Mittwoch, 8. Februar 2012

Peter Hook and the Light, Luxemburg, 07.02.12


Konzert: Peter Hook and the Light
Ort: den Atelier, Luxemburg
Datum: 07.02.2012
Zuschauer: nicht ausverkauft aber ganz gut gefüllt*
Dauer: 85 min


Als das Publikum bei der letzten Zugabe Love will tear us apart so laut sang, daß sich Peter Hook an den Bühnenrand stellte und feststellte "you don't need me", fragte ich mich, wie viel Wahrheit wohl in dieser Aussage steckte...

Natürlich habe ich Joy Division nie live gesehen. Im Gegensatz zu den Smiths, der zweiten entscheidenden Band der letzten 40 Jahre, habe ich ihr Ende nicht knapp verpasst. Die Smiths habe ich etwa ein Jahr nach ihrer Auflösung lieben gelernt, da war Ian Curtis schon bald ein Jahrzehnt tot. Den meisten deutschen (bzw. nichtenglischen) Fans von Joy Division geht es genauso. Von 78 bis 80 spielte die Band Konzerte, darunter waren aber nur eine Handvoll Shows außerhalb Großbritanniens, u.a. im Dezember 79 in Paris und einen Monat später im Doornroosje in Nijmegen, in Berlin oder in Köln. Ich habe keine Ahnung, wie voll diese Konzerte waren. Die Bilder aus der Hacienda in Manchester vermitteln aber nicht den Eindruck, daß Hunderttausende Joy Division damals live erlebt haben.

Eines der wichtigsten Elemente der Musik der Band ist der dominante Bass. Den Beginn von Love will tear us apart kennt vermutlich sogar jeder Nickelback-Fan. Aber auch die meisten anderen Stücke (die dann keiner außerhalb der kleinen Welt der Musiknerds je gehört hat), erkennt man an den ersten Tönen des Basses, lange bevor sonst etwas passiert. Ohne Peter Hook wären Bässe heute vermutlich so langweilig wie Schlagzeuge; sein Spiel hat ein Musikgenre geschaffen; das der Bands, die wie Joy Division klingen.

Was nach dem Selbstmord von Ian Curtis geschah, ist bekannt. Die Band hatte sich zu dessen Lebzeiten (die nach den Aussagen des Sängers nicht lange sein würden), abgesprochen, nicht als Joy Division weiterzumachen, sollten nicht mehr alle vier
dabei sein. Bernie Summner, Peter Hook und Stephen Morris gründeten mit New Order die zweite Lieblingsband, aus der Hook 2006 ausstieg. Im vergangenen Jahr spielte New Order zwei Benefizkonzerte ohne den Bassisten; das Verhältnis der drei Joy Division Gründer scheint vergiftet zu sein.

Daß Peter Hook jetzt mit Begleitband The Light unterwegs ist, die beiden Alben von Joy Division live zu spielen, scheint ein ausgestreckter Mittelfinger in Richtung Bernard
Summner zu sein und sollte dem Zuschauer eigentlich egal sein (weil es ihn nichts angeht), ist aber für meine Beurteilung des Abends wichtig.

Der Abend mit der Musik von Joy Division fand im
Atelier in Luxemburg statt und erforderte eine Fahrt über verschneite Eifelautobahnen. Da unterwegs nicht viel los war, fuhr ich durch eine schwarz-weiße Landschaft, eine perfekte Einstimmung, da man schließlich mit Joy Division nicht unbedingt bunte Farben verbindet. Als ich kurz vor Beginn des Vorprogramms im Atelier ankam, war da noch nicht viel los. Eine belgische Familie mit kleiner Tochter schrieb gerade eine Nachricht auf ein mitgebrachtes Geschenk für Hooky, wurde dann von weiteren Hardcore-Fans begrüßt. Es war zumindest da noch keine Laufkundschaft da.

Um halb neun begann eine kurze (sehr mies geschnittene) Dokumentation über Joy Division, eine Stunde später dann das Konzert.

