Freitag, 20. April 2012

Dan Mangan, Köln, 19.04.12

Konzert: Dan Mangan
Ort: Gebäude 9, Köln
Datum: 19.04.2012
Zuschauer: wohl fast ausverkauft
Dauer: Dan Mangan fast 95 min, Zeus 37 min


Es dauerte eine ganze Weile, bis ich in den Abend reinkam. So etwas passiert Sportlern häufig, die Gründe sind oft schwer auszumachen. Liegt es an ihnen selbst oder läßt der Gegner nicht mehr zu? Ist der Platz vielleicht in miesem Zustand, das Publikum zu laut / leise? Daß eine Vorgruppe mir nicht gefällt passiert (wenn auch viel zu selten, würde Oliver sagen). Aber als auch nach fünf Minuten Dan Mangan bei mir noch kein Funken Euphorie und Begeisterung aufgekommen war, kam ich ins Grübeln. Liegt es an mir? Sind das Abnutzungs-erscheinungen? Ich denke mir oft, ich will wieder Musik genießen, endlich wieder Fan sein. Ich bin zu satt.

Gottseidank ist das alles ausgemachter Unsinn. Satt war ich nicht, abgenutzt ist höchstens die Haut unter meinen Augen. Es lag an der Abmischung, daß der erste Song der kanadischen Hauptgruppe seelenlos klang. Das Stück mit dem schönen Titel About as helpful as you can be without being any help at all (den ich lieber kopiert habe) fing noisig an, die Musiker schrammelten auf ihren Instrumenten, als wollten sie einmal nicht Folk spielen müsssen. Dan hatte eine akustische Gitarre umgehangen und hielt eine andere am Hals fest, als wartete er auf einen weiteren Musiker. Das zusätzl
iche Instrument diente aber nur als Rückkopplungserzeuger. Als er anfing zu singen, war die Stimme blass und leise.

Es dauerte ein paar Minuten und bis zur Mitte von Oh Fortune, bis die Kraft von Dans Stimme erstmals durchbrach. So exzellent auch seine Mitmusiker sind, Alleinstellungsmerkmal der Stücke ist ohne Zweifel die rauhe Kneipenstimme des Kanadiers. Man kann sich ihn gut vorstellen, wie er im heimischen Vancouver die Canucks in der NHL anfeuert und sich die Seele aus dem Leib brüllt. Ob das Eishockey-Team in den Playoffs gegen LA zurückliegt, weil diese Unterstützung gerade fehlt? Ich weiß es nicht, es ist mir auch egal, ich mag die Bruins.

Dans Kollegen zuzusehen, war ein großes Vergnügen. Bassist Colin Cowan, der wie eine Mischung aus Catweazle und Doug Martsch aussieht (und wahrscheinlich 20 Jahre jünger ist, als er wirkt), und der einen Höfner Bass spielt*, der so gar nicht zu seinem Holzfälleräußeren zu passen scheint, reizte das ganze Spektrum der nicht-fiesen Rockmusikerbewegungen aus, eine seltene Kunst! Gitarrist Gord Grdina stand ihm dabei in nichts nach. Erstaunlich, daß sein energisches Spiel nur eine Saite kostete, die bei Rows of houses kurzerhand nach hinten gedreht wurde, um minutenlang weiterzuspielen.

Nach dem Holperstart gab es nichts mehr zu meckern. Zwar waren Gords Gitarre und das Schlagzeug einen Tick zu laut im Vergleich zu Dans Beiträgen, vor allem zu seiner akustischen Gitarre, dies störte aber nicht mehr sehr. Der Gesang war da, und der ist das große Pfund des Sängers. Nicht alle Lieder strotzen vor Komplexität, ab und zu fragte ich mich, in welche Kategorie ein Stück wohl gehörte, wenn es ein Künstler auf Deutsch singen würde. Das ist ein doofer Gedanke, den ich sofort unterdrückte. Dans dreckige Stimme macht nämlich auch aus den etwas weniger aufregenden Liedern echte Kracher.

