Konzert: Dear Reader
Vorband: Traded Pilots
Ort: Club Schocken, Stuttgart
Datum: 13.05.2013
Zuschauer: vllt. 150 - 200
Dauer: Dear Reader 76 Minuten / Traded Pilots 25 Minuten
Setlist, Traded Pilots, Stuttgart:
01: Winds
02: Penny
03: Swallow Your Tears
04: Bright Bonnie Roses
05: Songs For The Dead
06: Rock
07: Bye Bye Baby
Setlist, Dear Reader, Stuttgart:
01: Man Of The Book
02: Took Them Away
03: Dearheart
04: Good Hope
05: 27.04.1994
06: Down Under, Mining
07: Whale (BooHoo)
08: Cruelty On Beauty On
09: From Now On
10: Man (Idealistic Animal)
11: Back From The Dead
12: Already Are
13: Great White Bear
14: Victory
15: Teller Of Truths (Z)
16: Bend (Z)
17: Monkey (Go Home Now) (Z)
Links:
- aus unserem Archiv:
- Dear Reader & Herrenmagazin, Freiburg, 13.11.2012
- Dear Reader & Get Well Soon, Düsseldorf, 04.10.2012 (Ursula)
- Dear Reader & Get Well Soon, Düsseldorf, 04.10.2012 (Gudrun)
- Dear Reader, Mannheim, 19.05.2012
- Dear Reader, Wiesbaden, 24.01.2012
- Dear Reader & Laura Gibson, Paris, 18.01.2012
- Dear Reader, Weinheim, 16.09.2011
- Dear Reader, Frankfurt, 11.09.2011
- Dear Reader & Ramona Falls, Wien, 08.10.2009
- Dear Reader & Ramona Falls, Marburg, 06.10.2009
- Dear Reader & Ramona Falls, Düsseldorf, 28.09.2009
- Dear Reader, Haldern, 15.08.2009
- Dear Reader, Berlin, 07.08.2009
- Dear Reader & Get Well Soon, Paris, 06.05.2009
- Dear Reader & Get Well Soon, Nijmengen, 25.04.2009
- Dear Reader, Köln, 18.04.2009
- Dear Reader, Paris, 19.02.2009
- Dear Reader & Sophie, Köln, 12.02.2009
Vorband: Traded Pilots
Ort: Club Schocken, Stuttgart
Datum: 13.05.2013
Zuschauer: vllt. 150 - 200
Dauer: Dear Reader 76 Minuten / Traded Pilots 25 Minuten
Erhabene „Ohohoho“- oder „Ahaha“-Chöre
ziehen sich durch den ganzen Abend. Cherilyn MacNeil, die
junge Südafrikanerin, die sich hinter dem Künstlernamen Dear
Reader verbirgt, gelang mit
ihrem vierten Album „Rivonia“
der große Wurf. Sie hat ihr Meisterwerk, ihr ganz
persönliches „Graceland“ geschaffen.
Ein Album so ausdrucksstark wie lyrisch stringent, von solch
musikalischer Grazie wie kaum ein anderes Werk in den letzten
Monaten.
Die Wahl-Berlinerin
hat mal wieder die Bandbesetzung nahezu komplett geändert. Es ist
erst das sechste Konzert dieser Formation. Noch breiter als auf den
vorhergegangen Alben ausgefallen, gelingt es den herausragenden
Musikern den Sound „Rivonias“ auch
live zu erzeugen. Charmante Storyteller-Qualitäten besitzt Cherilyn
MacNeil schon immer, doch selten hat sie eine berührendere
Geschichte als in „The Man Of The Book“ erzählt.
Auf der gemeinsamen TV-Noir-Tour mit Herrenmagazin
im
November erstmals gehört, brannte sich die Geschichte ihres
Ur-Ur-Großvaters, der einst mit Mahatma
Gandhi
durch Südafrika reiste, fest in mein Gedächtnis ein. Grautöne
findet man auf Dear Reader – Alben selten, MacNeils Geschichten
sind farbenfrohe Schilderungen. Auf dem aktuellen Album drehen sie
sich alle um die Vergangenheit ihres Heimatlandes. Der räumliche wie
auch kulturelle Abstand Berlins zu Johannesburg spielt hierbei
sicherlich eine ganz signifikante Rolle, vielleicht auch eine Prise
Heimweh. Die Bezugnahme auf ihre Vorfahren legt das Nahe, ebenso der
Wunsch und die Traurigkeit darüber, ihren Ur-Ur-Großvater niemals
kennengelernt zu haben. Inspirierend ist dessen Leben, das Leben des
Alber Bakers sicherlich. Stark christlich geprägt, ließ er im
rassistischen Apartheid-Südafrika Gandhi in seinem Bett schlafen und
versuchte ihn immer wieder zum Christentum zu konvertieren. Ein
lustiger Gedanke, der einen schmunzeln lässt. Die sechs-köpfige
Band spielt darüber wundervollen Folk mit starken World Music –
Einfluss. MacNeil singt am Klavier, während vor allem Sam
Vance-Law
am Akkordeon die Klangästhetik entscheidend beeinflusst. Bewusst,
wie ich annehme, nähern Dear Reader den Sound an Paul
Simons Magnus
Opus „Graceland“
an,
schließlich coverte man im November noch mit Herrenmagazin „Under
The African Sky“.
