Konzert: Stars
Ort: Zoom, Frankfurt
Datum: 12.12.2012
Zuschauer: 150 bis 200
Dauer: Stars knapp 100 min, Zeus 35 min
"Please don't forget us."
Es scheint in den letzten Monaten nicht besonders gut für die Stars zu laufen. Die Hallen werden kleiner und kleiner und auch die verkaufen die Kanadier nicht aus. Das Frankfurter Konzert hatte in der Batschkapp stattfinden sollen, wurde aber heute morgen ins Zoom runterverlegt. Um halb zehn, als die Stars die Bühne betraten, war der Raum zwar ganz gut gefüllt, er war aber sichtbar weit weg von ausverkauft. Wie frustrierend muß das für eine Band sein, die vor zwei Jahren noch zigfach größere Säle gefüllt hat! Schon bei meinem letzten Konzert im Urlaub im Oktober hatten die Québecer vor ähnlich kleinem Publikum gespielt und waren merklich verunsichert. Daran scheinen sie sich mittlerweile gewöhnt zu haben, sie nahmen die Verlegung mit Fassung. "You're my only friends in Frankfurt!" - "Es bedeutet uns so viel, daß ihr uns unterstützt." Wie bitter für die wundervollen Stars! Für die Stars, die ich schon lange liebe, die mir aber noch nie so intensiv am Herzen lagen wie heute! "Wir kommen bald wieder, versprochen! Bitte kommt dann auch! Bitte vergesst uns nicht!"
Im Sport gib es all diese dämlichen Floskeln von dem angeschlagenen Boxer oder dem Team, das nichts mehr zu verlieren hat, bla bla bla... So wie die immer groß aufspielen, haben es die Kanadier auch getan. Das Konzert war fabelhaft. Über Nacht ist The North, das aktuelle Album, kein riesengroßer Wurf geworden, es ist immer noch das schlechteste bisher. Nach einigen Malen hören mag ich große Teile davon aber immer lieber. Progress, Through the mines und Hold on when you get love and let go when you give it gehören nicht dazu und waren die schwächsten Lieder des Abends. Dabei blieb es aber. 18 (zum Großteil) Riesenhits und dreimal Luftholen ist so viel besser, als ich mir ein Stars-Konzert nach Veröffentlichung von The North vorgestellt hatte.
Der Beginn des Abends hatte nicht nahegelegt, daß mich das Konzert so packen würde. Ich war müde, genervt und, um im Sportbild zu bleiben, überspielt. Dazu kam mit Zeus aus Toronto eine vierköpfige Vorgruppe, die ländlichen, nordamerikanischen Rock spielte, wie ich ihn auf Highschool Bällen erwartete. Zeus [die sich selbst Susss nennen] stehen wie ihre Flugbegleiter bei Arts & Crafts unter Vertrag und erinnerten mich in den besseren Momenten auch an Broken Social Scene. In den anderen klang von Paul McCartneys Live and let die (elegant hier untergebracht)* über 80er Rock bis Queen alles mögliche durch. Susss spielten eine gute halbe Stunde und wurden ganz gut angenommen. Wie wenig mich das beeindruckte, was sie ablieferten, merkte ich vorhin, als ich auch die Lösung dafür fand, woher ich den schnauzbärtigen Keyboarder kannte: ich habe diese Kanadier im April schon einmal als Dan Mangan Support gesehen und anschließend vollkommen verdrängt. Das passiert mir eigentlich nie. Beruhigend ist allerdings, daß ich es damals exakt genauso empfunden habe wie heute.
Als dann Torquil Campbell aufgedreht wie immer mit einem zu kurzen und sehr taillierten Pepita-Sakko mit schwarzen Revers und Kragen erschien (er trug aber immerhin darunter ein Meat is murder Shirt) und begeistert zur Hintergrundmusik von Aretha Franklin (?) tanzte und dem Soundmann sagte, er solle das ja nicht unterbrechen, ahnte ich Böses und fühlte mich falsch. Und dann lag Sängerin Amy Millan bei Fixed, das dem ersten Stück The theory of relativity folgte, einige Male deutlich neben den vorgesehenen Tönen; sie klang schief und ich fühlte mich noch falscher.
Das von mir erst in den letzten Tagen als toll entdeckte A song is a weapon und vor allem das seinen Namen so sehr verdienende Ageless beauty drehten den Abend glücklicherweise sehr früh um 180 Grad! Ageless beauty ist ja auch eines dieser Lieder, die ganz schnell furchtbar schief gehen, wenn einer der beiden Sänger außer Form ist. Torquil war heute stimmlich top und auch Amy hatte sich nach der amfänglichen Unsicherheit gut gefangen - das Stück war eines der besten des Abends!
Schon während Ageless beauty war Torquil zweimal von der Bühne verschwunden, ohne daß ich mir das erklären konnte. "Habt ihr hier vorne ein Tambourin gesehen, bevor wir auf die Bühne gekommen sind?" Seine Percussion-Instrumente blieben verschwunden, sein Instrumenten-Part beim kommenden Stück unbesetzt. Der Sänger kommentierte dies mit "da fällt mir wieder auf, wie wenig ich zu dieser Band beisteuere." Hinter all der Koketterie schien mir aber auch eine echte Portion Bitterkeit zu stecken.
