Konzert: Depeche Mode
Ort: Mercedes-Benz Arena, Stuttgart
Datum: 03.06.2013
Zuschauer: 36.000
Dauer: 137 Minuten
Mittlerweile
ist es relativ dunkel, die hoch ästhetischen Videos auf den
Bildschirmen kommen umso besser zur Geltung, nach einem weiteren
neuen Song, versetzen Depeche Mode die Zuschauer mit ihren wohl
größten Hits in pure Ekstase. „Enjoy
The Silence“ und
„Personal Jesus“
werden direkt
hintereinander gespielt, im Innenraum sieht man plötzlich nur noch
Smartphone-Displays, seltsam. Dass „Goodbye“
vom neuen Album, das es direkt nach „Personal
Jesus“ gibt, fast
genauso klingt, ist ebenso seltsam und ja, auch ungeschickt.
Setlist, Depeche Mode, Stuttgart:
01: Welcome To My World
02: Angel
03: Walking In My Shoes
04: Precious
05: Black Celebration
06: Policy Of Truth
07: Should Be Higher
08: Barrel Of A Gun
09: Higher Love
10: When The Body Speaks
11: Heaven
12: Soothe My Soul
13: A Pain That I'm Used To
14: A Question Of Time
15: Secret To The End
16: Enjoy The Silence
17: Personal Jesus
18: Goodbye
19: Home (Z)
20: Halo (Z)
21: Just Can't Get Enough (Z)
22: I Feel You (Z)
23: Never Let Me Down Again (Z)
Links:
- aus unserem Archiv:
- Depeche Mode, Düsseldorf, 26.02.2010
Ort: Mercedes-Benz Arena, Stuttgart
Datum: 03.06.2013
Zuschauer: 36.000
Dauer: 137 Minuten
Dass
ich zwei Stadionkonzerte innerhalb von acht Tagen besuche, überrascht
mich selbst. Mein letztes Konzert in einem Fußballstadion liegt fast
sechs Jahre zurück, es war mein zweiter richtiger Konzertbesuch
überhaupt. Damals gewann ich Karten für The
Rolling Stones in der
Frankfurter Commerzbank-Arena, ursprünglich hätte Amy
Winehouse im Vorprogramm
spielen sollen, ersetzt wurde sie letztlich von Starsailor.
Als 15-jähriger Stones-Fan verließ ich das Stadion von Eintracht
Frankfurt enttäuscht: Die Akustik war eine Zumutung, die Show der
Stones eine Spur zu routiniert, wobei ich das Konzert im Nachhinein
besser bewerte. Dennoch war dieses Erlebnis wohl ein Grund, dass es
solange dauerte, bis ich Bruce
Springsteen im Olympiastadion in München sah.
Depeche
Mode schätze
ich schon seit langer Zeit – und nach dem positiven Erlebnis bei
Springsteen, verlor ich einige Aversionen gegenüber solchen
Massenevents in Sportstätten, so dass ich mir kurzerhand Karten für das
Konzert in der Mercedes-Benz Arena in Stuttgart besorgte, die ich von
meiner Straße aus sehen kann; im Nachhinein wäre es törricht
gewesen, auf diesen Abend zu verzichten:
Die
Sonne ist noch nicht untergegangen, als der zehnte Song des Abends
verstummt. Dave
Gahan verließ
kurz zuvor die Bühne. Der exaltierte Frontmann macht Platz für das
Mastermind hinter den zahllosen Hits seiner Band. Alt geworden ist
er, dieser Martin
Gore,
dessen Ängste und vertonte Perversionen einige der wirklich
unsterblichen Klassiker der Popgeschichte seit den 1980ern
hervorbrachten. Im schwarzen, enganliegenden Langarmshirt mit
Glitzerelementen und unglaublich bizarrer Metallkettenapplikationen
auf der Rückseite steht Gore für einige Minuten im Zentrum. Spielt
Gitarre, auf den großen Bildschirmen erkennt man seine schwarz
lackierten Fingernägel. Gitarre spielend sang er gerade das erhabene
„Higher Love“
von
„Songs Of Faith
And Devotion“,
jenem düsteren Electro-Gospel-Album. Äußerlich ähnelt der geschminkte Gitarrist und Keyboarder immer
mehr Lou Reed in
dessen mittlerer Schaffensphase, sein Gesang hingegen ist immer noch ein
engelsgleicher Tenor. „When
The Body Speaks“ ist
das ruhigste Stück heute Abend in der Mercedes-Benz Arena in Bad
Cannstatt. Stille zieht sich durch die Reihen des nicht ausverkauften
Fußballstadions, andächtig lauscht man einem Song, der wie kaum ein
zweiter den Ausnahmelyriker Gore in den Fokus stellt, es ist das
künstlerische Selbstverständnis eines Popgenies, dass sich in etwas
über sechs Minuten den 36.000 Zuschauern offenbart. „I'm
just an angel / Driving blindly / Through this world / I'm just a
slave here / At the mercy / Of a girl“,
Gore war immer die treibende künstlerische Kraft der Gruppe, wie
Pete Townshend bei
The Who
verdient er die Aufmerksamkeit und genießt sie mit stoischer Miene.