Vance-Law, der bei Cherilyn MacNeil bei der TV-Noir unterstützte,
ist ein unschätzbarer Gewinn. An Violine, Synthesizer, Akkordeon und
vor allem als begnadeter Vokalist leistet der junge Kanadier einen
großen Beitrag zur hochklassigen Musik, auf dem Album – und ganz
besonders live. Gemeinsam mit Emma
Greenfield,
die in dieser Dear Reader Besetzung Gitarre, Trompete, Keyboards
spielt und ebenfalls fantastische Backround-Vocals beisteuert,
eröffnete Vance-Law mit seinem eigenen Folkprojekt Traded
Pilots den
Abend.
25 Minuten spielten die beiden in Berliner lebenden Kanadier
glasklaren Folk in englischer Tradition mit starken
kammermusikalischen Anleihen. Der Rahmen stimmt, die Umsetzung
gelingt ausnahmslos. Verträumten, zweistimmigen, versetzten Gesang
zu dezenten Akustikgitarren- und Geigenmelodien habe ich so graziös
niemals zuvor gehört. Faktisch hat man es eher mit klassischen
Klängen, als mit herkömmlicher Popmusik zu tun. Mal an Erland
and the Carnival oder
Fairport Convention
erinnernd,
finde ich immerhin einige wenige Referenzen, die mehr schlecht als
recht passen. „Swallow
Your Tears“,
das Vance-Law im herrlichen Bariton beginnt, bevor Greenfield
einsetzt, ist eine echte Perle. Lieder wie „Bright
Bonnie Roses“ oder
„Songs For The
Dead“ verdienen
zumindest gehört zu werden. Ich höre mich selber schlucken, es
scheint still zu sein im Schocken, der Abend beginnt höchst
würdevoll.
Würdevoll
ist ein Adjektiv, das Cherilyn MacNeils Bühnenpräsenz gut
umschreiben kann. Im roten Kleid, mit auffallender Halskette und ohne
Schuhe haucht die von Grund auf sympathische Sängerin ihre
wunderbaren Lieder aus Südafrikas Historie und streut hier und da
ältere Titel ein, die erwartungsgemäß ein wenig euphorischer
aufgenommen werden. Ob an Klavier, Akkordeon oder Akustikgitarre, nie wirkt die begabte Musikerin deplatziert. „Good
Hope“ über
die europäische Entdeckung und Erschließung, die auch ihre
Vorfahren nach Afrika führte, steht für den geschichtsträchtigen
Folkpop ihres aktuellen Albums. Zu passenden Violinenklängen,
mächtigen Seemanns-Chören von Vance-Law und dem ausgezeichneten
Bassisten Michael
Vinne,
illustriert sie die Besiedlung ohne zu kritisieren oder gar zu
beschönigen. Davor leistet Greenfield als zweite Stimme beim
Ethno-Pop von „Took
Them Away“ meisterliche
Schwerstarbeit. Dass „Dearheart“,
der
große Hit vom 2008er Album „Replace
Why With Funny“,
dazwischen nicht heraussticht, bezeugt die große Klasse der neuen
Songs, dennoch ist dieser der Song, der dem ätherischen Geigenspiel
des kanadischen Multiinstrumentalisten, mit runder Brille und grauem
Hemd, die deutlichsten Freiräume lässt.
Wer
bezweifelt haben sollte, dass Dear Reader auch politische Texte
schreiben könnte, wird spätestens mit „27.04.1994“
des
Gegenteils überzeugt. Mit dem auf das Datum der ersten freien Wahlen
in Südafrika nach dem Ende der Apartheid-Ära bezogenen Titel wird
klar, dass es sich um ein Loblied auf Freiheit, Demokratie, Nelson
Mandela
und gegen Rassismus handelt. Ein wichtiger Part der
Nationalgeschichte des Landes, der auf dem augenscheinlich
konzeptionell angelegten Album nicht fehlen darf und live eine
äußerst dynamische Wirkung entfaltet, was nicht zuletzt auf den
maßgenauen Beat des Schlagzeugers Thomas
Fietz zurückzuführen
ist.
Anders
als im vergangenen Jahr bei meinem ersten Dear Reader Konzert im
mittlerweile geschlossenen Speakeasy macht einem auch die Technik
keinen Strich durch die Rechnung und die Akustik ist tadellos.