Obwohl bei den Kanadiern für mich die Formel gilt, je lauter desto besser, überzeugten mich auch einige der ruhigen Stücke restlos. Die erste Zugabe The indie queens are waiting vom Album Nice, nice, very nice war eines dieser langsameren Stücke, die besonders wundervoll waren. Aber natürlich ziehen in einem Club wie dem vollen Gebäude 9 die lauten Titel am besten.
Sold, Post-war blues und Robots punkteten auch bei mir ganz besonders gut.

Als nach 75 Minuten der reguläre Teil und die erste Zugabe vorbei waren, die Band im Backstageraum verschwunden war, fragte der Sänger, wie spät es sei und wann die Züge führen. Ob denn noch Zeit für Lieder sei? Als jemand antwortete, der Zug führe um fünf, wurde das Programm wohl noch einmal verlängert. Pine for cedars spielte Dan alleine, danach suchte er seine Kollegen, die nicht wieder auf die Bühne kamen (und vielleicht schon ein Feierabendgetränk nahmen). Die drei kamen zurück und spielten mit Fair Verona und So much for everyone zwei weitere Zugaben. So much... war dabei sicherlich geplant, denn dazu nahm Dan einen Stuhl und sein Mikro, kletterte in den Saal und stellte sich auf den Stuhl, um das Lied dort zu singen, nachdem er uns unseren Mitsingpart erklärt hatte. Geplant hin oder her, es funktionierte, das im Chor gesungene Stück bildete einen fabelhaften Abschluß dieses sehr schönen Abends! Wir waren uns hinterher sicher, daß die Kanadier in der nächsten Hallengröße spielen werden, wenn sie das nächste Mal nach Köln wiederkommen.

Nicht wiederkommen muß übrigens Zeus, die kanadische Vorgruppe. Lastfm hatte bei Zeus lustige Tags geliefert, z.B. "polish" und "rap".** Wäre es das doch bloß gewesen... Die kanadischen Zeus bestreiten sicherlich 95% ihrer Auftritte auf Hochzeiten und Highschool Abschlußbällen in heimatlichen Provinznestern. Manchmal begannen die Lieder mit einem vielversprechenden Intro, hatten dann aber einen harten Bruch, bevor das eigentliche Stück anfing. So, als hielte man jemanden einen Keks hin, um den dann wegzuziehen und etwas Ekliges in seinen Mund zu stopfen. Wenn schon ein Genesis Cover das beste Lied der guten (nein!) halben Stunde war, sagt das alles.

Setlist Dan Mangan, Gebäude 9, Köln:

01: About as helpful as you can be without being any help at all
02: Oh fortune
03: Leaves, trees, forest
04: Sold
05: So I am dead
06: Post-war blues
07: Basket (Dan Mangan solo)

08: Starts with them, ends with us
09: How Darwinian
10: Robots
11: Rows of houses
12: Regarding death and dying
13: Jeopardy

14: The indie queens are waiting (Z)
15: Pine for cedars (Z)
16: Fair Verona (Z)
17: So much for everyone (Z)

* als Konzertberichterstatter sollte man häufig die Namen der Instrumente erwähnen. Das vermittelt Fachkenntnis und schafft Vetrauen. Done. Sollte ich mit meinem Raten falsch liegen, bitte ich das zu entschuldigen. Ich habe keinerlei Ahnung von Instrumenten.

** uneindeutige Bandnamen sind dämlich! Aktuell interessiert mich eine Gruppe namens Friends aus Brooklyn. Googelt man nach "Friends", bekommt man zum einen in den nächsten Monaten merkwürdige Anzeigen vorgesetzt, zum anderen viel Mist auf der Suche nach der richtigen Band (das gilt auch für Boy und viele andere Beispiele). Warum kann man seine Gruppe nicht unverwechselbar benennen? Angebissenes Butterbrot oder The Bepanthens z.B. würde man viel leichter finden. Sollten Musiker bei der Namensgebung Hilfe benötigen, ich stehe gerne zur Verfügung.