Gahan
kehrt zurück, rudert mit den Armen, animiert in seiner glitzernden
Weste das Publikum. Er ist schon ein begnadeter Entertainer, dieser
Dave Gahan, seines schwarzen Jackets entledigt er sich nach
wenigen Liedern, sein Hüftschwung, sein Bewegungsdrang sind
legendär, er ist der Mick
Jagger des
Electro-Pops.
Trentemøller,
den dänischen Technogroßmeister, der den Abend als Support Act
eröffnen sollte, verpasse ich. Früher als erwartet, beginnt das
Konzert erwartungsgemäß mit „Welcome
To My World“ dem
Opener des aktuellen Albums, einer treibenden, sperrigen
Electro-Hymne mit deutlichen Industrialanleihen und wachsender
Klasse.
„The
angel of love was upon me / And Lord, I felt so small / The legs
beneath me weakened / I began to crawl“,
„Angel“
folgt und ich muss anerkennen, dass Depeche Mode mit „Delta
Machine“ ein
starkes Album gelang, das auch live funktioniert.
2009
schaute ich mir die Echo-Verleihung an, weil Depeche Mode die erste
Single ihrer damaligen Platte „Sounds
Of The Universe“ erstmals
vorstellten, so enttäuschend wie „Wrong“
war
dann auch das Album, die folgende Tour interessierte mich plötzlich
gar nicht mehr. Ganz anders erging es mir mit „Delta
Machine“,
doch im direkten Kontrast verdeutlicht die Band selbst, um wie viel
größer vergangene Glanztaten erstrahlen.
„Walking
In My Shoes“, „Precious“, „Black Celebration“, „Policy Of
Truth“,
die Stimmung erreicht selbst auf den Rängen eine Stimmung, die ich
mir in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle nebenan kaum vorstellen
könnten. Ein riesiges Fußballstadion wirkt plötzlich heimeliger
als die seelenlose Mehrzweckhalle, dass der Sound selbst auf der
Haupttribüne solide, im Innenraum sicherlich großartig ist, spricht
für die Entscheidung zum Stadionkonzert.
Vom
1997er Album Ultra gibt es das pulsierende „Barrel
Of A Gun“,
nachdem das neue „Should
Be Higher“ etwas
schleppend serviert wurde. Andrew
„Fletch“ Fletcher
steht nahezu regungslos mit schwarzer Sonnenbrille hinter seinem
Keyboard, wirkt wie die Personifikation der Coolness. Die Zeit ging
nicht spurlos vorbei an den drei 51-jährigen. Besonders Fletch und
Gore sieht man das Alter deutlich an, während Dave Gahan, zumindest
aus der Entfernung jugendlich erscheint. Seine Tätowierungen
präsentierend verkörpert der Sänger mit den kurzen akkurat
nach hinten gegelten Haaren den aussterbenden Typus des
leidenschaftlichen Frontmann, wie kaum ein anderer seiner Generation.
Dass seine Stimme trotz Erkältung wie eh und je klingt spricht für
seine Klasse, auch wenn der schwarze Wollschal, den er zu keinem
Zeitpunkt des Konzerts auszieht, ein wenig deplatziert wirkt. Er
selbst beschreibt sich gerne als „The
Cat“ und
spielt damit darauf an, wie oft er dem Tod entging. In den 90ern
stark Heroin und Kokain abhängig, von Depressionen geplagt, nach
einer Überdosis im Koma liegend, verlangte er seinen Körper Unmenschliches ab. Mageninfektionen und eine Krebserkrankung später
sieht man dem agilen Sänger seinen Leidensweg kaum an.
