Konzert: Sophia (Robin Proper-Sheppard solo)
Ort: Ein Wohnzimmer in Heusweiler
Datum: 05.05.2012
Zuschauer: gut 30
Dauer: ca. 135 min
"I play the one hit I have and I'm fucking it up...!" - Robin Proper-Sheppard mußte ein paarmal ansetzen, um Oh my love zu Ende zu spielen. Auch ein, zwei andere Lieder unterbrach der Sophia-Kopf, weil er noch etwas zu ihrer Entstehung erzählen wollte. Oft wurden das sehr persönliche Geschichten, meist handelten sie von traurigen Lieben.
Ich mag eigentlich nicht, wenn bei einem Konzert das Emotionsfass zu weit aufgemacht wird. Ich halte es da mit Noels Gallaghers "Shut up and play One" zu Bono; ich will Musik und zwischen den Liedern nichts über Politik, die Rettung der Welt oder die Gefühle des Künstlers hören.
Heute war das komplett anders. Nichts nervte an dem wundervollen Wohnzimmerkonzert des Amerikaners! Robin spielte zweieinviertel Stunden lang vor enorm aufmerksamen und leisem Publikum. Das ist zwar eine ganz fiese Musikjournalistenfloskel, aber es war ein wahnsinnig intensives Konzerterlebnis!
Sophia hat 2009 das bislang letzte Studioalbum veröffentlicht. Im vergangenen Dezember erschien At Home With Sophia... The Acoustic Sessions, nachdem Robin seit 2010 Solokonzerte unter diesem Motto veranstaltet hatte (von denen viele Mitschnitte auf der Sophias Bandpage Seite veröffentlicht sind). Kurz vor Weihnachten hatte ich eine dieser akustischen Shows in der Kölner Wohngemeinschaft gesehen, einem kleinen Konzertraum, der wie ein piefiges Wohnzimmer eigerichtet ist. Heute war es ein richtiges (und schönes) Wohnzimmer und ein Auftritt der noch eine Ecke spezieller war.
Robin und die saarländischen Veranstalter stehen schon lange im Kontakt. Auch ein Wohnzimmerkonzert war seit einiger Zeit im Gespräch, die Zusage des Musikers kam Anfang der Woche. Ich brauchte nicht furchtbar lange, meine bisherigen Pläne, Cloud Nothings in Köln zu sehen, über den Haufen zu werfen, als ich eine Einladung bekam.
Daß die Organisatoren nur fünf Tage Vorbereitung hatten und ihr erstes Wohnzimmerkonzert veranstalteten, merkte man nicht die Spur. Es war perfekt organisiert, jeder herrlich entspannt und vorfreudig. Robin tauchte ab und zu auf und begrüßte alte Bekannte, alles war sehr familiär und überhaupt nicht der richtige Rahmen für Jammern um den Abstieg des Lieblingsvereins. Das stellte ich dann halt auch ein.
Als alle Besucher da waren, setzte sich Robin um kurz vor halb zehn auf einen einzelnen Stuhl und stimmte seine akustische Gitarre. Es gab keine Verstärker und kein Mikrofon. Aber auch das Licht war unplugged, der Künstler und wir, die vor ihm sitzenden Zuschauer wurden nur von Kerzen beleuchtet, toll!
Robin sagte, er habe 28 Lieder vorbereitet und geübt, aus denen er den Abend bestreiten wollte. Wären Leute da gewesen, denen Sophia vorher nichts gesagt hätte, hätten die mit dem ersten Stück einen Eindruck davon bekommen, worum es bei Robins Musik geht. "I left you because it seemed to hurt us less than if I stayed," ist kein fröhlicher Pop. Immer wenn eine große Liebe geendet hätte, habe er ein Sophia Album geschrieben. Das behaupten Silbermond oder Christina Stürmer vielleicht auch, wenn sie der hörzu Interviews geben, die schreiben aber* dann nicht so unendlich schöne und traurige Lieder wie Robin Proper-Sheppard. Und die sagen auch nicht von sich, daß sie schlechte Menschen seien.* "I'm an ok songwriter but a really bad person."