Es ging wohl auch ohne Tambourin! Und es folgte mit We don't want your body eine Überraschung, weil das Lied so viel besser war als sonst. Ich mochte es plötzlich sehr!
Die nächste Überraschung folgte sofort: vor Through the mines stimmte Amy Millan kurz ein akustisches Lied an, das thematisch passende Dark as a dungeon von Harry Belafonte. Ob das geplant war? Vermutlich. Aber dieses Intro-Stückchen hatte den Charme einer Improvisation, und es sollten weitere folgen.
Nach den beiden Lieblingen Midnight coward und Your ex-lover is dead, Backlines mit erneut leichten Stimmwacklern der Sängerin kam wieder eines der Intro-Liedchen, All I have to do is dream von den Everly brothers, das Torquil, der in Kanada aufgewachsene Brite, in "all I have to do is die, die, die" umdichtete. Es leitete in Die together über! Vor Dead hearts sang dann wieder Amy ein kleines Cover: These foolish things remind me of you von Nat King Cole. Es war wunderbar!
Ach, es gab so viele fabelhafte Momente! Soft revolution! Take me to the riot, das nicht leiser klang als mit dem 10fachen Publikum im Terminal 5 vor zwei Jahren!
Oh, mitgesungen wurde viel. Hinter mir stand ein Fan, der laut mitschmetterte. Auch das kann - wir sind ja hier alle Konzertprofis - extrem nerven, weil Zuschauer in der Regel nicht zufällig nur im Publikum und nicht auf der Bühne stehen, sie können nämlich schlechter als die Band dort singen. Der Mann hinter mir klang aber gut, das war ok. Auch die laut redenden Freundinnen wurden irgendwann vom Zauber der Stars gepackt und unterbrachen ihre Gespräche. Irgendwie wurde aus dem häßlichen Entlein, das das Konzert am Anfang zu sein schien, ein richtig schönes Viech! A song can be a weapon!**
Nach der Zugabe The 400 (nur die beiden Sänger, der Gitarrist und der Keyboarder bestritten die - Bassist und Schlagzeuger fehlten), klatschten wir unsere Stars zu einer weiteren, offenbar ungeplanten zurück. Heart - lange nicht gehört - beendete den Abend. Wegen solcher Konzerte verbringe ich meine Freizeit in mehr oder weniger schönen Musikclubs und nicht auf dem Sofa. Lasst uns bitte Torquil folgen und seine Band nicht vergessen! Für so wundervolle Lieder wie Ageless beauty, Soft revolution, Midnight coward, Take me to the riot, The north, A song is a weapon und all die ungespielten Perlen. Ich möchte solche Abende noch oft erleben - zum Beispiel am Montag in Köln im Luxor - oder wo auch immer!
Klar, der Mann ist auch Schauspieler. Aber als er sagte, daß ihm das alles bedeute, daß wir da seien - "glaubt nicht, wir wüssten nicht, was ihr für uns tut" - nahm ich ihm das vollkommen ab. Leicht erzielbare Karma-Punkte!***
Setlist Stars, Zoom, Frankfurt:
01: The theory of relativity
02: Fixed
03: A song is a weapon
04: Ageless beauty
05: The north
06: We don't want your body
07: Through the mines (mit Intro Dark as a dungeon - Harry Belafonte Cover)
08: Midnight coward
09: Your ex-lover is dead
10: Backlines
11: Die together (mit Intro All I have to do is dream - The Everly Brothers Cover)
12: Soft revolution
13: Lights changing colour
14: Dead hearts (mit Intro These foolish things remind me of you - Nat King Cole Cover)
15: Elevator love song
16: Progress
17: Hold on when you get love and let go when you give it
18: Take me to the riot
19: Walls
20: The 400 (Z)
21: Heart (Z)
Links:
- aus unserem Archiv:
- Stars, Indianapolis, 04.10.12
- Stars, New York, 24.09.10
- Stars, Köln (Luxor), 09.09.10
- Stars, Köln (Gloria), 11.02.08
- Stars, Köln (Gebäude 9), 27.09.07
- Stars, Berlin (PopKomm), 20.09.07
Tourdaten Stars:
13.12. Aarau, Kiff
17.12. Köln, Luxor
18.12. München, Hansa 39
20.12. Wien, Flex
* nur Nirvana habe ich jetzt nicht noch reinpacken können
** Stars-Zauber wirkt leider aber nicht gegen Verdauungsprobleme. Irgendwer hatte sich nicht im Griff und furzte ganz fürchterlich. A fart can be a weapon, too
*** über den Rest der Band dann mehr am Montag vom Kölner Konzert
2 Kommentare :
Bitte das über den furzenden Typen neben euch dann aber im Detail. Danke!
Einer in unserem Umfeld hatte wohl wirklich gedacht, dass "Handkäse mit Musik" bedeutet, dass man vor einem Konzert diese hessische Spezialität verzehren muss...
;-)
Das Kontert war dennoch eine positive Überraschung!
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