Cigale entwickelt dieser nämlich bei heftiger Bewegung einen Trampolineffekt, so daß man gezwungenermaßen kräftig durchgeschüttelt wird und auf-und abwippt, ob man will oder nicht. Mademoiselle Ditto hatte sich extra für den Abend in Schaale geworfen und trug ein enganliegendes, bedrucktes gelbes Kleid, das gegen Ende immer höher rutschte und so den Blick auf ihre Orangenhaut an den Oberschenkeln freigab. Das mögen einige als abstoßend empfinden (andere wiederum ganz toll finden), aber egal wie man das beurteilt, fest steht, daß diese Art der Freizügigkeit mutig ist. Warum sollen auch nur dünne Frauen Haut zeigen? Nein, nein, ein übertriebenes Schamgefühl ist nicht Frau Ditto's Sache und sie mag es auch gerne ungeniert. Zum Beweis rülpste sie fast nach jedem Lied, entschuldigte sich aber gleich im Anschluß auf französisch: "Excusez-moi, je suis désolée!"
Überflüssig zu sagen, daß ihr hier niemand die Rülpserei übel nahm, dafür ist sie einfach in Paris viel zu beliebt. So beliebt, daß nach einer gewissen Zeit, Fans wieder das unwiderstehliche Bedürfnis hatten, die mollige Frau anzufassen und zu ihr auf die Bühne zu kommen. Irgendwann stand dann das halbe Olympia um sie rum, und die Security ließ das Publikum die Bühne erobern. Es wurde eine ganz wilde Party gefeiert, die einzelnen Songs gerieten da fast zur Nebensache. Einige Titel ragten aber heraus, "Jealous Girls" zum Beispiel rockte wie Hölle und verleitete manche zum Crowdsurfen, da gab es kein Halten mehr. Aber auch der Rest, zum Teil altes Songmaterial, kam gut an, selbst wenn nicht jedes Lied bei Licht betrachtet hochkarätig war. Kleine Hänger wurden einfach durch die gewaltige Show, die da abgezogen wurde, kompensiert. Zu dem Gelingen des Spektakels trugen natürlich auch die coole und reichlich tätowierte Drummerin und der unscheinbar wirkende Gitarrist bei, aber heute gab es sogar noch einen vierten Musiker auf der Bühne, in der Form eines neuen Bassisten, der bei einigen Liedern mitmischte und sich köstlich zu amüsieren schien.
Eine gute Stunde wurde so das Publikum glänzend bei Laune gehalten und bei der 2. Zugabe, dem unglaublichen Smash-Hit "Standing In The Way Of Control" schien das Olympia zusammenzubrechen. So wild hatte ich es in dem Saal, in dem ansonsten auch Schlagerfuzzis wie Mireille Mathieu auftreten, noch nie erlebt!
Aber das Ganze wurde noch getoppt: Beth griff sich das Mikro, wanderte Richtung Bühnenrand und forderte das Publikum auf, "La Vie En Rose" zusammen mit ihr zu singen. Die Begeisterung war unbeschreiblich, so etwas lieben die patriotischen Franzosen halt eben sehr. Beth Ditto und Gossip hatten Paris erneut im Sturm erobert!
Setlist Gossip, Paris, Olympia:
01: Eyes Open
02: Yr Mangled Heart
03: Jason's Basement
04: Coal To Diamonds
05: Jealous Girls
06: Don't Make Waves
07: AALIYAH
08: Heavy Cross
09: Fire/Sign
10: Night
11: Keeping You Alive
12: Yesterdays News
13: Listen Up!
14: Careless Whisper (George Michael Cover)
15: Standing In The Way Of Control
16: La Vie En Rose (Edith Piaf)
- Fotos von Pete & The Pirates hier
- Fotos von den Blakes hier
- Fotos von den stylishen Kills mit der heißen Sängerin hier
Hier gibt es schon einmal ein paar Bilder von Beth Ditto und Gossip
- Gossip beim Festival des Inrocks in Paris, November 2007 hier
- Gossip im Cooky's in Frankfurt 2007, hier
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