Das Problem dabei, in Liedern eigene Trauer zu verarbeiten und nicht das runterzunudeln, was einem die Produzenten vorsetzen, ist aber dann auch, daß man damit verdrängte Geister wieder herbeiruft. Bei Robin war das der Fall. Er sagte mehrfach, daß ihm heute wieder einiges im Kopf rumspuke, was bei ein zwei Liedern Texthänger verursachte. Das machte das Konzert aber nicht schlechter, im Gegenteil. Die kleinen Pannen waren äußerst charmant. Meine Lieblingsszene war bei A last dance, als er das Lied unterbrach, um die Geschichte des Songs zu erzählen. Oder bei Heartache, als er den Beginn immer wieder abbrach, um etwas zu sagen. Auch so etwas kann bei Konzerten furchtbar zäh und anstrengend sein, hier war es toll und hoch unterhaltsam. Bei Heartache kommentierte er irgendeinen Akkord mit "I didn't do this on the album!" Die Kritik seiner Tochter Hope an der Zeile "I even tried holding my breath to help me pass the time" und seine verzweifelte Antwort "It's just a song and you're thirteen!" ist auch nicht auf der Platte. Deshalb war der Abend auch so gut. Und nur ein Lied ist eben keines seiner Stücke.
Weil Robin das halbe Publikum gut und lange kennt, entstanden immer wieder kleine Unterhaltungen. Obwohl das Konzert wahnsinnig lang war, 135 Minuten am Ende, war es ansonsten unfassbar still im Wohnzimmer. Das habe ich noch nie in der Form erlebt. Robin bot zwar irgendwann an, daß die, die sich langweilten, jetzt gehen könnten. Das war aber wie der Satz mit dem okayen Songwriter Blödsinn. Nur zwei Sachen störten ihn. Mit Neid beobachtete er die beiden Champagner Gläser in der ersten Reihe, obwohl die Minibar zu seinen Füßen auch einiges hergab. Er forderte auch Champagner. "Be honest, but don't be too honest. Am I rude?" Dann gab es einmal ein Störgeräusch von Eiswürfeln, was den Sängern zu einer Szene einlud. "Das ist lauter hier als in einer Bar!"
Schwer, aus dem Abend Höhepunkte rauszupicken. Something war sicher einer (auch wenn Robin sich für die "fucked up version" ohne weibliche Stimme entschuldigte), The desert song no. 2 war toll, A last dance sowieso, Swept away, das Anna Ternheim Cover What have I done, There are no goodbyes am Ende.
Am schönsten war aber die Geschichte, die Robin am Ende noch erzählte. Am Nachmittag wollte er etwas spazieren gehen. Er war im Wildpark, in dem es einen weißen Hirsch gibt, von dem ihm vorgeschwärmt worden ist. Robin stammt ja aus San Diego, der Stadt mit einem der schönsten Zoos der Welt. So jemand ist sicher schwer zu beeindrucken, ein weißer Hisch tat das aber. Nur hat er den nicht gesehen sondern nur ein paar Ziegen. Und bei denen hätte man sehen können, wie die Natur funktioniert. Die fetten Tiere waren am Trog, die schlanken bekamen nichts zu essen. Ganz abseits stand aber eine Ziege mit besonders langen Haaren. "The hippie goat!" Es würde mich nicht wundern, darüber irgendwann ein trauriges Lied zu hören.
An dem Abend stimmte alles, und der erste Satz war natürlich Blödsinn: Robin hatte zwar Oh my love verpatzt. Er musste das Lied abbrechen, um die furchtbar schiefe Gitarre zu stimmen. Aber es war nicht sein einziger Hit heute. Es war einer von sehr vielen!
Setlist Sophia, Wohnzimmerkonzert, Heusweiler:
01: I left you
02: If only
03: Are you happy now
04: Ship in the sand
05: Something
06: Swept back
07: The desert song no. 2
08: If a change is gonna come
09: The death of a salesman
10: Pace
11: Oh my love
12: A last dance (to sad eyes)
13: Lost
14: Another friend
15: I can't believe the things I can't believe
16: What have I done (Anna Ternheim Cover)
17: Jealous guy (John Lennon Cover)
18: The river song
19: Heartache (Z)
20: There are no goodbyes (Z)
Links:
- aus unserem Archiv:
- Sophia, Köln, 28.12.11
- Sophia, Frankfurt, 15.05.10
- Sophia, Wien, 29.09.09
- Sophia, Köln, 12.02.09
Danke an Alex und Saarbrooklyn Massive für diesen tollen Abend!
