Konzert: Scout Niblett
Ort: Le Point Ephémère, Paris
Datum: 08.06.13
Konzertdauer: etwa eine Stunde
Zuschauer: ungefähr 200
So gerne ich einzelne Künstler mag, ich halte in der Regel immer einen gewissen Abstand, eine gewisse Distanz zu der Person, die hinter der Musik steckt. Hat auch damit zu tun, daß ich mich als Blogger als eine Art Journalist sehe. Zwar unbezahlt, aber gewissenhaft und seriös arbeitend. Sympathiepunkte darf es geben (wir sind ja nicht mehr in der Schule), das ist menschlich, aber die musikalische Qualität muss bei der Konzertkritik immer im Vordergrund stehen.
Bei Scout Niblett fällt es mir gar nicht so leicht, Distanz zu halten. Zu sehr besteht eine Einheit aus der Musikerin Scout und der Privatperson Emma. Bei der Wahlamerikanerin ist alles hochgradig authentisch und persönlich, da ist es schwierig zwischen der Künstlerin und der (inzwischen) guten Bekannten zu unterscheiden. Seit etwa 2006 verfolge ich nun ihr Schaffen, bin ihr nach den bisher 6 Konzerten hinterher ein paar mal begegnet und habe mich auf Anhieb gut mit ihr verstanden. Sie ist eben nicht eine jener Musikerinnen, die am Merchstand nur nett lächelt, um eine CD mehr zu verkaufen. So etwas wie einen ehrgeizig verfolgten, grimmig konstruierten Karrierplan sehe ich bei ihr nicht. Was nicht heißen soll, daß sie ihren Job als Musikerin nicht ernst nimmt. Sie ist lediglich äußerst autark, steht dem Musibusiness zu recht kritisch gegenüber und macht vieles frei nach Schnauze.
Das ist sicherlich auch ein wichtiger Grund dafür, warum ich Scouts Musik so sehr schätze. Sie folgt keinen Trends, will nicht nach irgendwem klingen, sondern schreibt und musiziert selbstständig und ohne Kompromisse. Sie hat mir irgendwann einmal erzählt, daß sie recht selten auf Konzerte gehe und dies obwohl sie in Portland, Oregon, sprich einer weltweiten Musikhochburg lebt. Inspiriert wird sie also nicht von anderen Künstlern, sondern vom eigenen Leben, der Astrologie und täglichen Beobachtungen.
Das neue Album scheint eine Art Trennungsalbum geworden zu sein, indem sie die schmerzliche Separation von ihrem letzten Partner verarbeitet. Was auf Platte bereits sehr intensiv und nahegehend klingt, würde live also dann noch direkter und wahrhaftiger auf einen wirken?
In der Tat! In einer knappen Stunde hatten Scout und ihre beiden männlichen Mitmusiker, Phlipe am Schlagzeug und Miguel an der zweiten Gitarre die rund 200 Leute im Point Ephémère tief aufgewühlt, mit ihrer lauten Musik ordentlich durchgeschüttelt und alle schweißgebadet, aber beglückt zurückgelassen. Es war eine 60 minutige Hitzeschlacht, bei der die Musik ähnlich schwül, bleiern und schwermütig klang wie es die feuchte Wärme in dem Laden bereits suggerierte. Schon immer klangen die Songs von Scout wie eine Art Soundtrack zu einer gefahrverheißenden Autofahrt durch die Wüste von Mexiko, wo man immer damit rechen muss, abgeknallt zu werden.
Der neue Song Gun scheint stellvertretend hierfür zu stehen. Die Gitarre klingt gruselig, aber auch enorm sinnlich und diabolisch anziehend, das Schlagzeug schwer und agressiv, wobei sich der Song nie für Lärm oder knisternde Intimität entscheiden kann. Live noch einmal deutlich intensiver als auf Platte. Die bitter zynischen Lyrics stehen ohnehin für sich selbst ("you took your love from me and I am thankful every day").
Gun war nur eines von vielen packenden Stücken, die eine Scout Niblett in bestechender Form zeigten. Sie war konzentiert und fokussiert bei der Sache, ließ zwar auch diesmal nicht ihre Standardfrage an das Publikum : "do you have any questions?" aus, wusste aber immer in welche Richtung das Konzert gehen sollte. Früher war das manchmal anders, da ließ sie sich teilweise aus dem Konzept bringen, wusste nicht, welche Songs sie spielen sollte und wirkte bisweilen unvorbereitet. Scout Niblett 2013 ist tight, professioneller (ohne zu glatt zu werden) und mit beindruckendem Songmaterial unterwegs. Neben Gun begeisterten von dem neuen Output auch Could This Possibly Be? ("yeh, yeh!") und die ungemein schwermütige, aber wunderschöne Ballade My Man mit der markanten Textzeile: "Could we have made it somehow?"
Von den alten Sachen waren insbesondere Nevada (herrlich nörgelig und grimmig vorgetragen: "put on that suit and lend me that costume") und Let Thine Heart Be Warned ("louder than the thunder") hervorzuheben, die gewohnt roh, wahnsinnig rockig und suizidal klangen.
Schade nur, daß uns lediglich eine Stunde Konzert gegönnt wurde. Zuvor waren zwei mir völlig unbekannte Bands aufgetreten, deren Namen man sich nicht merken muss. 80 Minuten Scout Niblett und Band wie am folgenden Tage in Köln, das wäre es gewesen! Aber wollen wir mal nicht meckern, diese Stunde hatte es in sich und es war so heiß, daß man sich auch ein wenig freute, schnell an den külen Kanal Saint Martin zu kommen, der gleich vor dem Point Ephémère fließt. Dort zog es hinterher dann auch die Band und ihr Team hin. Ich Glücklicher durfte mich hinzugesellen. Was dort erzählt wurde, bleibt aber privat. Blogger sollten schließlich ein wenig verschwiegen sein, wenn es um die Privatsphäre von Künstlern geht und die Texte des neuen Albums geben genug her, um zu verstehen, wie es um das Seelenheil der Engländerin und Wahlamerikanerin bestellt ist. Nur so viel: Emma hat gesagt, daß sie für immer Musik machen möchte, egal wie finanziell schwierig das auch sein mag. Ist doch ein super Ausblick, oder etwa nicht? Mit einer neuen Tour durch Europa ist wohl im November zu rechnen.
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