Cherilyn MacNeil fühlt sich sichtlich wohl: „Ich
bin froh zurück in Stuggi-Town zu sein“,
begrüßt sie fröhlich das Publikum und findet in ihren höflichen
Ansagen immer schmeichelnde Worte für die schwäbische Metropole und
nimmt die Schwaben generell vor der ihnen entgegenschlagenden
feindlichen Stimmung in Berlin in Schutz. „Many
people in Berlin really hate Stuttgart, but I love it!“ Sie
meint es sichtlich ernst, begeisterter Applaus quittiert die
Stellungname.
Ich
freue mich, dass es „Rivonia“
komplett
zu hören gibt, dennoch ist es jedes Mal wieder schön einen
bekannten älteren Titel zwischen den ausnahmslos guten Neulingen zu
entdecken. „Whale
(BooHoo)“ zum
Beispiel. Der verschrobene Song, der 2011 auf dem ebenfalls als
Konzeptalbum angelegten Album „Idealistic
Animals“ veröffentlicht
wurde, begeistert mit seinem starken Refrain und gibt den drei
Backroundstimmen die große Möglichkeit zu brillieren. „We'll
cover New York / with icy, icy blue / And the Statue of Liberty /
she'll be poking through / And the last time that you see her / it'll
be from a canoe / Singing Mama Goodbye / You know we'll always miss
you“, ohne
wenn und aber handelt es sich um ein Highlight eines erstklassigen
Konzerts, bevor mit „Back
From The Dead“ und
„Already Are“
nochmals
zwei neue Songs folgen.
So
wie ich „Rivonia“
für
das beste, stimmigste Album halte, sehe ich „Great
White Bear“ in
seiner fragilen Gestalt als großartiges Lied aus MacNeils Feder.
Dass die todtraurige Ballade mit ihrem extraordinären Text wohl
niemals aus der Setlist fallen wird, bleibt zu hoffen. Er verbleibt
als einer der besten Lieder der späten 00er Jahre – und das meine
ich ernst. Dann gibt es das packende Songfinale, Gänsehaut, Euphorie
und jede Menge hochklassige Musik.
„Victory“
den
Schlusssong des aktuellen Albums, dann ist das reguläre Set schon
vorbei. Drei Zugaben, darunter die Band-Klassiker „Bend“
und
„Monkey (Go Home
Now)“ zum
Schluss.
Vier
Mal habe ich Dear Reader in den vergangenen zwölf Monaten gesehen,
nie war es besser als heute. Die Besetzung wechselte stets, besser
als die jetzige kann sie kaum werden. Geht hin, genießt es und
betet, dass wir noch lange Freude an diesem Sextett haben dürfen,
bevor Cherilyn MacNeil Dear Reader ein weiteres Mal neu erschafft.
Doch auch darauf darf man gespannt sein, womit uns die kreative Johannesburgerin wohl als nächstes überrascht.
Setlist, Traded Pilots, Stuttgart:
01: Winds
02: Penny
03: Swallow Your Tears
04: Bright Bonnie Roses
05: Songs For The Dead
06: Rock
07: Bye Bye Baby
Setlist, Dear Reader, Stuttgart:
01: Man Of The Book
02: Took Them Away
03: Dearheart
04: Good Hope
05: 27.04.1994
06: Down Under, Mining
07: Whale (BooHoo)
08: Cruelty On Beauty On
09: From Now On
10: Man (Idealistic Animal)
11: Back From The Dead
12: Already Are
13: Great White Bear
14: Victory
15: Teller Of Truths (Z)
16: Bend (Z)
17: Monkey (Go Home Now) (Z)
Links:
- aus unserem Archiv:
- Dear Reader & Herrenmagazin, Freiburg, 13.11.2012
- Dear Reader & Get Well Soon, Düsseldorf, 04.10.2012 (Ursula)
- Dear Reader & Get Well Soon, Düsseldorf, 04.10.2012 (Gudrun)
- Dear Reader, Mannheim, 19.05.2012
- Dear Reader, Wiesbaden, 24.01.2012
- Dear Reader & Laura Gibson, Paris, 18.01.2012
- Dear Reader, Weinheim, 16.09.2011
- Dear Reader, Frankfurt, 11.09.2011
- Dear Reader & Ramona Falls, Wien, 08.10.2009
- Dear Reader & Ramona Falls, Marburg, 06.10.2009
- Dear Reader & Ramona Falls, Düsseldorf, 28.09.2009
- Dear Reader, Haldern, 15.08.2009
- Dear Reader, Berlin, 07.08.2009
- Dear Reader & Get Well Soon, Paris, 06.05.2009
- Dear Reader & Get Well Soon, Nijmengen, 25.04.2009
- Dear Reader, Köln, 18.04.2009
- Dear Reader, Paris, 19.02.2009
- Dear Reader & Sophie, Köln, 12.02.2009
1 Kommentare :
Danke für den Bericht. Freue mich auf Donnerstag in München....Werde mir das hier wünschen, mal sehen, ob es klappt, dass ich es noch einmal höre...
http://youtu.be/bSMCb3GkI8c
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