* glaube ich zumindest, ich verfolge die nicht so
Ort: Ein Wohnzimmer in Heusweiler
Datum: 05.05.2012
Zuschauer: gut 30
Dauer: ca. 135 min
"I play the one hit I have and I'm fucking it up...!" - Robin Proper-Sheppard mußte ein paarmal ansetzen, um Oh my love zu Ende zu spielen. Auch ein, zwei andere Lieder unterbrach der Sophia-Kopf, weil er noch etwas zu ihrer Entstehung erzählen wollte. Oft wurden das sehr persönliche Geschichten, meist handelten sie von traurigen Lieben.
Ich mag eigentlich nicht, wenn bei einem Konzert das Emotionsfass zu weit aufgemacht wird. Ich halte es da mit Noels Gallaghers "Shut up and play One" zu Bono; ich will Musik und zwischen den Liedern nichts über Politik, die Rettung der Welt oder die Gefühle des Künstlers hören.
Heute war das komplett anders. Nichts nervte an dem wundervollen Wohnzimmerkonzert des Amerikaners! Robin spielte zweieinviertel Stunden lang vor enorm aufmerksamen und leisem Publikum. Das ist zwar eine ganz fiese Musikjournalistenfloskel, aber es war ein wahnsinnig intensives Konzerterlebnis!
Sophia hat 2009 das bislang letzte Studioalbum veröffentlicht. Im vergangenen Dezember erschien At Home With Sophia... The Acoustic Sessions, nachdem Robin seit 2010 Solokonzerte unter diesem Motto veranstaltet hatte (von denen viele Mitschnitte auf der Sophias Bandpage Seite veröffentlicht sind). Kurz vor Weihnachten hatte ich eine dieser akustischen Shows in der Kölner Wohngemeinschaft gesehen, einem kleinen Konzertraum, der wie ein piefiges Wohnzimmer eigerichtet ist. Heute war es ein richtiges (und schönes) Wohnzimmer und ein Auftritt der noch eine Ecke spezieller war.
Robin und die saarländischen Veranstalter stehen schon lange im Kontakt. Auch ein Wohnzimmerkonzert war seit einiger Zeit im Gespräch, die Zusage des Musikers kam Anfang der Woche. Ich brauchte nicht furchtbar lange, meine bisherigen Pläne, Cloud Nothings in Köln zu sehen, über den Haufen zu werfen, als ich eine Einladung bekam.
Daß die Organisatoren nur fünf Tage Vorbereitung hatten und ihr erstes Wohnzimmerkonzert veranstalteten, merkte man nicht die Spur. Es war perfekt organisiert, jeder herrlich entspannt und vorfreudig. Robin tauchte ab und zu auf und begrüßte alte Bekannte, alles war sehr familiär und überhaupt nicht der richtige Rahmen für Jammern um den Abstieg des Lieblingsvereins. Das stellte ich dann halt auch ein.
Als alle Besucher da waren, setzte sich Robin um kurz vor halb zehn auf einen einzelnen Stuhl und stimmte seine akustische Gitarre. Es gab keine Verstärker und kein Mikrofon. Aber auch das Licht war unplugged, der Künstler und wir, die vor ihm sitzenden Zuschauer wurden nur von Kerzen beleuchtet, toll!
Robin sagte, er habe 28 Lieder vorbereitet und geübt, aus denen er den Abend bestreiten wollte. Wären Leute da gewesen, denen Sophia vorher nichts gesagt hätte, hätten die mit dem ersten Stück einen Eindruck davon bekommen, worum es bei Robins Musik geht. "I left you because it seemed to hurt us less than if I stayed," ist kein fröhlicher Pop. Immer wenn eine große Liebe geendet hätte, habe er ein Sophia Album geschrieben. Das behaupten Silbermond oder Christina Stürmer vielleicht auch, wenn sie der hörzu Interviews geben, die schreiben aber* dann nicht so unendlich schöne und traurige Lieder wie Robin Proper-Sheppard. Und die sagen auch nicht von sich, daß sie schlechte Menschen seien.* "I'm an ok songwriter but a really bad person."
