Konzert: Arcade Fire
Ort: Paris, Festival Rock en Seine
Datum: 24.08.2007
Zuschauer: sehr viele
Über dem Pariser Himmel war die schwarze (aber sternenreiche) Nacht hereingebrochen, als die prachtvolle Bühnendeko zu "Neon Bible" aufgebaut wurde. Selbstverständlich war auch die gewaltige Kirchenorgel wieder mit dabei, aber auch die Leuchtsäulen, kreisrunden Bildschirme und natürlich die zahlreichen Instrumente durften nicht fehlen.
Nach drei Arcade Fire Konzerten allein in diesem Jahr kannte ich diese Kulisse zu dem pompösen Spektakel, das bald folgen konnte, natürlich schon recht gut, aber ein paar Leute in meiner Umgebung, die erst heute in den Genuß der Show kommen sollten, fragten sich schon, wozu die kreisrunden "Dinger" an den Seiten wohl gut sein sollten. Dies sollten sie bald erfahren, denn um kurz vor 10 Uhr Ortszeit erfüllten sich die Teile mit Leben und ein kleines Kind hielt eine feurige (politische) Ansprache, allerdings in einer Sprache, die ich immer noch nicht richtig identifiziert habe...
Die Hauptdarsteller traten im Anschluß auf die Bühne und füllten diese mit insgesamt zehn Musikern an diversen Instrumenten (u.a. Akkordeon, Trompete, Horn, Keyboard, Violinen, etc.) gut aus. Régine hatte zur Feier des Tages ein rotes Kleid an, welches mit einer schwarzen Rose bestickt war und trug hierzu heiß aussehende weiße, hohe Stiefel. Auch die beiden Violinistinnen waren mit ihren schwarzen Leggings und den darüber getragenen Kleidchen hübsch anzusehen. Win hingegen sah aus wie immer, mit offenem Hemd und dem gewohnten Dackelblick.
Wie immer eröffneten sie mit "Keep The Car Running" und blieben mit dem nachfolgenden Meisterwerk "No Cars Go" auch beim Thema Auto. Mir fiel ein Stein vom Herzen, als ich feststellte, daß der Sound heute brillant war. Gerade bei Festivals ist dies nicht immer der Fall und ich habe noch ungute Erinnerungen an den dumpfen Soundbrei beim ansonsten fabelhaften Auftritt von Arcade Fire in Nîmes. Es war also alles angerichtet für einen phantastischen Abend. Trockenes Wetter (nachdem es in der Nacht zuvor geschüttet hatte), eine sehr gute Stimmung im Publikum und eine Band, die sichtlich Freude hatte, nach 2005 erneut beim Festival Rock en Seine zu spielen. "We are very honoured to play this great festival again, thanks for coming!", bedankte sich Win Butler artig. Die Freude lag natürlich auch ganz auf meiner Seite, denn jedes Konzert der Kanadier ist einzigartig und voller Überraschungen. So gab es heute dann auch im Gegensatz zum Kölner Konzert von vor zwei Tage auch "Laika" im Programm, was natürlich glänzend aufgenommen wurde. Wenn Christoph im Palladium eine Schlägerei auf der Bühne vermisste, lag es mit Sicherheit daran, daß sich diese inszenierte Szene in aller Regel bei diesem Lied zwischen dem kleinen Bruder von Win, nämlich William Butler und dem Rotschopf Richard "Reed" Parry abspielt. Heute kam diese Rangelei zwar etwas verhalten rüber, dafür schlug Richard Parry aber in spektakulärer Weise auf seinen Motorradhelm ein...
Und es gab noch etwas, was in Köln vor zwei Tagen fehlte: Win Butler erklärte nämlich die akadische (eine Sprache, die dem Französischen ähnlich ist) Inschrift auf seiner Gitarre: ein leerer Sack kann nicht stehen! Witzig war, daß er sich bei dieser Erläuterung ein wenig schwer tat, weshalb er dann auch mit dem Satz: "anyway, you know what I mean", schloß.
Danach wurden wieder musikalische Highlights gesetzt, denn mit "Intervention" kam das wohl ergreifendste Stück des neuen Albums. Als die Orgel einsetzte lief mir eine Gänsehaut über den Rücken, was nicht nur an dem altertümlichen Instrument, sondern auch an dem herzerweichenden Gesang und dem nahegehenden Text ("working for the church, while your family dies") lag.
Nach dem in Köln ausgelassenen "Bruce Springsteen-Song" ("Antichrist Television Blues") wurde erneut eine Version von "Neon Bible" gespielt, in der in der Mitte ein Lied von New Order integriert wurde. Schade, daß an dieser ruhigen Stelle eine Horde völlig besoffener Spanier reingrölte und so die intime Stimmung des Liedes versaute. Aber solche Leute, genau wie zwei sturzbetrunkene Engländerinnen, die sich in meiner unmittelbaren aufs Heftigste stritten ("shut your fucking mouth"), gehören nun einmal zu Festivals...
Die Hauptdarsteller von Arcade Fire bekamen solche Szenen aber mit Sicherheit nicht mit, sondern setzten unbeirrt ihre grandiose Show fort. Bei "Windowsill" setzte sich Regine ans Schlagzeug und ersetzte auch bei den folgenden zwei Titeln Jeremy Gara aufs Vortrefflichste. Erst bei dem stürmisch aufgenommenen"Tunnels" räumte sie wieder dem standesgemäßen Drummer den Platz. Ein weiteres Highlight der Show war zweifelsohne das wavige "Power Out" vom ersten Album "Funeral", das nahtlos in das Sahnestück "Rebellion (Lies)" überging. Aus tausenden Kehlen wurde "Lies, lies", geschrien und der Refrain noch minutenlang nachgesummt.
Dann verließen die Helden zum ersten Mal unter lang anhaltendem Applaus die Bühne und krönten ihren sensationellen Auftritt mit "Wake Up", welches mich immer wieder durch den Wechsel hin zu einem swingenden Lied begeistert.
Wow, was für ein Abend! Arcade Fire werden nie langweilig, diese essentielle Gruppe kann man immer wieder sehen und bestaunen. In ein paar Jahren werden sie in der Pop-Historie den Platz der Beatles einnehmen, da bin ich ganz sicher!
Setlist Arcade Fire Paris Rock en Seine:
01: Keep The Car Running
02: No Cars Go
03: Haiti
04: Laika (Neighborhood # 2)
05: Black Mirror
06: Intervention
07: (Antichrist Television Blues)
08: Neon Bible
09: Windowsill
10: The Well And The Lighthouse
11: Ocean Of Noise
12: Tunnels (Neighborhood # 1)
13: Power Out (Neighborhood #3)
14: Rebellion (Lies)
15: Wake Up (Z)
Links:
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Bilder bereits jetzt unter:
http://www.flickr.com/photos/oliverpeel
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