Festival: Best Kept Secret Festival
Datum: 22. und 23.06.2013 (Tag 2 & 3)
Zuschauer: 15.000 (ausverkauft)
von Dirk aus Mönchengladbach
Samstag
Auch der 2.Tag des Festivals konnte die ohnehin schon hohen Erwartungen erfüllen. Da mir leider keine "echte" Tastatur zur Verfügung steht, heute eine etwas kürzere Zusammenfassung. Beginnen wir den Bericht von hinten nach vorne, da die Eindrücke der Nacht noch frisch und besonders überzeugend waren.
Obwohl ich mich bewusst gegen die grossen Acts wie ALT J und Damien Rice entschieden hatte, endete der Abend mit einer Bombe. Savages, die ich vor kurzem schon in Köln im Club erleben durfte, gingen im kleinen Zelt einfach nur durch die Decke. Pünktlich und passend gingen die Damen um 0:00 auf die Bühne und lieferten einen derart intensiven, druckvollen und harten Postpunkgig ab, dass vielen beim Tanzen die Bierbecher um die Ohren flogen. Meiner Meinung nach eine der besten Livebands zur Zeit und definitiv in 2 Jahren auf jeder Hauptbühne des Planeten...zu Recht.
Fast genauso toll auch Melody's Echo Chamber deren verträumter Pop live ganz gross klingt und deren Band das ganze ebenfalls in einem Feedbackfinale ausklingen lässt. Auch hier ganz klar Potential für die Hauptbühne, gerade auch wegen der sympatischen und charismatischen Frontfrau. Seine Band The History of Apple Pie zu nennen, mag man als gewagt bezeichnen können, aber eigentlich ist es egal. Berühmt wird dieses Multikulti-Shoegazerorchester wohl leider sowieso nicht, ich mag die grossartige Platte und den gestrigen Auftritt trotzdem sehr.
Doch kommen wir nun auch zu den Flops des Tages: Die Allah-Las durften auf der grossen Hauptbühne auftreten, konnten in mir aber keinen Zauber entfachen. Zu belanglos finde ich diese Retromasche bei der ich weder tanzen noch zuhören möchte. Dann lieber ein paar echte Retroscheiben auflegen oder Nick Waterhouse zuhören. Zuhören war auch bei den Swans schwierig, erstens weil Sänger Michael Gira so über die Bühne stolpert, dass man ihm sofort Hilfe anbieten möchte, andererseits diese dröhnenden oft halbstündigen Titel auf einem Festival einfach überfordern. Nichts gegen komplexe Arrangements, aber Mogwai haben dazu wenigstens Melodien und Spass auf der Bühne.
Im stabilen, guten Mittelfeld wie immer Two Door Cinema Club und Efterklang, die beide vor riesigem Publikum auf der Hauptbühne antraten... da kann man nichts falsch machen, aber es gibt halt auch keine Überraschungen. Als einer der ersten durfte gestern dann noch Indians eröffnen, und erspielte sich alleine mit Keyboard einen Achtungserfolg.
Sonntag
Das Pendeln mit dem Fahrrad (man ist ja schließlich in Holland) zwischen Hotel und Festival mit „Verpflegungsauto“ vor dem Gelände sollte sich auch am dritten Tag auszahlen, da das Wetter leider nicht besser wurde. Waren die Temperaturen für ein Festival eigentlich gut (nicht zu warm, aber auch nicht zu kalt), kam am Sonntag leider doch noch vereinzelt der große Regen dazu..
Da mein Hauptaugenmerk aber sowieso den Zeltbühnen TWO und THREE lag, keine wirkliche Einschränkung. Und so erlebte ich zur Mittagszeit auf der THREE eines der skurrilsten Konzerte seit Jahren. Autre Ne Veut, hinter dem sich, wie ich jetzt ergoogelte, eigentlich das Pseudonym von Arthur Ashin aus Brooklyn verbirgt und keine echte Band, waren mir durch ihre tolle Platte Anxiety aufgefallen. Und das, obwohl ich sonst weder etwas mit Autotune, Nu-Soul oder ähnlichem anfangen kann. Daher wollte ich der Live-Umsetzung eine Chance geben. Und dann stehen auf der Bühne ein mit bösem Blick die Zuschauer musternder Sänger mit umgedrehter Baseballkappe, eine blondierte Lady die aus einem David Lynch Filmset zu stammen scheint und ein Drummer in vollem White-Trash Gedächtnisanzug (Käppi, Shirt, abgeschnittene Jeans, Vollbart). Das Publikum staunt, aber dann knallen einem auch schon die Töne des besten Songs (Play by Play) entgegen. Mutig als Start denkt man noch doch dann merkt man erst wie gut das alles ist... ich will gar nicht auf alle Einzelheiten eingehen (der Pathos, das teilweise Gelächter im Publikum, das Winden auf dem Bühnenboden), es war super... aber wirklich empfehlen kann ich es auch keinem, sehr eigenartig... aber dafür geht man ja auf Festivals...
