Konzert: Scout Niblett
Ort: Strøm, München
Datum: 11.06.2013
Zuschauer: gut gefüllt
Konzertdauer: etwa eine Stunde
Text und Fotos von Eike aus Bayern. Erstveröffentlichung auf seinem Klienicum.
Dass sich der Künstler gegenüber seinem Publikum offenbart, dass er sich häufig genug zur Nacktheit zwingt, wir wissen es. Dass er seinen Abgründen nicht ausweicht, im Gegenteil in sie eintaucht, um uns daraus vorzulesen, wir haben es erlebt. Dass er manchmal seinen Offenbarungszwang, die tägliche Notwendigkeit dazu nicht ertragen kann, wir haben es geahnt. Während wir uns zur Ablenkung zwingen, den inneren Dämonen so oft es geht entsagen, konfrontiert sich der Künstler, wenigstens möchten wir ihn in aller Ernsthaftigkeit so wahrnehmen, mit dem heiklen Material seiner intimen Widrigkeiten. Dem einen gelingt das für die Zeit einer Konzertreise, dem anderen geht zwischendrin der Mut, die Kraft, die Emotion verloren. Es wäre das Selbstverständlichste. Nun bin ich nicht vertraut mit Scout Niblett und ihren Nöten. Doch was sie an diesem Mittwoch abend präsentierte, war nach außen gekehrtes Unbill. Sie trug die Tragik offen. Man konnte aus ihren Gesichtszügen das Waidwunde lesen. Getroffen war sie bereits, als sie auf die Bühne kam. Als sie nach nicht einmal einer Stunde bereits wieder ging, schien sie auf eine Weise besiegt, die ich fast unerträglich fand. Ein besonderes Ärgernis, sie zu einer Zugabe herausgezwungen zu haben. Die Musik war bereits eingeschaltet, doch ein durstiges Publikum verlangte nach mehr von dem rachsüchtigen Saft der Neugier und des Voyeurismus. "I Am" war da die richtige Antwort. Und wenn es nicht genüge wäre, dass sich der Künstler nicht wohl in seiner Haut fühlt, trieben Nebensächlichkeiten ein teuflisches Spiel. Der Verstärker Nibletts war im Eimer und gab für die Dauer des Konzerts ein unüberhörbares Schnarren von sich. Auch in lauteren Passagen musste man sich Mühe geben, um gnädigerweise das störende Nebengeräusch zu ignorieren. Dass mehrmals Zwischenrufe aus dem Publikum kamen im Sinne von "Anlage abschalten!", tat da sein Übriges. Danke an den Rückrufer: "Ansage abschalten!" war sein treffender Kommentar. Scout Niblett ergänzte, dass es sich doch um einen coolen Umstand handle und sie schließliche eine Noiseband wären und grinste dabei verlegen. Ihre Anfragen nach Wünschen gleich zu Beginn des Konzerts blieben zudem fast gänzlich unbeantwortet, jemanden fiel noch "Kiss" ein, dann erbat sie sich Fragen, mehrmals, auch hier keine Reaktion aus dem Publikum. Das waren mehr als missliche Ausgangspositionen.
Nach zwei Solonummern kamen jeweils kurz aufeinander Drummer Jan Phillip Janzen und der auf Dauer breit Kaugummi kauende Miguel Ortiz Caturani auf die Bühne, um dem Vortrag etwas mehr 'Bumms' zu verleihen. Die Schießbude war derart auf Knalleffekt eingestellt, dass sie sich mehr als befeuernd in den Dienst der 1973 geborenen Emma Louise stellte, mehr denn zu einem ganz paritätischen Element des Vortrags wurde. Trommelwirbel, die Pausen füllten, Euruptives, Manisches. gelungen in jedem Fall. Auch das zusätzliche Gitarrespiel war ein willkommener Gruß an Lautstärke und kraftvollerem Vorwärts.
Doch am Ende blieb immer Scout. Ihr züngelnder Gesang in den leisen, ihr Maß nehmen in den lauteren, in den lauten passagen. Ihr Schreien ist dabei ein nie vollendetes, als wage sie nicht den Weg zu Ende zu gehen. Ihre Kunstfertigkeit an der Gitarre, dieses gezielte Spiel, um Stimmungen zu belegen, sich ein Begleitensemble zu kreieren. Seltener kannst du erleben, wie Töne zahm sich fügen, um der gesungenen Note zu folgen. Ein einträgliches Buchstabieren. Vorbeten, Nachtun. Es ist eine Ordnung, die der Künstlerin Halt verleiht. Und so folgte die Zuschauerschar im gut gefüllten Strom einem immer wieder gleichen Muster. Einem zögerlichen Beginn, in dem die Instrumente Pferden gleich mit den Hufen scharren, folgt der Ausbruch und die Entladung. Die Gitarren fetzen und erhalten durch die Schwere der Schlagzeugwucht ihre energetische Bestätigung.
Songs aus dem neuen Album "It's Up To Emma" changierten dabei zwischen der Fragilität angelehnten Gesangs und dem Punch eines organischen Krawallschlages. Eine verlorene Liebe, und du kannst sie Zeile für Zeile buchstabieren, ist eine verlorene Liebe. Und wovon sollten wir sonst zehren, wenn nicht vom Schmerz, der uns an uns bindet. Und wovon sollten wir sonst erzählen, wenn nicht vom Geschlagensein. Und was ist unsere größte Triebfeder, wenn wir nach Ausdruck suchen. Der Schmerz. Er hinterlässt Spuren. Wie die strähnigen Haare im Gesicht. Wie die ausgezerrten Züge, die licht entsagenden Falten, das falsche Schmunzeln, die tränennassen Augen. "Could This Possibly Be?" wird zum stärksten und bewegendsten Stück, weil die sezierten Elemente ihren ganz eigenen Reigen um diese unbeantwortete Frage tanzen.
Es war ein Abend, der von einem Magengrimmen begleitet war. Ja, man möchte Teilhaben an der Kunst des Ausdrucks. Auch um seines Schmerzen willen. Aber soll es auch eine Kunst sein, an der man zerbricht? Derentwegen man in die Knie geht, weil sie als Mittler vielleicht nicht mehr taugt? Der umsorgenden Hege des Blues ist Scout längst entstiegen, im blinden Treugesang des Metals ist sie längst heimatlos. Die eigene Melange aus wütender Ruppigkeit und blinder, kindlicher Folgsamkeit wird zum Störfeuer, das das Schiff nicht in den heimatlichen Hafen der Geborgenheit führt. Man wollte sie in den Arm nehmen und trösten. Doch war sie längst über alle Bergen, den Rucksack geschultert, in dem sie wohl all das mit sich führt, was sie längst abgeworfen haben sollte.
1 Kommentare :
Danke!
Sophie
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