Peter Hook trug ein Closer T-Shirt, das mochte ich nicht (den Umstand, nicht das Hemd). Jeder im Saal wusste, wer er war. Er musste das nicht mit einem Shirt verdeutlichen. Oder wenn, dann mit "I was in Joy Division". Ebenso merkwürdig war das Lineup. The Light ist eine
ausgewachsene Band - mit Bassist. Es gab also zwei Bassspieler. Daß das aber durchaus Sinn machte, zeigte sich nach den ersten Takten des Openers No love lost. Nach ein paar Basstönen von Peter Hook, übernahm der andere Musiker diese Parts. Peter sang nur noch. Sobald er singen musste, hing der Bass untätig rum. Aber auch sonst waren Peter Hooks Einsätze an seinem Instrument überschaubar. Der Nachgeschmack, den das hinterließ, war deutlich fieser als der des T-Shirts. Dazu wirkt der Musiker ungemein unsympathisch; in eine Diskussion möchte man mit ihm nicht geraten.

Ein selbstverliebter Bassist mit einer Coverband, der tourt, um alte Kumpels zu ärgern, und der sich plötzlich als Sänger begreift, klingt nach einem Desaster. Das war es aber nicht, und deshalb tue ich mich mit der Einschätzung so schwer.

Peter Hook singt nämlich nicht schlechter als Ian Curtis auf vielen Bootlegs, die ich gehört habe. Und auch, wenn er nur die ersten Takte jedes Lieds (und danach immer mal wieder sporadisch) spielte (Amerikaner sprächen wahrscheinlich von "signature riffs"), kann ich nicht bestreiten, daß die Band hervorragend agierte. Es klang wie Joy Division und war eine enorm würdevolle Interpretation der großen Lieder dieser Band. Der Gitarrist wirkte auf mich, als sei er lange nach Curtis' Tod geboren. Das war aber egal, weil sich seine Band nicht wie eine Kirmes-Cover-Truppe anhörte, das hier war überhaupt nicht verkehrt.

Und ist es in einem Sternerestaurant nicht auch vollkommen irrelevant, wer das Gericht zubereitet? Der Koch, der den Stern erarbeitet hat, wird das mit Sicherheit nicht sein, das Essen ist allerdings identisch. Melonenkaviar wird auch dann eine Sensation sein, wenn Pepe Müller und nicht Ferran Adrià ihn zubereitet hat.

Uns kann man hier vieles vorwerfen, sicher aber nicht, daß wir objektiv über
Konzerte berichteten! Das gibt es nicht. Heute muß ich es aber so halten, denn eine schlüssige Beurteilung des Abends fällt mir aus den geschilderten Gründen schwer. Es hätte ein Desaster sein können, war es aber nicht. Es hätte mich euphorisieren können, tat es aber nicht. Der Abend war gut, die musikalische Darbietung sogar besser. Und es kam hervorragend an: in der Mitte wurde wild getanzt und gepogt. Hilft nur der Ausweg in die Objektivität. Also ein paar Worte noch zum Programm:

Vor der angekündigten Unknown pleasures spielte die Band als Einstimmung ein paar Lieder wie No love lost und Leaders of men (beide von der ersten EP An ideal for living - mit dem Hitlerjungen auf dem Cover). Nach Unknown pleasures folgten zwei Zugabenblocks mit sechs "greatest hits." Das wieder war genauso, wie ich es mir vorher gewünscht hätte.

Schwarz-weiß war das Motto des Abends, in jeder Hinsicht.

Setlist Peter Hook and the Light, den Atelier, Luxemburg:

01: No love lost
02: Leaders of men
03: Glass
04: Digital

Unknown Pleasures:
05: Disorder
06: Day of the lords
07: Candidate
08: Insight
09: New dawn fades
10: She's lost control
11: Shadowplay
12: Wilderness
13: Interzone
14: I remember nothing

15: Atmosphere (Z)
16: Isolation (Z)
17: Failures (Z)
18: Warsaw (Z)

19: Transmission (Z)
20: Love will tear us apart (Z)

* vermutlich mehr als bei den meisten Konzerten zu Ian Curtis' Lebzeiten




1 Kommentare :

Oliver Peel hat gesagt…

Wenn man Warsaw mitzählt, war es bereits seine zweite Band, aber das wäre natürlich Unsinn.

 

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