Kommen wir nun wieder zu normalen Menschen, und nachdem die Local Natives auf der Hauptbühne etwas unter dem Starkregen zu leiden hatten, war es Zeit für die Palma Violets. Normal ist hier auch relativ, aber zumindest auf der Insel würden diese Jungs nicht weiter auffallen. Schlecht gekleidet und reichlich betrunken gab es hier genau das, was man erwartete. Die jährliche British Sensation mit Songs wie Chicken Dipper und Rattlesnake Highway. Hier waren keine Molltöne am Start und Zeit einfach mal das Bier auf die Bühne zu werfen, um willenlos zu tanzen. Zur Musik: Exakt wie die Libertines, bitte nur Heroin durch Bier ersetzen.
Danach war ein persönlicher Kleidungswechsel erforderlich, daher verpasste ich leider den DJ, den ich eigentlich unbedingt sehen wollte: Cashmere Cat. Aber es wurde Zeit für den großen Headliner Sigur Ros. Da will man ja nicht aussehen wie ein durchschnittlicher Festivalbesucher, wenn Jonsi sein bestes Jacket aus dem Schrank holt. Sigur Ros begleiten mich seit vielen Jahren, seit dem ersten Konzert auf Bierbänken im Gebäude 9 bin ich Ihnen verfallen. Allerdings immer eher wegen der Konzerte, die mich noch nie enttäuscht haben. Es ist einfach ein Wunder, dass diese Band mittlerweile vor einem Festivalpublikum bestehen kann, ohne auch nur einen Schritt von der Vision ihrer Musik abzuweichen. Vieles wurde schon geschrieben, meistens hat es mit Engeln, Elfen und anderem Quatsch zu tun, meiner Meinung nach ist aber die pure Musikalität und die völlige Hingabe zur eigenen Kunst/Musik die alle in Ihren Bann zieht. Leider können hier Beschreibungen gar nichts von dem ausdrücken, was man bei Sigur Ros Konzerten erlebt. Meistens schießen einem bereits im ersten Song Tränen in die Augen, in der Mitte des Sets liegt ein Rocker einem Gothicmädel weinend im Arm und zum Schluss sitzt man noch mindestens 30min vor der Bühne ohne zu wissen warum...
Sigur Ros spielen heute ein paar neue Stücke, die wieder vor Melodien strotzen und haben natürlich Streicher, Bläser, einen Chor, tolle Visuals und zwei Schlagzeuger dabei. Jonsi bügelt die Gitarre und obwohl wieder keinerlei verbale Interaktion mit den Zuschauern erfolgt, fühlt man sich persönlich eingeladen, dieser Musik beiwohnen zu dürfen. Ein Traum von einer Band.
Sigur Ros Setlist, Best Kept Secret Festival:
01: Yfirborð
02: Brennisteinn
03: Glósóli
04: Sæglópur
05: Ísjaki
06: Hrafntinna
07: Varúð
08: Hoppípolla
09: Með Blóðnasir
10: Kveikur
11: Festival
12: Popplagið
Am Ende bleibt die Erkenntnis: Keiner schafft es in Deutschland, so ein schönes Festival für 15.000 Menschen auszurichten. Und das bei der ersten Ausgabe, wo Probleme auch gerne verziehen werden. Ich habe keinmal an einem Getränkestand oder einer Toilette gewartet, es gab KEINE Dixieklos, keine Werbestände von Sponsoren, nicht mal Werbebanner. Ein 0,3 Bier kostete 3 EUR und man konnte an mindestens 50 PRIVATEN Essensständen kulinarisch einmal um die Welt reisen... ich bin nächstes Jahr wieder da.
3 Kommentare :
Hi Dirk,
ich wäre auch sehr gern dort gewesen, habe nicht gekonnt. Danke für deinen Bericht. zwei Fragen. War dein hotel empfehlenswert? und zudem, hast du dir Portishead nicht angehört? das wäre mein Highlight gewesen...
Danke und Gruß,
Sophie
Hallo, das Hotel war prima, es gibt auch Shulltebusse vom Gelände zum HBF, damit ist jedes Hotel im Tilburg möglich, wir waren im Bastion..wie die Preise nächstes Jahr aussehen, wer weisses ? Portishead ging leider wg. der Überschneidung mit Sigur Ros nicht, Bericht von Christoph ist aber auf der Seite..viele Gruesse...Dirk
Wir waren bei Portishead (eigentlich sind wir vor allem wegen denen aus Köln gekommen - vieles andere war aber auch total gut). Wir wollten möglichst weit vorn stehen, sind dafür extra nach Suuns dageblieben und haben eine Stunde ca. in Reihe 10 gewartet. Jede Minute hat sich gelohnt, es war fabelhaft.
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