Das Problem dabei, in Liedern eigene Trauer zu verarbeiten und nicht das runterzunudeln, was einem die Produzenten vorsetzen, ist aber dann auch, daß man damit verdrängte Geister wieder herbeiruft. Bei Robin war das der Fall. Er sagte mehrfach, daß ihm heute wieder einiges im Kopf rumspuke, was bei ein zwei Liedern Texthänger verursachte. Das machte das Konzert aber nicht schlechter, im Gegenteil. Die kleinen Pannen waren äußerst charmant. Meine Lieblingsszene war bei A last dance, als er das Lied unterbrach, um die Geschichte des Songs zu erzählen. Oder bei Heartache, als er den Beginn immer wieder abbrach, um etwas zu sagen. Auch so etwas kann bei Konzerten furchtbar zäh und anstrengend sein, hier war es toll und hoch unterhaltsam. Bei Heartache kommentierte er irgendeinen Akkord mit "I didn't do this on the album!" Die Kritik seiner Tochter Hope an der Zeile "I even tried holding my breath to help me pass the time" und seine verzweifelte Antwort "It's just a song and you're thirteen!" ist auch nicht auf der Platte. Deshalb war der Abend auch so gut. Und nur ein Lied ist eben keines seiner Stücke.
Weil Robin das halbe Publikum gut und lange kennt, entstanden immer wieder kleine Unterhaltungen. Obwohl das Konzert wahnsinnig lang war, 135 Minuten am Ende, war es ansonsten unfassbar still im Wohnzimmer. Das habe ich noch nie in der Form erlebt. Robin bot zwar irgendwann an, daß die, die sich langweilten, jetzt gehen könnten. Das war aber wie der Satz mit dem okayen Songwriter Blödsinn. Nur zwei Sachen störten ihn. Mit Neid beobachtete er die beiden Champagner Gläser in der ersten Reihe, obwohl die Minibar zu seinen Füßen auch einiges hergab. Er forderte auch Champagner. "Be honest, but don't be too honest. Am I rude?" Dann gab es einmal ein Störgeräusch von Eiswürfeln, was den Sängern zu einer Szene einlud. "Das ist lauter hier als in einer Bar!"
Schwer, aus dem Abend Höhepunkte rauszupicken. Something war sicher einer (auch wenn Robin sich für die "fucked up version" ohne weibliche Stimme entschuldigte), The desert song no. 2 war toll, A last dance sowieso, Swept away, das Anna Ternheim Cover What have I done, There are no goodbyes am Ende.
Am schönsten war aber die Geschichte, die Robin am Ende noch erzählte. Am Nachmittag wollte er etwas spazieren gehen. Er war im Wildpark, in dem es einen weißen Hirsch gibt, von dem ihm vorgeschwärmt worden ist. Robin stammt ja aus San Diego, der Stadt mit einem der schönsten Zoos der Welt. So jemand ist sicher schwer zu beeindrucken, ein weißer Hisch tat das aber. Nur hat er den nicht gesehen sondern nur ein paar Ziegen. Und bei denen hätte man sehen können, wie die Natur funktioniert. Die fetten Tiere waren am Trog, die schlanken bekamen nichts zu essen. Ganz abseits stand aber eine Ziege mit besonders langen Haaren. "The hippie goat!" Es würde mich nicht wundern, darüber irgendwann ein trauriges Lied zu hören.
An dem Abend stimmte alles, und der erste Satz war natürlich Blödsinn: Robin hatte zwar Oh my love verpatzt. Er musste das Lied abbrechen, um die furchtbar schiefe Gitarre zu stimmen. Aber es war nicht sein einziger Hit heute. Es war einer von sehr vielen!
Setlist Sophia, Wohnzimmerkonzert, Heusweiler:
01: I left you
02: If only
03: Are you happy now
04: Ship in the sand
05: Something
06: Swept back
07: The desert song no. 2
08: If a change is gonna come
09: The death of a salesman
10: Pace
11: Oh my love
12: A last dance (to sad eyes)
13: Lost
14: Another friend
15: I can't believe the things I can't believe
16: What have I done (Anna Ternheim Cover)
17: Jealous guy (John Lennon Cover)
18: The river song
19: Heartache (Z)
20: There are no goodbyes (Z)
Links:
- aus unserem Archiv:
- Sophia, Köln, 28.12.11
- Sophia, Frankfurt, 15.05.10
- Sophia, Wien, 29.09.09
- Sophia, Köln, 12.02.09
Danke an Alex und Saarbrooklyn Massive für diesen tollen Abend!
* glaube ich zumindest, ich verfolge die nicht so
1 Kommentare :
und nach dem Konzert noch bis knapp vor 5:00 uhr über Gott und die Welt zu reden und dabei auch noch den Rest Tequila, den er eigentlich einem amerikanischen Freund in Brüssel mitbringen wollte, zu trinken, das rundete den Abend dann wirklich ab.
Das war noch besser als im Vorfeld gedacht.
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