Samstag, 21. April 2012

Mariee Sioux & Matt Elliott, Paris,19.04.12


Konzert: Mariee Sioux & Matt Elliott
Ort: le Café de la danse, Paris
Datum: 19.04.2012
Zuschauer: etwa 300
Konzertdauer: Mariee Sioux etwa 75 Minuten


Das aktuelle zweite Album Gift For The End war für die amerikanische Folkeuse Mariee Sioux eine ganz schwierige Geburt. Fast fünf Jahre hat es gedauert, bis der Nachfolger für Faces in The Rocks endlich im Kasten war. Dabei waren die Lieder längst geschrieben und wurden auch schon vor zwei Jahren und mehr in Konzerten gespielt, aber erst jetzt hat sich ein (französisches) Label gefunden, das das feine Material veröffentlichte.

Schon seltsam, daß eine solch gute Musikerin wie Sioux solche Probleme hat, ihr Werk herauszubringen. Da fragt man sich doch erneut, warum so viel Mist in den Plattenläden steht, aber solch erlesene Sachen durchs Sieb fallen.

Aber sei's drum, Gift For The End kann man nun endlich physisch erwerben und auch in Vinyl ist das Opus zu haben.

Natürlich spielte Mariee deshalb auch heute im Pariser Café de la danse das neue Werk von A bis Z, bzw. 1-8 und ließ, wenn ich gut aufgepasst habe, keinen einzigen Titel davon aus.


Und im Unterscheid zu damals hatte sie heute eine kleine Band dabei. Ihr Lebensgefährte Sean spielte Autoharp, Gitarre und mitunter im Stehen Schlagzeug, Jeff Manson Bass und in einem Fall auch Piano. Diese stärkere, glücklicherweise aber angemessen subtile Instrumentierung trug entscheidend mit zum Erfolg dieses Konzertes bei. Die beiden Männer gaben den reduzierten Liedern mehr Tiefe und Volumen, aber auch mehr Wärme und Anschmiegsamkeit. Aus den kargen Folksongs wurden atmosphärische Dream Pop Stücke, die aber keineswegs Mariies zarte Stimme in den Hintergrund stellten. Die beiden Kerle verstanden es meisterhaft, der Chefin genug Raum für ihren äußerst fragilen Gesang zu lassen. Eine Weiterentwicklung im Klangbild, die absolut zu begrüßen ist, weil sie nicht Richtung Kommerz und Mainstream geht, sondern lediglich mehr Farben und Nuancen zulässt.

Ein älteres Lied erfuhr ein besonders schönes und gelungenes Liftung. Flowers And Blood kam in der neuen Version so unbeschreiblich schön rüber, daß sich allein hierfür der Weg ins Café de la Danse gelohnt hatte. Super dabei auch, daß die beiden Männer auch ein wenig im Background mitsangen und so einen hübschen Kontrast zu Mariees Stimme bildeten. Fünf Minten lang kostete ich jede Zeile dieses Juwels aus und hätte mir fast gewünscht, es noch einmal als Zugabe serviert zu bekommen. Stattdessen gab es aber als Zugabe ebenfalls ein altes Stück von Faces In The Rocks und zwar Burried in Teeth, vorgetragen allein von Mariee und ihrer Akustischen.



Vorangegangen war aber ein mit aktuellen Titeln gespicktes Konzert. Ein großes Highlight hierbei sicherlich Ghosts In My Heart. "Little kids mamas have your name in their mouths" sang Mariee und später dann im Refrain langgezogen und schwebend: "in her mouth, In her mouth, In her mouth." So was von göttlich, Freunde! Das Fingerpicking erste Sahne, die Autoharp betörend, die Atmosphäre warm und weich wie ein Babyarsch.



Ebenfalls besonders hervorgehoben werde muss Homeopathic, das Mariie schon einmal in meinem Wohnzimmer gespielt hatte. Heute waren die Bedingungen aber freilich besser, der Sound gestochener und noch bis in den letzten Winkel der schönen Loction gelangend. Es handele von den "inner struggles" so die Künstlerin und dauerte dann fast 9 Minuten, in denen Mariee in ein paar Szenen stimmlich sehr sehr hoch (himmelhochjauchzend) intonierte und sich immer wieder mit ihren Fußspitzen nach oben drückte, so als hielte sie es auf dem Stuhl nicht mehr aus.

Schließlich möchte ich auch Old Magic nennen, bei denen ein paar Pianoklänge das Lied schmückten und so ein wenig John Lennonsche Melancholie mit hinzuzauberten. Bei Old Magic sangen die beiden Sänger besonders aktiv mit und schufen zusammen mit der schwarzhaarigen Schönheit Harmoniegesänge, die ... nun ja, magisch klangen! Logisch! Das Stück endete rein a' cappella und wurde vom Publikum mit stürmischen Beifall bedacht, der die vorbildliche Ruhe in den Zuschauerreihen vorübergehend auflöste.



Etwa 75 Minuten wurde ausgewogen harmonisch, friedvoll und mit viel Liebe zum Detail musiziert, bevor wir von dem sympatischen Trio Abschied nehmen mussten. Eingefleischte Fans haben aber die Möglichkeit, Mariee Sioux am Sonntag noch einmal in einem Gratis-Showcase bei den Balades Sonores zu erleben.

Setlist Mariee Sioux, Café de la Danse, Paris 2012:

gespielt wurde das komplette Album Gift For The End + Wizard Flurry Home, Flowers & Blood und als Solo-Zugabe Buried in Teeth.

Sehr lesenswerte Albumkritik zu Gift For The End von Ober-Indianer Eike-Klienicum, klick!

Deutsche Konzerttermine Mariee Sioux:

17.05.2012: Steinbruch, Duisburg
18.05.2012: King Georg, Köln
19.05.2012: Hafen 2, Offenbach mit Masha Qrella
20.05.2012: Schaubude, Dresden
21.05.2012: Zentrale, Hamburg
22.05.2012: Comet Club, Berlin




2 Kommentare :

E. hat gesagt…

sehr bildhaft beschrieben, oliver. da geht einem das herz auf, auch wenn man nicht dabei war. aber wer sie live gesehen hat, weiß um das spezielle erlebnis.
(einen hinweis auf ein albumreview wäre an dieser stelle angemessen gewesen.)

Oliver Peel hat gesagt…

Ja,ein Frevel, in der Tat, Eike! Habe im Bett die ganze Zeit darüber gegrübelt, was ich noch vergessen hatte. Wollte den Link zum Klienicum natürlich unbedingt drinhaben. Jetzt ist er aber da :)

 

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