Links:

- aus unserem Archiv:
- Dan Mangan, Paris, 06.04.12
- Dan Mangan, Haldern, 13.08.11
- Dan Mangan, Frankfurt, 05.06.11
- mehr Fotos
- andere Berichte:
- Dan Mangan, München, 18.04.12 beim Klienicum!



9 Kommentare :

Oliver Peel hat gesagt…

Kein doofer Gedanke, wie ich finde. Genau wie bei Mumford & Songs habe ich bei Dan oft an eine Kategorie in der Art von: Ballermann-Folk, Kirmesmusik oder Folk fürs Oktoberfest gedacht.

Ein Problem stellt das trotzdem nicht dar, zumal ja die Musik von Mangan auch viel Schwermut beinhaltet.

Christoph hat gesagt…

Ich hatte mehr Schlager und die Hitparade im Sinn.

Aber es war trotz dieser Gedanken ein hervorragendes Konzert!

Oliver Peel hat gesagt…

Klar, aber Schlager und flotte Folkmusik liegen ja nicht so weit auseinander.

Das ist halt die kanadische Variante von Schlager, Volksmusik eben.

Oliver Peel hat gesagt…

Und du weißt ja sicherlich auch, daß "Four Winds" von Bright Eyes total nach "Resi I hol di mit meim Traktor ab" klingt!

E. hat gesagt…

1) bezüglich der fotos, christoph, du hast (noch) die möglichkeit, auf die alte blogger oberfläche zu switchen. dann ist es eigentlich mit allem leichter. ich hasse die neuen einstellungen.

2) zeus sind grandios. ich nahm mir nicht die zeit, ausführlicher auf sie einzugehen. man muss schon den stil mögen, klar, aber deine referenz hörte ich überhaupt nicht. 70ies im geiste der allman brothers und das theatralisch verwegene, verspielte von bswp. of montreal hörte ich. und den humor, der mancher ihrer aktionen zugrunde lag, darf man nicht außer acht lassen. auf scheibe auch sehr zu empfehlen.

3) die soundprobleme ziehen sich offenbar durch die gesamte tour, im fränkischen bekamen sie es gar nicht in den griff. bei uns dauerte es auch einige momente. liegt sicher an der neuausrichtung.

Christoph hat gesagt…

Danke Eike, das ist super! Hoffentlich bleibt das so, daß man die alte Benutzeroberfläche weiter nehmen kann. Ich verweigere mich sonst Neuem nicht, aber es ist doch vieles unnötig kompliziert geworden.

Zeus mochte ich gar nicht. Ich kann aber auch mit Musik aus den 70ern in der Regel wenig anfangen, sofern es kein Punk oder Postpunk ist.

Oliver Peel hat gesagt…

"Ich denke mir oft, ich will wieder Musik genießen, endlich wieder Fan sein. Ich bin zu satt."

@ Christoph: eine Anspielung auf Vorgelesenes? ;-)

Anonym hat gesagt…

Zeus sind eine großartige Band .. Das der Soundmann die Mischung nicht auf die Reihe bekommen hat, ist ein anderes Programm .. Aber das, was du geschrieben hast ist wirklich beleidigend und abwertend der Band gegenüber ..

Christoph hat gesagt…

Es muß schon viel passieren, bis ich jemanden beleidige. Das käme mir bei einer Band, deren Mitglieder ich nicht kenne, nicht in den Sinn. Ich weiß, daß viele Zeus lieben. Auch Leute, deren Musikgeschmack ich schätze.
Ich fand den Auftritt aber schlimm, warum auch immer, und habe das beschrieben. Wie ich die Band damit beleidige, ist mir nicht ganz klar. Zumal die uns vermutlich nicht lesen.

 

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