Freitag, 27. April 2012

Keep Portland Weird, Paris, 25.04.12


Konzert: Keep Portland Weird mit Lovers, Tara Jane O'Neil & Vanessa Renwick
Ort: Le Centre Pompidou, Paris
Datum: 25.04.12
Zuschauer: etwa 300

Konzertdauer: am längsten spielte Tender Forever mit einer knappen Stunde


Keep Portland Weird
ist ein fantastisches Festival, das die Musikszene einer der kreativsten Städte der Welt abfeiert. Daß das Renommé von Portland/Oregon weit über Amerika hinausgeht, beweist dieses Festival, das in Paris, Metz und Nantes 10 Tage lang (19-29 April) die Indieszene der amerikanischen (Nord)-Westküstenstadt hochleben lässt.



In Paris finden die meisten Konzerte in der modernen Gaité Lyrique statt, die heutige Show wurde aber im Keller des Museums Centre Pompidou ausgetragen. Dort gibt es ein schickes Theater mit bequemen roten Kinosesseln ("la grande salle"), das knapp 400 Zuschauern Platz bietet.

Auf dem Programm standen Lovers, Vanessa Renwick, Tara Jane O'Neil und die seit ein paar Jahren in Portland lebende Französin Melanie Valera alias Tender Forever.

Lovers machten den Anfang und klangen auch nicht übel, langweilten mich aber nach einer Weile mit ihrem netten, aber nicht weltbewegenden Elektropop. Die 3 Bandmitglieder (Carolyn Berk, Kerby Ferris und Emily Kingan) standen für meinen Geschmack auch viel zu weit außeinander. Vor einer Leinwand mit bunten abstrakten Bildern spulten die knabenhaften und im Falle der Schlagzeugerin extrem stark tättowierten Mädels (man muss sicherlich nicht erwähnen, daß sie und das überwiegende Publikum heute überwiegend gay waren, deshalb auch der Spruch bei Facebook: "keep Portland weird ...and gay!") ihr Programm ab und spielten mich trotz recht hoher Lautstärke in den Schlaf. Ja, richtig gelesen, ich habe während der Show ziemlich tief gepennt! Lag aber auch vor allem an meiner extremen Müddigkeit und den vielen vielen Konzerten der letzten Wochen. Als es vorbei war, war ich jedenfalls ziemlich stark narkotisiert und hätte eigentlich einen tiefschwarzen doppelten Espresso gebraucht, um wieder richtig wach zu werden (aber den gab's natürlich nicht...).


Das nachfolgende Programm half mir nicht gerade dabei, wieder munter zu werden. Die Gitarristin Tara Jane O'Neil, für die ich hauptsächlich gekommen war, spielte nämlich im Halbschatten der Bühne sphärische und langgezogene Töne auf ihrer Elektrischen, um einen Film der Videokünstlerin Vanessa Renwick zu untermalen, in dem es auschließlich um ein einziges Thema ging: Quallen bzw. Medusen wie die Franzosen sagen. Die Farben waren absolut wundervoll, das Innere der Quallen sehr schön zu betrachten, aber 15 Minuten (anstatt 30) hätten sicherlich auch gereicht.


Nun hatte ich gehofft, daß Tara Jane ihre folkigen Solosachen präsentieren würde, aber zu meiner großen Enttäuschung schlurfte sie apathisch von der Bühne und kam später nur noch einmal kurz zu einem Gitarrenpart während des Konzerts von Tender Forever wieder. Kein richtiges Konzert also von ihr heute, das würde morgen in der Gaité Lyrique zusammen mit der ebenfalls von mir verehrten Mirah stattfinden. Ich Trottel hatte irgendwie das falsche Konzert besucht, soviel war mir nun klar....


Das es insgesamt aber kein Flop wurde, dafür sorgte die Französin Tender Forever. Die kesse Wahl-Portlanderin begeisterte erneut mit ihren zynisch-witzigen Sprüchen, den abgefahrenen Videos (headbangende Mädchen, Priester, die Skateboard fahren, langmähnige Typen die um ein Lagerfeuer hüpfen) und ihrem quirligen Elektropop der besondern Art.

Aus ihrer Homosexualität macht sie keinen Hehl (wieso eigentlich auch?) und sie äußert sich auch regelmäßig zu ihren Erlebnissen diesbezüglich. Es sei scheiße, daß man sie in Frankreich oft als "Monsieur" anspräche, damit müsse man erst mal klarkommen. Und auch damit, daß jeder fünfte Franzose dieser schlimmen Blondine seine Stimme gegeben habe. Dabei hatte sie doch so auf den Kandidaten der Linksfront Mélenchon gehofft. "Ich dachte wirklich der würde gewinnen", meinte sie schmunzelnd.

Aber es wurden nicht nur Anekdoten erzählt, sondern auch gute Musik gemacht. Ich mag die Stimme von Melanie sehr. Aus ihr spricht eine tiefe Verletzlichkeit, aber auch eine immense innere Stärke. Sie klingt unverfälscht, sehr direkt und berührend und diese Authenzität macht neben ihren verrückten Tanzeinlagen das Besondere ihrer Shows aus. Zwar können die Videos auf Dauer manchmal ganz schön nerven, aber die herzliche Art von Melanie (eine unehliche Tochter von Regine Hildebrand? Die gleiche Kodderschnauze hat sie jedenfalls und auch sonst sind gewisse Ähnlichkeiten nicht zu leugnen) gleicht das dann immer wieder aus.



Auch ist sie sehr spontan, hat normalerweise nie eine Setlist (heut aber schon und die hat sie mir hinterher gegeben) und spielt grundsätzlich quer druch den Garten ihres inzwischen recht reichhaltigen Repertoires. Hinzu kommen ziemlich krasse Cover von krassen Künstlern, die aber bei Tender Frover immer irgendwie toll klingen. So kamen dann auch Survivor (von Destiny's Child) und Believe (von Cher) richtig gut rüber, reichten jedoch nicht an das auf der Gitarre vorgetragende Ryan Adams Cover Pick Me Up ran. Das war einfach betörend schön.





Begleitet wurde Melanie von Musikerinnen aus Portland (woher auch sonst?), darunter wie erwähnt Tara Jan O'Neil bei einem Stück und ansonsten auch einer Xylophonspielerin, die die Französin als Multitalent vorstellte.

Insgesamt wieder mal eine coole Show von Tender Forever, sie hat mir definitiv den ansonst nur gehoben mitelmäßigen Abend gerettet. Und das Festival geht ja noch bis zum 29. Janur weiter.
..

Setlist Tender Forever, Keep Portland Weird, Paris:

01: Got To Let Go
02: Take It Off
03: Well I Can Take It
04: No One Will Tell No One
05: Like The Snare
06: If I'm Weird
07: Come Pick Me Up (R. Adams)
08: How Many
09: You Have The Woods
10: Survivor (Destiny's Child)
11: Make Out
12: Tender Forever

13: Feeling Of Love
14: Believe (Cher)



 

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