Seine
Performance ist die eines leidenschaftlichen, obwohl er Anfang der
90er mit langen Haaren und Bart stark an eine Mischung Bono
und Jesus erinnerte und Depeche Mode seitjeher einen ähnlichen Weg
wie U2 gingen,
indem sie in ihren Genre die Größten wurden, wirkt Gahans
Bühnenverhalten ehrlicher. Ohne Messias-Komplex, dafür mit jeder
Menge Charisma nimmt er das Publikum spielend für sich ein. Kein
Wunder, dass diese Band weltweit so vergöttert wird. Besonders groß
ist die Zahl der Anhänger freilich in Deutschland, hier gab die
englische Band mehr Konzerte als in ihrer Heimat, füllt größere
Hallen und Stadien in größerer Anzahl als irgend sonst.
Selbstredend sind die acht Stadienkonzerte diesen Sommer in
Deutschland durchweg ausverkauft – mit Stuttgart als Ausnahme. Im
Winter wird man für ebenso viele Hallenshows zurückkehren. Eine
beeindruckende Statistik, die vermutlich keine andere internationale
Band vorweisen kann.
Nach
der formschönen Soloshow Gores folgt „Heaven“,
das meines Erachtens schönste Stück auf „Delta
Machine“, ein
undurchsichtiges Liebeslied, das den klaren Bariton Gahans
ausgesprochen angenehm zur Geltung verhilft, mit „Soothe
My Soul“ gibt
es den treibendsten der neuen Lieder direkt im Anschluss, bevor „A
Pain That I'm Used To“
vom letzten echten Meisterwerk der Band, „Playing
The Angel“ von
2005, in einer langen, an den Jacques
Lu Conts Remix
angelehnten Version folgt.
In
den 80ern gelangen Depeche Mode zahllose brillante Singles; „Question
Of Time“ heizt die
Stuttgarter erwartungsgemäß ein, im Innenraum wird ausgelassen
getanzt, auf den Rängen steht ohnehin fast keiner.
Das
perfekte „Home“
in einer reduzierten Version als erste Zugabe singt wieder Gore, spielt brillant
Gitarre, bevor „Halo“
in der Goldfrapp
Remix Version und die Hits „Just
Can't Get Enough“ und
„I Feel You“direkt
folgen.
Wer
über Hits dieser Klasse verfügt braucht keine opulente Bühne wie
U2, die Stones oder mittlerweile auch Coldplay. Depeche Mode sind eine gereifte Band, die ihren
künstlerischen Zenith längst überschritten hat, dennoch glaube ich
nicht, dass es vermessen ist zu sagen, dass sich das Londoner Trio mit seinen beiden Livemitglieder, Christian Eigler (Schlagzeug) und Peter Gordeno (Keyboards) zu
einer der aufregendsten Stadionbands der Welt entwickelt hat.
Zum Schluss gibt es „Never Let Me Down Again“, die Menge tobt, Gahan schwenkt die Arme, das Publikum folgt. Es ist ein Augenblick des puren Glück.
Zum Schluss gibt es „Never Let Me Down Again“, die Menge tobt, Gahan schwenkt die Arme, das Publikum folgt. Es ist ein Augenblick des puren Glück.
„We're
flying high / We're watching the world pass us by / Never want to
come down / Never want to put my feet back down / On the ground“.
Setlist, Depeche Mode, Stuttgart:
01: Welcome To My World
02: Angel
03: Walking In My Shoes
04: Precious
05: Black Celebration
06: Policy Of Truth
07: Should Be Higher
08: Barrel Of A Gun
09: Higher Love
10: When The Body Speaks
11: Heaven
12: Soothe My Soul
13: A Pain That I'm Used To
14: A Question Of Time
15: Secret To The End
16: Enjoy The Silence
17: Personal Jesus
18: Goodbye
19: Home (Z)
20: Halo (Z)
21: Just Can't Get Enough (Z)
22: I Feel You (Z)
23: Never Let Me Down Again (Z)
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